Heute besiedeln wieder zirka 100 Steinböcke die Kette Steiglihorn – Esel – Tomlishorn – Widderfeld – Stäfeliflue – Risetenstock. Das war nicht immer so. Lange Zeit galt der Steinbock in der Schweiz als ausgestorben. Sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode gejagt. Daher wird ihr Bestand heute von Wildhütern aufs Genauste überwacht. Der Steinbock ist ein geschütztes Wildtier. In Gebieten und Kolonien, in denen die Kapazität des Lebensraums erreicht ist, übt man lediglich eine sogenannte Hegejagd aus. Das heisst, ist ein Tier alt oder krank, wird es zum Schutz der anderen erlegt. Nur durch eine solche Bestandskontrolle sei es möglich, dass sich eine Kolonie so gut entwickle wie die auf dem Pilatus, erklärt Peter Lienert. Der pensionierte Oberförster des Kantons Obwalden und sein ehemaliger Wildhüter Hans Spichtig haben einen grossen Teil ihres Lebens dem Steintier verschrieben. Kein Wunder, lässt sie das imposante Tier auch nach ihrer Pensionierung nicht los und so begleiten sie heute Steinbock-Safaris auf dem Pilatus.

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Dabei vermitteln die beiden Experten Wissenswertes über die Flora und Fauna des Pilatus, aber auch Sagenhaftes. Denn wie es sich für einen richtigen Hausberg gehört, ranken sich zahlreiche Sagen und Legenden um das Bergmassiv. Angeblich wohnen Drachen im Berg, die ab und an Feuer spucken und über dem Vierwaldstättersee ihre Runden drehen. Laut einer anderen Legende wird Pontius Pilatus für die Unwetter, die regelmässig über den Berg niedergehen, verantwortlich gemacht. Der Namensgeber des Berges –früher hiess das Massiv mons fractus (gebrochener Berg) – soll in einem kleinen Bergsee begraben sein. Damit niemand in Versuchung kommt, die Totenruhe des römischen Statthalters zu stören, war es lange Zeit verboten, den Berg zu besteigen.

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Der steile Aufstieg

Heutzutage pilgern jährlich Hunderttausende auf den Pilatus, denn der Berg ist relativ einfach zu erreichen. Musste man in früheren Jahren den Berg zu Fuss besteigen, transportieren heute die Pilatus Bahnen die Besucher bequem bis zum Gipfel. Besonders spektakulär ist dabei die Anreise mit der steilsten Zahnradbahn der Welt. Oben angekommen kann man bei gutem Wetter ein fantastisches 360°-Panorama geniessen. Die grandiose Aussicht reicht vom Vierwaldstättersee über den Säntis und die Zentralschweizer Alpen bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau auf der einen Seite, auf der anderen übers Mittelland zum Jura und sogar bis zum Schwarzwald. Insgesamt überblickt man neben dem fantastischen Bergpanorama auch sechs Seen, wenn es das Wetter zulässt. Laut volkstümlicher Wetterregel lässt sich aber bereits vom Tal aus bestimmen, ob sich ein Ausflug lohnt. Heisst es doch: «Hat der Pilatus einen Hut, bleibt das Wetter gut. Hat er einen Kragen, darf man eine Tour wohl wagen. Trägt er aber einen Degen, bringt er uns gewiss bald Regen.» Aber Achtung, das Wetter ändert sich schnell in den Bergen und auch die Wolkendecke kann sich rasant zu ziehen. Ein bisschen Glück gehört bei der Suche nach den Steinböcken also immer dazu. Doch auch bei schlechtem Wetter erfährt man viel Lehrreiches auf einer Steinbock-Safari. Zum Beispiel, dass es sich bei den Tieren am Pilatus um eine sogenannte isolierte Kolonie handelt. Sprich, Steinböcke aus einer anderen Kolonie können nicht einfach zuwandern, da sie dazu eine Talsohle durchqueren müssten. Doch Steinböcke sind Gratwanderer. Zur Blutauffrischung der Kolonie müssen also Tiere aus anderen Kolonien «importiert» werden. Das letzte Mal geschah dies im Jahr 2011 – fünfzig Jahre nach der Auswilderung der ersten Exemplare. Fünf Steinböcke und fünf Steingeissen aus dem Wallis siedelte man damals um. Seitdem ist es um die Kolonie recht gut bestellt.

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Steil bergaufSeit weit über hundert Jahren erklimmen auf der kühnsten Zahnradbahnstrecke der Welt die roten Triebwagen der Pilatusbahn den Gipfel des imposanten Pilatus. Mit einer maximalen Steigung von 48 Prozent ist sie die steilste Zahnradbahn der Welt und einmalig in ihrer Art. Ingenieur Eduard Locher hatte im 19. Jahrhundert die Idee, eine Bahn auf den Pilatus zu bauen. Viele hielten ihn für verrückt. Doch 1889 wurde die 4618 Meter lange Bahnstrecke von Alpnachstad nach Pilatus Kulm eröffnet. Dass eine Bahn bei dieser Steigung überhaupt vorwärtskommt, bedarf einer ausgeklügelten Technik. Die geniale Konstruktion mit zwei horizontal drehenden Zahnrädern machte es möglich. Dieses Meisterstück wurde an der Weltausstellung 1889 in Paris präsentiert. Bis 1937 waren es elf Dampftriebwagen, mit denen die Strecke über die Wasserstation Ämsigen (heute offizielle Haltestelle), die Mattalp und entlang der Eselwand nach Pilatus Kulm in einer Fahrzeit von 80 Minuten bewältigt werden konnte. Bereits 1905 dachte man daran, vom Dampfbetrieb auf den elektrischen Bahnbetrieb umzusteigen. Dieses Elektrifizierungsprojekt musste jedoch wegen der damals zu hohen Kosten zurückgestellt werden. Erst am 15. Mai 1937 eröffnete man feierlich den elektrischen Bahnbetrieb mit den neuen Triebwagen.

Erlaubt ist nur die Hegejagd

Nur selten müssen die Wildhüter eingreifen, meist um Tiere von Leiden durch die Moderhinke oder Gamsblindheit zu befreien. Beide Krankheiten werden von Schafen übertragen und enden häufig tödlich. «Tiere, die an Gamsblindheit leiden, sind an verschmierten oder trüben Augen zu erkennen. Bei Steinböcken, die auf geringe Distanz – weniger als zwanzig Meter – nicht fliehen, kann es sich um betroffene Tiere handeln. Es ist wichtig, diese Tiere in Ruhe zu lassen, da sie bei Fluchtversuchen abstürzen können», mahnt der ehemalige Oberförster. Um den Schaden bei den Wildtieren möglichst gering zu halten, ist man auf dem Pilatus um eine Trennung von Schafen, Gämsen und Steinwild bemüht. Ansonsten sei der Steinbock ein echter Überlebenskünstler. Im Sommer frisst er sich Reserven an, von denen er den ganzen Winter zehrt. Ein Steinbock reduziert während des Winters sein Gewicht um bis zu 35%, da kaum Nahrung vorhanden ist. In der kalten Jahreszeit senken die Tiere ihre Herzfrequenz und ruhen vermehrt. Sie verbrauchen nie mehr Energie als unbedingt notwendig. Daher ist es besonders wichtig, dass der Mensch dem Wild keine unnötigen Störungen zumutet. Ein Punkt, auf den die Wildhüter gerne unermüdlich hinweisen.

«Steinwild ist sehr touristenfreundlich, weil es nicht sofort flieht», erzählt uns Wildhüter Hans Spichtig. Während die Gämsen eher schreckhaft auf Wanderer reagieren, scheinen sich die Steinböcke kaum daran zu stören und vermitteln so das Bild gemütlicher Zeit-genossen. Dass dies stimmt, demonstriert eine Gruppe von zehn Steingeissen eindrücklich. Keine fünf Meter entfernt streifen sie mit männlichen Youngstars an den Safariteilnehmern vorbei. Die kapitalen Böcke lassen sich jedoch nicht sehen, dafür ein Schneehase, jede Menge Alpendohlen, ein Alpensalamander und neugierige Murmeltiere. Das Wissen der Wildhüter macht den Spaziergang zu einem lehrreichen Ausflug. Wer kein Glück hat, schiesst schliesslich ein Bild in der Steinbockbar. Hier steht ein grosser, starker und mächtiger ausgestopfter Steinbock – ein Hegeabschuss. Sein sehr eindrückliches Gehörn ragt über einen Meter in die Luft. Zu gerne hätten Peter Lienert und Hans Spichtig ihren Safari-Teilnehmern einen richtigen, lebendigen majestätischen Steinbock gezeigt. Doch was will man machen? Die Natur ist eben kein Zoo und das ist auch gut so.

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Infos zur Steinbock SafariEs besteht die Möglichkeit im Pilatus-Kulm zu übernachten. Im Preis von zirka 290 Franken (DZ) inkludiert sind die Berg- und Talfahrt, Apéro, Steinwild Information und Führung, Abendessen und ein Frühstücksbuffet. Mitbringen sollte man: gutes Schuhwerk, Wanderausrüstung und Feldstecher. Die Steinbock-Safari findet bei jedem Wetter statt. Eine Pilatus Übernachtung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Nicht nur dass man einen traumhaften Pilatus Sonnenunter- und Sonnenaufgang mitverfolgen kann. Übernachtungsgäste erleben den beliebten Aussichtsberg auch abseits des riesigen Touristenansturms.

Los geht’s an folgenden Daten:
23./24. Juni, 11./12. Juli, 22./23. Juli, 5./6. August
18./19. August, 29./30. August, 12./13. September
23./24. September, 3./4. Oktober, 15./16. Oktober
23./24. Oktober
Eine Reservation ist im Voraus erforderlich.
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