Wer kennt diese Situation nicht? Bei einem Picknick auf der Wiese, bei einem Mittagessen auf dem Balkon oder beim Turnen und Spielen im Freien: ganz plötzlich ein punktueller, stechender Schmerz am Körper. Der Übeltäter: eine Wespe. Der nun spürbare Schmerz ist intensiv, brennend und pocht nach. Was folgt, ist eine schmerzhafte Schwellung, die über Stunden oder gar Tage anhält. Doch warum stechen Insekten wie Wespen und was passiert in unserem Körper bei einem Stich? Insekten stechen hauptsächlich zur Verteidigung. So setzen sie ihren Stachel gezielt ein, um sich sowie ihre Nester gegen Bedrohungen zu schützen oder auf ihrer Beutejagd. Ein Stich dient dabei als sehr effektive Abschreckung oder Lähmung von Feinden, Eindringlingen und ihren Opfern.

Der Insektenstich kann je nach Spezies sehr schmerzhaft sein, was teilweise auf die chemischen Substanzen im Gift zurückzuführen ist. Diese Gifte enthalten eine Mischung aus Proteinen und anderen Verbindungen, die Schmerzrezeptoren aktivieren und Entzündungen verursachen. Während die meisten Menschen nur vorübergehende Schmerzen und Schwellungen erleben, sind allergische Reaktionen möglich. Letztere reichen von milden Symptomen wie Juckreiz und Hautausschlag bis hin zu richtig schweren Reaktionen wie Anaphylaxie, die lebensbedrohlich sein kann. Hier in der Schweiz sind neben Wespen besonders Bienen und Hornissen berüchtigt. Doch es gibt noch deutlich schmerzhaftere Stiche als die der einheimischen Arten. Justin Orvel Schmidt, ein renommierter amerikanischer Entomologe, widmete sein Leben dem Studium von Insektenstichen. Bekannt als der «King of Sting», entwickelte er ein Bewertungsschema, um die Schmerzen von Insektenstichen einzuteilen: den Schmidt-Stichschmerz-Index. Und dieser Index klassifiziert die Schmerzen von Insektenstichen auf einer Skala von 1 bis 4 und bietet dabei anschauliche, um nicht zu sagen fast witzige Beschreibungen der unterschiedlichen Schmerzen.

Mehr als vierzig Jahre lang studierte er stechende Insekten und bewertete die Schmerzen, die er durch die Stiche von 80 verschiedenen Bienen-, Wespen- und Ameisenarten erlitt. «Wenn es passiert, reagiere ich zunächst wie jeder andere auch – mit Fluchen, mehr als ich zugeben möchte. Dann hole ich mein Notizbuch und meine Stoppuhr heraus, setze mich hin und mache Notizen», beschrieb er 2018 gegenüber dem englischen «Guardian» den Leidensprozess.

Nach eigenen Angaben wurde Schmidt über tausendmal von Insekten gestochen, immer wieder mal absichtlich. Der im Alter von 75 Jahren aufgrund von Komplikationen durch Parkinson verstorbene Schmidt bestand darauf, nicht unbedingt gestochen werden zu wollen. «Wollen ist ein zwiespältiges Wort. Ich will die Daten, aber ich will nicht den Stich», sagte er 2016 in einem Interview mit NPR. Er führte seine schmerzhaften Selbstversuche also nicht aus Masochismus durch, sondern aus wissenschaftlicher Neugier und mit dem Wunsch, das Verhalten und die Biochemie von stechenden Insekten besser zu verstehen. Er wollte herausfinden, wie die Evolution solche komplexen und effektiven Verteidigungsmechanismen hervorgebracht hat und welche Rolle Schmerz dabei spielt.

Schmidt-Stichschmerz-Index

Stufe 1Schmerz:
Leicht flüchtig, fast fruchtig. Als ob ein winziger Funke ein einziges Haar auf dem Arm ansengt.
Kann aber auch scharf, plötzlich und etwas beunruhigend sein. Als ob man über einen Flokati-Teppich läuft, sich statisch auflädt und einen elektrischen Schlag bekommt.
Im schlimmsten Fall wie ein seltener, stechender, irgendwie hoher Schmerz. Als ob jemand eine Heftklammer in die Wange schiesst.

Insekt:
Blutbiene, Furchenbiene, Rote Waldameise, Knotenameise etc.

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Stufe 2Schmerz:
Reichhaltig, herzhaft und heiss. Als ob eine Zigarre auf der Zunge ausgelöscht wird. Oder wie ein abgebrochener Streichholzkopf, der auf deiner Haut abbrennt.

Insekt:
Honigbiene, Hornisse, Gemeine Wespe, Deutsche Wespe, Bremse etc.

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Stufe 3Schmerz:
Ätzend, brennend und unerbittlich. Als ob jemand einen Bohrer benutzt, um einen eingewachsenen Zehennagel freizulegen, oder man einen Becher mit Salzsäure über eine Schnittwunde schüttet.

Insekt:
Ameisenwespe, Polistes carolina, Polistes metricus etc.

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Stufe 4Schmerz:
Heftig, blendend, furchtbar elektrisch. Als ob jemand einen laufenden Föhn in das Schaumbad fallen lässt. Oder ein reiner, intensiver, strahlender Schmerz. Als ob man über glühende Kohlen läuft und dabei einen sieben Zentimeter langen rostigen Nagel in der Ferse stecken hat.

Insekt:
Tarantulafalke, Synoeca, 24-Stunden-Ameise etc.

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