Auf der Website des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) springt einem sofort der signalrote Kreis ins Auge. Mit dem sogenannten Radar Bulletin publiziert das BLV Informationen zur aktuellen Tierseuchenlage in Form eines Ampelsystems. Rot bedeutet also nichts Gutes und betrifft in dem Fall die Lage zur Afrikanischen Schweinepest. Das Virus grassiert zurzeit in vielen Ländern Osteuropas, und das Verbreitungsgebiet verschiebt seine Grenze zunehmend Richtung Schweiz. Obwohl die Afrikanische Schweinepest weit weniger ansteckend ist als etwa die Maul- und Klauenseuche, gehört sie zu den hochansteckenden Tierseuchen. Sie verläuft in den meisten Fällen tödlich.

Entsprechend alarmiert ist das BLV, allen voran das Institut für Virologie und Immunologie (IVI). Um die Einschleppung der Seuche in die Schweiz zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern, wurde die Einfuhr von lebenden Schweinen und Produkten aus Schweinefleisch aus den betroffenen Regionen eingeschränkt. Doch das Virus nutzt auch andere Wege, die weniger gut kontrollierbar sind.

Hauptüberträger der Afrikanischen Schweinepest ist der wilde Verwandte unserer Hausschweine: das Wildschwein (Sus scrofa). Die Tiere scheren sich nicht um Landesgrenzen und wandern ungehindert auch zwischen den Ländern hin und her, ohne jemals eine Zollkontrolle zu passieren. Das BLV entwickelte darum zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) Anfang 2018, kurz nachdem die Afrikanische Schweinepest in Tschechien und damit zum ersten Mal auch in Europa auftrat, ein Früherkennungsprogramm.

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Jäger und Wildhüter sind dazu aufgefordert, alle tot aufgefundenen Wildschweine sowie Abschüsse von kranken Tieren dem zuständigen kantonalen Veterinärdienst zu melden, damit die Kadaver auf das Virus untersucht werden können. Spaziergänger und Autofahrer können tote Wildschweine direkt dem zuständigen Wildhüter melden. So kann hoffentlich schnell reagiert werden, sollte das Virus die Wildschweinpopulation der Schweiz erreicht haben.

Nationale KrisenübungAlle zehn Jahre führt der Bund eine nationale Krisenübung zum Ausbruch einer Tierseuche durch. Im November 2021 bekämpften rund 300 Personen einen fiktiven Ausbruch der hochansteckenden Afrikanischen Schweinepest. Tierärzte, Wildhüter und Jagdaufseher suchten nach toten Wildschweinen, und die Auswirkungen von Transportverboten von Schweinen wurden simuliert. «Zum ersten Mal wurde eine Seuche geprobt, die von Wildtieren auf Nutztiere übertragen wird. Diese Situation ist gefährlich. Die grossflächige Ausbreitung unter den Hausschweinen konnten wir mit einschneidenden Massnahmen verhindern», bilanziert Kaspar Jörger, Übungsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung des BLV. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden habe gut funktioniert, und neue digitale Möglichkeiten haben zu einem raschen Datenaustausch beigetragen. Ziel der Krisenübung war es unter anderem, Schnittstellen und Abläufe zu überprüfen.

Der Erreger reist mit

Ein Faktor spielt dabei der Mensch, denn dieser bewegt sich wesentlich schneller und legt grössere Strecken zurück als ein Wildschwein. Manch Reisefreudiger hat dabei gefährlichen Proviant im Gepäck. In Schweinefleischprodukten wie Rohschinken und Salami kann das Virus monatelang überleben. Obwohl das Virus für den Menschen ungefährlich ist, kann damit verseuchtes Fleisch den Weg in die Schweiz finden. Wird ein halb gegessenes Sandwich an Raststätten achtlos weggeworfen, womöglich noch mit dem gut gemeinten Gedanken, dass die Wildtiere dadurch etwas zu fressen haben, so landet auch dessen Inhalt in der Natur und schnell in einem Wildschweinmagen. Selbst eine offenbar saubere Entsorgung im Abfalleimer stellt für die Tiere kein Hindernis dar, um an die begehrten Leckerbissen ranzukommen.

Um eine mögliche Übertragung des Virus an Reiserouten und Raststätten zu verstehen, haben RolfGrütter und Maria Elena Vargas Amado von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Wildschweinverbreitung in der Schweiz 2022 modelliert. Dabei griffen sie hauptsächlich auf Daten aus den kantonalen Jagdstatistiken der letzten sieben Jahre zurück und verglichen sie mit den Orten der meistgenutzten Autostrecken und Rast-plätzen. Das Ergebnis: Besonders Rastplätze nördlich der vielgenutzten A1 von Genf nach St. Margrethen grenzen an dichte Wildschweinpopulationen und sind wahrscheinliche Eintrittsorte für das Virus.

Aber auch die A2 im Tessin liegt in einem Gebiet mit hoher Wildschweindichte. «Konkret haben wir 57 Rastplätze identifiziert, an welchen ein hohes Risiko für eine Übertragung besteht», sagt Vargas Amado. Vom Wildschwein ist es nur noch ein kurzer Weg, bis auch Hausschweine vom Virus infiziert werden. Besonders gefährdet sind jene Tiere, die im Freien gehalten werden, denn dort kommen ihnen die Wildschweine gefährlich nahe. Die Wissenschaftler vom WSL erstellten im September 2022 daher zusätzlich eine Risikokarte für die Übertragung des Schweinepestvirus auf Hausschweine. Besonders gross ist das Risiko demnach nördlich der A1 in den Grenzgebieten zu Deutschland und im Kanton Tessin an der Grenze zu Italien.

Wettlauf gegen die Zeit

Infizierte Wild- und Hausschweine ereilt rasch ein tragisches Schicksal. «Die Afrikanische Schweinepest verläuft bei den derzeit in Europa zirkulierenden Stämmen zu fast 100 Prozent tödlich», berichtet Dr. Nicolas Ruggli, Tierarzt und Virologe. «Fast alle Wild- und Hausschweine sterben innerhalb von drei bis zehn Tagen nach Auftreten von Symptomen.» Diese bestehen vor allem aus plötzlich auftretendem Fieber, welches auf keine gängige Therapie anspricht. Die betroffenen Tiere wirken apathisch, husten und erbrechen Blut. Später können sich Nasen und Ohren blau verfärben (Cyanose) und vor allem auf Schleimhäuten punktförmige Blutungen (Petechien) auftreten.

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«Man sollte nicht auf Hautblutungen oder blaue Ohren warten, bevor man reagiert», betont Ruggli. Mit seinem Team forscht er am IVI in Mittelhäusern BE an jenen seltenen Stämmen, die ihre Virulenz und Letalität verloren haben, um die Krankheit und Genesung besser zu verstehen. «Das Virus der Afrikanischen Schweinepest ist bereits im frühen Krankheitsstadium durch einen PCR-Test zuverlässig nachweisbar», berichtet der Tierarzt. «Das heisst, wenn bei unspezifischen Symptomen wie Fieber und Appetitlosigkeit der Labortest bei einer Blutprobe negativ ausfällt, ist der Ausschluss sicher.» Schweinehalter sollten ihre Tiere also gut beobachten und möglichst schnell reagieren, sobald ein Individuum krank scheint.

Obwohl das Virus seit rund hundert Jahren bekannt ist, gibt es noch keinen Impfstoff oder Medikamente gegen die Afrikanische Schweinepest. Warum das so ist, erklärt Prof. Dr. Charaf Benarafa, Tierarzt und Immunologe am IVI: «Das Virus ist gross und komplex. Es weist ein grosses Genom mit fast 160 Genen auf, und von der Hälfte kennen wir noch nicht einmal die Funktion. Das Virus infiziert zudem spezifisch Zellen des Immunsystems von Schweinen.» Das Virus sei so in der Lage, einer Immunreaktion zu entgehen. Entsprechend muss erst verstanden werden, welche Faktoren der Immunreaktion zu einem Schutz beitragen können und welche nicht.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 02/2023 vom 26. Januar 2023. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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Dies sei auch deshalb schwierig, weil es keine Kleintiermodelle wie Maus oder Ratte gibt, an denen dazu geforscht werden kann. «Alle Studien müssen an Schweinen oder Wildschweinen im Hochsicherheitslabor durchgeführt werden», berichtet Benarafa. Das ist zeit- und ressourcenaufwendig. Bisher gäbe es lediglich einen experimentellen Lebendimpfstoff. Bis eine Heilung oder gar ein Totimpfstoff für die Afrikanische Schweinepest gefunden wird, liegt es also an uns allen, die Seuche möglichst lange von unseren Wild- und Hausschweinpopulationen fernzuhalten.

Von der Afrikanischen Schweinepest betroffene Gebiete sind momentan Sardinien, die Region rund um die Küste Genuas (Italien), Teile Nordostdeutschlands, Polen, die baltischen Staaten, Tschechien, Rumänien und Bulgarien sowie die an die Länder anschliessenden Grenzgebiete (Stand Nov. 2022).

Aktuelle Infos und eine Karte der betroffenen Gebiete findet man auf der Website des BLV (blv.admin.ch).

Hinweise für Reisende

• Bringen Sie keinen Reiseproviant in Form von Fleisch- und Wurstwaren aus den betroffenen Gebieten mit.

• Das Verfüttern von Küchenabfällen an Haus- und Wildschweine ist verboten.

• Entsorgen Sie generell Speiseabfälle in verschlossenen Müllbehältern.

• In betroffenen Ländern sind bei Jagden strikte Hygienemassnahmen inkl. Reinigung der Jagdkleidung und -geräte einzuhalten und auf Jagdtrophäen ist zu verzichten.