Unbekannter Gigant
Der Grönlandhai führt ein langsames Leben
Der Grönlandhai ist ein Bewohner der kalten Meere, über den nur wenig bekannt ist. Forschende sind nun der Lebensweise des Knorpelfisches auf der Spur. Sie entdecken Erstaunliches über den trägen Unterwasserjäger.
In den arktischen Gewässern des Nordatlantiks schwimmt ein fünf Meter langer Fisch: Der Grönlandhai (Somniosus microcephalus). Praktisch geräuschlos bewegt sich der Jäger gemächlich in bis zu 2000 Metern Tiefe. So weit unter der Meeresoberfläche herrscht absolute Dunkelheit, doch das scheint den auch Eishai genannten Gröndlandhai nicht zu stören. Sein Gattungsname «Somniosus» bedeutet aus dem Lateinischen frei übersetzt «der Schlaftrunkene», denn für seine Grösse bewegt sich der Hai äusserst langsam.
Mit Peilsendern ist man dem Koloss nun auf der Spur. Nachdem lange angenommen wurde, dass er sich primär von auf den Meeresboden sinkendem Aas ernährt, stellt er sich nun als durchaus geschickter Jäger von Fischen und Robben heraus. Letztere greift er an, wenn diese schlafen, und kann sie deswegen trotz seiner langsamen Schwimmweise erbeuten. 2008 fanden Forschende die Kieferknochen eines jungen Eisbären im Magen eines Grönlandhais. Ausserdem stehen sogar Elche und Rentiere, die sich ins Wasser verirren, auf seinem Speiseplan.
Ein lang(sam)es Leben
Nicht nur diese überraschenden Beutetiere machen den Grönlandhai aussergewöhnlich. Einem Forscherteam der Universität Kopenhagen gelang es mittels Radiokarbonanalyse der Augenlinsen von 28 Grönlandhaien erstmals, das Alter der jeweiligen Tiere zu bestimmen. Die kleineren Exemplare wurden dadurch auf etwa50 bis 60 Jahre geschätzt. Bei einem grossen, über fünf Meter langen Weibchen kam jedoch Erstaunliches zu Tage: Das Tier musste um die 400 Jahre alt sein.
Damit ist der Grönlandhai das Wirbeltier mit der längsten bekannten Lebensspanne. Man geht davon aus, dass die Haie erst mit mindestens 150 Jahren geschlechtsreif werden. Die Tiere sind ovovivipar, das heisst, dass die Jungtiere im Mutterleib aus den Eiern schlüpfen und anschliessend geboren werden. Man schätzt, dass Weibchen davor bis zu 18 Jahre trächtig sind. Mit etwa zehn Jungtieren pro Wurf können Grönlandhaie wegen ihrer langen Lebenszeit trotzdem 200 bis 700 Nachkommen haben.
Streng riechende Delikatesse
Der Grönlandhai gehört zu den grösseren Haien und könnte dabei durchaus auch auf Schwimmende Jagd machen. In den extrem kalten polaren Gewässern kommt es jedoch selten zu Begegnungen mit dem Menschen, und es sind keine Angriffe bekannt. Als Speisefisch ist der Grönlandhai eigentlich ungeeignet. Sein Fleisch enthält Trimethylaminoxid, das verhindert, dass Proteine bei starkem Druck destabilisieren.
Dieser Stoff ermöglicht es dem Hai, in die Tiefe der Polarmeere abzutauchen. Im menschlichen Darm wird Trimethylaminoxid bei der Verdauung zu Trimethylamin abgebaut. Dies kann zu heftigen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall führen. Lediglich Haut, Flossen und die Leber können verwertet werden. Allerdings gilt das in einem langwierigen Prozess fermentierte Fleisch unter den Isländern als Delikatesse. Die «Hákarl» genannte, streng riechende Spezialität soll verdauungsfördernde Eigenschaften haben. Ob der Hai dadurch gefährdet ist, bleibt bisher unbekannt. Er wird jedoch in der Roten Liste der gefährdeten Arten vorsorglich als Art der Vorwarnliste geführt.
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