Glückliche und gesunde Kälber
Wenn Kälber zu Hause aufwachsen dürfen
Meist werden Kälber im Alter von nur drei Wochen von ihrem Geburtsbetrieb weggebracht, um auf einem anderen Hof aufgezogen zu werden. Bio Luzern hat gemeinsam mit der Nuztierschutz-Organisation KAGfreiland das Projekt«Zuhause gross werden» angestossen. Dieses ermöglicht, dass die Jungtiere vier Monate auf ihrem Geburtsbetrieb abgetränkt werden. Projektleiterin Chiara Augsburger erläutert die Vorteile.
Frau Augsburger, wieso werden die meisten Kälber nur wenige Wochen nach der Geburt auf fremde Betriebe verkauft?
Mit zunehmender Spezialisierung der Höfe haben sich Milchproduktionsbetriebe nur auf die Milchkühe und allenfalls die Aufzucht ihrer zukünftigen Milchkühe spezialisiert. Kälber, die sich nicht zur Milchproduktion eignen, müssen schnellstmöglich ihren Herkunftsbetrieb verlassen, um keine wertvollen Ressourcen, also Milch, Futter, Platz und Zeit, zu verbrauchen, die lieber für die Milchproduktion eingesetzt würden. Je länger die Kälber auf dem Betrieb bleiben, desto mehr Milch trinken sie, die nicht verkauft werden kann.
Sie beschreiben, dass der Antibiotikaeinsatz stark reduziert werden kann, wenn die Kälber länger auf dem Geburtsbetrieb bleiben. Was macht die Kälbchen so krankheitsanfällig?
Die Kälber sind besonders anfällig, weil verschiedene Stressfaktoren für das Immunsystem gleichzeitig auftreten. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem ihr Immunsystem noch nicht komplett aufgebaut ist und der Schutz aus der Muttermilch abnimmt. Der Umgebungswechsel, der Transport, viele fremde Artgenossen, das komplett andere Keimmilieu auf dem neuen Betrieb und je nach Jahreszeit tiefe Temperaturen führen zu Mischinfektionen. Die häufigsten Krankheiten sind Durchfall und Lungenentzündung.
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Wenn die Kälber vier Monate oder länger auf ihrem Geburtsbetrieb bleiben können, ist das gut für ihre Gesundheit. Beeinflusst es auch ihr mentales Wohlbefinden positiv?
Kälber werden mit zunehmendem Alter selbstsicherer und kommen mit einem Betriebswechsel besser klar. Der wichtigere Unterschied ist jedoch die Gruppenzusammensetzung. Also, ob ein Kalb allein in eine fremde Gruppe integriert wird oder zusammen mit anderen Kälbern, die es bereits kennt.
Was für Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit Landwirte ihre Kälber zu Hause grossziehen können?
Neben der passenden Infrastruktur und dem nötigen Fachwissen über die Kälberaufzucht, muss auch die Vermarktung der Remonten (angehende Mastrinder) möglich sein. Also es muss Mastbetriebe geben, die keine Tränker, sondern Remonten aufnehmen. Sowohl die Geburtsbetriebe als auch die Mastbetriebe müssen die Vorteile von den gesünderen und widerstandsfähigeren Kälbern kennenlernen.
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Wie viele Betriebe machen beim Projekt bereits mit?
Von diversen interessierten Betrieben, die die Projektunterlagen anforderten, haben bereits drei ihr Gesuch um Unterstützung eingereicht.
Was bietet KAGfreiland für Unterstützung?
Zusammen mit dem Kälbergesundheitsdienst beraten wir die interessierten Betriebe zur Kälberhaltung. Bei Bedarf helfen wir auch bei der Vermittlung zwischen den Milch- und Weidemastbetrieben. Für Investitionen in die Kälber-Infrastruktur leisten wir einen Unterstützungsbeitrag von bis zu 500 Franken pro Kälberplatz.
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