Netzbaukünstler und Jägerinnen
Spinnenvielfalt der Schweiz
Das Wissen über Spinnen ist klein, die Furcht hingegen gross. Doch die in der Schweiz lebenden heimischen Arten sind alles andere als gefährlich. Die Nützlinge halten dem Menschen Insekten vom Leib und faszinieren mit ihren acht Beinen und acht Augen.
Jedes Jahr geistern wieder Berichte über gefährliche und giftige Spinnen, die in der Schweiz ihr Unwesen treiben sollen, durch die Medien. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um die vom Mittelmeerraum eingewanderte Nosferatu-Spinne, die sich nun seit einigen Jahren dauerhaft in der Schweiz niedergelassen hat. Sie ist allerdings genauso harmlos wie jede andere Spinnenart der Schweiz, ihr Biss nicht schmerzhafter als ein leichter Wespenstich.
Ist die Nosferatu-Spinne jedoch giftig? Ja. Allerdings verfügt der Grossteil aller bekannten Spinnenarten über Giftdrüsen. Diese werden auch dringend benötigt, denn eine Spinne kann nicht kauen. Das Gift hilft dabei, die oftmals grössere Beute ganz ohne Zähne zu überwältigen. Für den Menschen jedoch kann keine in der Schweiz lebende Spinne zur ernsthaften Gefahr werden. Während einige einheimische Arten, wenn sie sich bedroht fühlen, die menschliche Haut mit ihren Cheliceren durchdringen können, sind die Mundwerkzeuge der meisten Spinnen ohnehin zu schwach, um diese Barriere zu überwinden.
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Hören mit den Beinen
Die Webspinnen zählen zusammen mit den Skorpionen, Zecken, Weberknechten und den Pseudoskorpionen zu den Spinnentieren. Webspinnen heissen sie deshalb, weil sich an ihrem Körperende Spinndrüsen befinden, mit denen sie Fäden produzieren können. Am besten bekannt sind diese teils klebrigen Spinnfäden in Form von kunstvollen Netzen, in denen die Spinne geduldig auf heranfliegende Beute wartet. Allerdings bauen nicht alle Arten ein klassisches Netz zum Beutefang. Viele der Insektenfresser begeben sich aktiv auf die Jagd oder warten in Erdhöhlen, auf Blumen oder in Spalten auf vorbeikommende Nahrung. Gewisse Arten benötigen die Spinnseide zudem, um sich fortzubewegen und um neue Lebensräume zu erobern. Bei dem sogenannten «Ballooning» produziert die Spinne Seidenfäden, die vom Wind mitsamt der Spinne davongetragen werden.
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Manchmal werden Spinnen fälschlicherweise als Insekten bezeichnet, sind mit diesen jedoch nicht näher verwandt. Von Insekten unterscheiden sich alle Spinnen durch ihre acht Beine und ihren zweiteiligen Körper, der aus dem Vorder- und dem Hinterleib besteht. Insekten dagegen erkunden auf sechs Beinen ihren Lebensraum. Ihr Körper besteht immer aus drei Teilen.
Die vielen Beine der Spinnen sind hochkomplexe Organe und erfüllen wichtige Funktionen. Mit ihnen kann die Jägerin hören, fühlen und riechen. Sechs bis acht Augen ermöglichen es den Tieren, ihre Umgebung zu betrachten. Insbesondere Springspinnen, die sich durch ihre grossen Augen auszeichnen, sind als Pirschjäger auf eine hervorragende Sicht angewiesen.
Vielfalt in der Schweiz
Weltweit sind rund 50 000 Spinnenarten beschrieben, viele warten vermutlich noch auf eine Entdeckung. Rund eintausend der zahlreichen Arten bevölkern beinahe alle Lebensräume der Schweiz. Während viele Spinnen warme Regionen bevorzugen und Basel deswegen unter anderem als Spinnen-Hotspot bekannt ist, finden sich auch in den Alpen robuste und kälteresistente Arten.
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Die Zamonische Zwergspinne, die 2010 in den Bündner Alpen entdeckt wurde, lebt unter der Schneeschicht von Fichtenwäldern und ist somit auch im tiefsten Winter aktiv. Doch nicht nur an Land finden sich die Tiere, selbst Gewässer haben sie erobert. So lebt die Wasserspinne als einzige Art in einer Luftblase unter der Wasseroberfläche, wo sie sich von Wasserinsekten ernährt.
Die geschickten und vielfältigen Jägerinnen sind nicht nur interessante Tiere, sie spielen zudem eine äusserst wichtige Rolle in den Ökosystemen. Denn sie vertilgen Insekten. Und davon eine ganze Menge. Zwischen 400 und 800 Millionen Tonnen Insekten und andere kleine Lebewesen landen jährlich in den Mägen von Spinnen. Zum Vergleich: Menschen konsumieren im Jahr rund 400 Millionen Tonnen Fleisch. Die Spinnen wiederum dienen zahlreichen anderen Tierarten als Nahrung.
Die achtbeinigen Tiere haben eine spannende Lebensweise und können von allen Menschen beobachtet und studiert werden. Denn Spinnen sind überall zu finden, und das zu jeder Jahreszeit. Ob man die Insektenfresser nun mag oder nicht, Studien haben gezeigt, dass wir nie weit von dem nächsten Achtbeiner entfernt sind. Im Umkreis von drei Metern eines Menschen findet sich so gut wie immer auch eine Spinne. Man muss nur aufmerksam beobachten.
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Angst vor Spinnen?
Die Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, ist weit verbreitet. Warum Menschen Panik vor den Achtbeinern entwickeln, ist noch nicht endgültig geklärt. Forschungen legen nahe, dass unsere Vorfahren mit gefährlichen Spinnen zu tun hatten und diese Angst in uns genetisch veranlagt ist. Auch die Art der Fortbewegung, die oftmals unberechenbar scheint, löst bei manchen Menschen Grauen aus. Eine andere Theorie besagt, dass Kinder die Angst vor den Tieren von ihren Eltern erlernen. Dieser anfängliche Ekel kann sich zu einer handfesten Phobie ausweiten. Wer mit einer Spinnenangst zu kämpfen hat, hat die Möglichkeit, unter Anleitung von Psychotherapeutinnen und Spinnenexperten ein Angstseminar zu besuchen. Wer sich die Anreise zu einem solchen Seminar ersparen möchte, kann auch die von der Universität Basel entwickelte App «Phobys» ausprobieren, die dabei hilft, die Phobie langsam abzubauen.
AngstseminareZoo Zürich
Dauer: 08.15 bis 12.30 Uhr
Kosten: Fr. 295.– pro Person, inklusive Eintritt in den Zoo
Kursdaten: zoo.ch
Walter Zoo
Dauer: 13.30 bis 17.30 Uhr
Kosten: Fr. 250.– pro Person
Kursdaten: walterzoo.ch
Psychologisches Institut der Universität Zürich
Dauer: 17.00 bis 21.00 Uhr
Kosten: Fr. 250.– pro Person
Kursdaten: psychologie.uzh.ch
Einige Arten der Schweiz
Rindenspringspinne (Marpissa muscosa)
Die Rindenspringspinne ist die grösste Springspinnenart Europas. Sie bevorzugt sonnige Plätze an Bäumen, auf Wiesen und verirrt sich auch gerne einmal in menschliche Wohnungen. Die kleine Räuberin schleicht sich so nah wie möglich an ein Beutetier heran, springt es an und tötet es gezielt mit einem Giftbiss.
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Ammen-Dornfinger (Cheiracanthium punctorium)
Zu den wenigen Spinnen in der Schweiz, die die menschliche Haut mit einem Biss durchdringen können, zählt die Ammen-Dornfingerspinne. Da sie scheu ist und sich tagsüber in der Vegetation versteckt, ist eine Begegnung selten. Ihre Beisswerkzeuge setzen die Weibchen ein, wenn sie ihr Nest beschützen.
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Speispinne (Scytodes thoracica)
Die Speispinne, lebt hauptsächlich in der Nähe des Menschen. Was sie so besonders macht, ist ihre einzigartige Methode, Beute zu fangen. Sie baut keine Netze, sondern pirscht sich an ihr Opfer heran. Ist sie nah genug, bespritzt sie es mit Leimfäden, wodurch das Beutetier festklebt.
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Veränderliche Krabbenspinne (Misumena vatia)
Ihren Namen verdankt die Krabbenspinne ihren kräftigen Vorderbeinen, die an Krabbenarme erinnern. Die Weibchen der Veränderlichen Krabbenspinne können ihre Farbe aktiv wechseln und werden somit zu Meisterinnen der Tarnung. Geduldig sitzen sie auf Blüten und warten auf Fluginsekten.
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Spaltenkreuzspinne (Nuctenea umbratica)
Der Hinterkörper der Spaltenkreuzspinne ist stark abgeflacht. Das ermöglicht es ihr, sich tagsüber unter Baumrinde, in engen Spalten oder Mauerritzen zu verstecken. Erst bei Einbruch der Dunkelheit bezieht sie die Mitte ihres Netzes und wartet auf Beute.
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Wespenspinne (Argiope bruennichi)
Unverkennbar ist die weiss, gelb und schwarz gestreifte Wespenspinne. Mit einer Körperlänge von zwei Zentimetern gehört diese auffällige Spinne zu den grossen Arten der Schweiz. Die Wespenspinne baut ihr Netz in Bodennähe auf ungestörten Wiesen und Brachen.
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