Sie sind hübsch, gelten als intelligent und verspielt: Füchse erfreuen sich grosser allgemeiner Beliebtheit. Nicht nur in freier Wildbahn begeistert Reinecke, auch der Wunsch, Füchse als Haustiere zu halten, ist durchaus weit verbreitet. Die sozialen Medien sind voll von Bildern mit Menschen, die mit den hübschen Tieren posieren, sie an der Leine herumführen, in kleine Kleidchen stecken, mit ihnen spielen und kuscheln. Auf dem Fox-Family-Fest trafen sich im Mai Fuchsbegeisterte aus aller Welt in Moskau. Dort traf man auch auf echte Füchse, auf dem Schoss ihrer Besitzer, Kunststücke vorführend oder in Showkäfigen sitzend. Wie eine Mischung aus Katze und Welpekommen sie einem vor und vermitteln das Bild eines begehrenswerten, exotischen Haustieres. Es entsteht geradezu der Eindruck, man könne Füchse problemlos zu Hause in der Wohnung halten.

Finger weg von Findlingen

Die Versuchung mag gross sein, einen angefahrenen Fuchs oder ein verwaistes Jungtier zu sich nach Hause zu nehmen und aufpäppeln zu wollen. So gut gemeint, so schlecht ist die Idee jedoch. Wie die meisten Wildtiere fallen auch Füchse unter das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel. Wer ein jagdbares Tier wie den Fuchs einfängt oder mitnimmt, muss mit einer empfindlichen Busse von bis zu 20 000 Franken rechnen. Oft befindet sich die Mutter von augenscheinlich verwaisten Fuchswelpen nicht weit weg und traut sich nur nicht zu ihrem Jungtier zurück, solange Menschen in der Nähe sind. In diesem Fall sollte man die Situation beobachten und sich an Fachpersonen wenden, zum Beispiel an die örtliche Wildhut. Bei schwer verletzt aufgefundenen Tieren und bei einem Wildunfall ist immer umgehend die Polizei unter 117 zu rufen. Diese verbindet den Anrufenden bei Bedarf mit dem Wildhüter, der das Tier erlösen kann.

Ein Gesundpflegen verletzter ausgewachsener Füchse ist schon alleine für das Tier mit grossen Schmerzen und Stress verbunden und wird daher meistens ausgeschlossen. Nebst dem Fakt, dass es verboten ist, sollte man ein Wildtier aber auch aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Hause nehmen. Gerade beim Fuchs ist die Gefahr doch gross, dass es sich um ein mit Räude infiziertes Tier handelt. Diese Erkrankung wird durch Milben verursacht, die zu Haarausfall, starkem Juckreiz und entzündeter krustiger Haut führt und auf Menschen und Haustiere übertragbar ist. Zudem können sich ungeimpfte Hunde bei Füchsen mit Staupe anstecken, einer Viruserkrankung, welche im schlimmsten Fall zum Tod führt.

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Ein russisches Experiment

Sich einfach einen Fuchs von draussen aus der Natur ins Haus zu holen, ist also keine so gute Idee. Was aber, wenn es zahme Füchse gäbe? Tatsächlich läuft in Russland seit rund 60 Jahren ein Experiment, welches genau das im Sinn hat. Der russische Biologe Dimitri Beljajew wollte nachvollziehen, wie Domestizierung funktioniert. Also testete er, ob sich Füchse ebenso über Generationen zu zahmen Tieren heranzüchten lassen wie vor Urzeiten der Wolf. Dafür arbeitete er mit Pelzfarmen in Nowosibirsk zusammen, die ihrerseits davon profitierten, dass ihre Tiere einfacher zu handhaben wurden. Zeigen Füchse weniger Scheu gegenüber den Arbeitern, kommt es weniger oft zu Unfällen, und wenn sie sich nicht in Panik bei einem Ausbruchversuch verletzten, so bleibt der Pelz hübsch und damit wertvoller.

Bei den ersten für das Zuchtexperiment ausgewählten Tieren handelte es sich um sogenannte Silberfüchse, einer grau-schwarz gefärbten Variante des Rotfuchses, die bei Pelzhändlern besonders beliebt war. Jeweils zehn Prozent der ruhigsten und sozialsten Tiere wurden ausgewählt, um sich weiter zu vermehren. Bereits nach vier Generationen wurden die Jungtiere zutraulicher, liessen sich kraulen und leckten die Hände ihrer Pfleger. Einige Füchse fingen sogar an, mit dem Schwanz zu wedeln, ein Verhalten, das bisher nur bei Hunden in Reaktion auf den Menschen bekannt war. Beljajew fühlte sich bestätigt: Auch Füchse lassen sich domestizieren.

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Schlappohren und Flecken

Im Laufe des Experiments kamen weitere hundeartige Eigenschaften dazu: Füchse mit kürzeren Schnauzen, geringeltem Schwanz und Schlappohren wurdengeboren. Sie wurden verspielter und suchten den Augenkontakt zu ihren Bezugspersonen, etwas, das wilde Füchse nicht können. Die Fellfarbe veränderte sich, wurde variabler, und die Würfe bestanden auch aus Tieren mit Flecken. Schon lange fragten sich Wissenschaftler, warum bei domestizierten Tieren wie Rindern und Hunden häufiger Flecken auftreten als bei ihren wilden Verwandten. Interessanterweise fanden Schweizer Wildtierbiologen kürzlich auch Stadtfüchse in Zürich mit auffällig gefleckten Ohren und Pfoten. Stadtfüchse sind im Vergleich zu ihren ländlichen Verwandten bekanntlich weniger scheu, sodass Wissenschaftler vermuten, dass die Merkmale für gepunktetes Fell auf einem Gen liegen, welches auch für die Zahmheit selektioniert. Ob die Tiere durch Zucht oder Gewöhnung an den Menschen zahmer werden, scheint dabei keine Rolle zu spielen.

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Mit dem Tod von Beljajew im Jahr 1985 übernahm Ludmila Trut die Führung der Forschungsstation und die Züchtung der zahmen Füchse. Die politischen und auch wirtschaftlichen Umbrüche in den 1990er-Jahren stürzten die Farm jedoch in finanzielle Nöte. So wurden die ersten zahmen Füchse als Haustiere verkauft. Die Idee stiess auf grosses Interesse, und heute ist das, was als Experiment startete, längst zum Geschäftgeworden. Ein zahmer Fuchswelpe kostet zwischen 5000 und 7000 US-Dollar (umgerechnet etwa 4800 bis 6800 Franken).

Vom Traum zum Albtraum

Der Traum vieler Fuchsbegeisterten hat jedoch seine Schattenseiten. Füchse sind und bleiben Wildtiere, die auch entsprechende Bedürfnisse an eine artgerechte Haltung haben. So sieht die Schweizerische Tierschutzverordnung vor, dass man ein Wildtier nur halten darf, wenn man es angemessen ernähren, pflegen und unterbringen kann, sowie einen erforderlichen Sachkundenachweis hat. Im Anhang 2 der Verordnung findet man detaillierte Angaben darüber, welche Voraussetzungen eine Haltung von Füchsen erfüllen muss. Sie brauchen ein mindestens 100 Quadratmeter grosses Aussengehege mit hohem, ausbruchssicherem Zaum, Gelegenheiten zum Graben, Schlafboxen und andere Versteckmöglichkeiten. Eine Wohnungshaltung ist nicht gestattet. Zusätzlich muss man sich durch die kantonale Tierschutzbehörde eine Haltungsbewilligung ausstellen lassen und einen geeigneten Tierarzt finden, der einen Fuchs behandeln kann. Nicht zuletzt darf man weder einen Fuchs aus der Natur fangen noch kann man einen einfach im Zoohandel kaufen.

Exotische Haustiere müssen meist teuer aus dem Ausland importiert werden. Ob sich in der Schweiz schon jemand einen Fuchs aus der russischen Zucht geholt hat, ist nicht bekannt, darf jedoch zu bezweifeln sein angesichts der vielen Hürden. Selbst wenn es einfacher wäre, sich ein solches Tier anzuschaffen, sollte man es sich gut überlegen. Füchse können durch ihr Markierverhalten äusserst streng riechen, sind neugierig und knabbern gerne alles in ihrer Umgebung an. Ausserdem unterstützt man mit dem Kauf exotischer Tiere auch ein oft zwielichtiges Geschäft. So leben die Zuchtfüchse auf der Farm in Russland mangels Platz und Modernisierung noch immer in den alten, rostigen Käfigen des ursprünglichen Experiments.

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