Herr Schmidt, wann und bei welchen Wetterbedingungen ist die Hauptzugzeit der Amphibien?

Wenn es Ende Februar über 5 Grad Celsius warm wird und regnet, kommen die ersten Amphibienarten zum Vorschein. Sie überwintern im Wald und ziehen im Frühling zu ihren Laichgewässern.

Was machen sie, wenn es während der Zugzeit plötzlich wieder kalt wird?

Sie warten an Land in einem frostfreien Versteck. Sind sie schon im Wasser, tauchen sie ab.

Wie finden Amphibien den Weg vom Winterquartier zu ihrem Biotop?

Über den Geruch, optisch und dank Magnetfeldern.

Wie steht es um die Amphibien in der Schweiz?

Es kommt darauf an, ob man das Glas halb leer oder halb voll sehen will. Wir haben in der Schweiz während der letzten 100 Jahre 90 Prozent der Feuchtgebiete verloren. Aktuell reden wir über Amphibien, die in den verbliebenen 10 Prozent leben. Hier bin ich vorsichtig optimistisch. Es sieht so aus, als ob wir bei vielen Arten die Talsohle erreicht haben. Die Amphibienzahlen scheinen sich zu stabilisieren. Viele Leute beim Bund, den Kantonen und auch bei vielen privaten Organisationen haben offenbar das Richtige gemacht.

Gibt es ein besonders gutes Beispiel?

Der Kanton Aargau investierte in den letzten 20 Jahren viel in den Amphibienschutz. So wurde Weiher um Weiher realisiert. Das wirkt sich positiv auf den Bestand aus. Wenn die richtigen Massnahmen ergriffen werden, können im Natur- und ganz besonders im Amphibienschutz schöne Ziele erreicht werden. Es kann nur etwas gemacht werden, wenn Finanzen zur Verfügung stehen und wenn das Personal vorhanden ist, denn der Aufwand, einzelne Weiher zu bauen, ist hoch.

Zur Person
Der Biologe Benedikt Schmidt ist 54 Jahre alt und seit 2002 bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (info fauna karch) tätig. Er betreut selbst ein Naturschutzgebiet, ist immer wieder im Feld unterwegs und wohnt im Kanton Baselland. info fauna karch ist eine vom Bund finanzierte Stiftung und in einem Gebäude der Universität Neuchâtel einquartiert. Sechs Personen sind in Teilzeitarbeit für den Amphibien- und Reptilienschutz tätig.

Warum, wie läuft das genau ab?

Man muss vor Ort herausfinden, wo es ideal ist, einen Weiher zu graben. Es folgen Verhandlungen mit dem Landwirt, Förster, mit Gemeindevertretern, schliesslich braucht es eine Baubewilligung. Das ist schon mal ein hoher bürokratischer Aufwand. Da muss man sich durchbeissen. Es braucht Geld, Zeit, Ausdauer und den guten Willen der betroffenen Leute. Wenn man einen Weiher bauen will, ist das Geld dazu meist da.

Wo sehen Sie noch Probleme?

Es gibt nach wie vor viele Konfliktpunkte. Auf den Strassen werden sehr viele Tiere überfahren, sie verschwinden in der Kanalisation, die Landwirtschaft wird oft nicht amphibienfreundlich betrieben. Amphibien mögen Hecken, Ast- und Steinhaufen. Die Landnutzung hier ist sehr intensiv, es gibt kaum ungenutzte Flächen und keine spezifisch auf Amphibien ausgerichteten Biodiversitätsflächen. Pestizide gelangen in Gewässer, auch in Amphibienweiher.

Gibt es Arten, die ganz besonders gefährdet sind?

Die Geburtshelferkröte ist ein Sorgenkind. Sie lebt in Gruben, entlang von Flüssen, in Bauernhofgärten und Steinbrüchen. Uns ist nicht klar, was genau das Problem bei dieser Art ist; wahrscheinlich aber die mangelnde Qualität der Landlebensräume. Auch die Kreuzkröte ist gefährdet. Sie braucht grössere Weiher, die austrocknen. Heute hält sie sich in Fahrspuren in Kiesgruben auf, weil sie nichts Besseres findet. Mit Weihern von der Grösse von zehn auf zehn Metern, die im Herbst austrocknen, könnte man dieser Art schnell helfen.

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Sind austrocknende Gewässer kein Problem?

Wenn Weiher innerhalb von drei Monaten nach dem Ablaichen austrocknen, ist es kein Problem, denn dies eliminiert Fressfeinde wie etwa Fische. Wir bauen sogar Weiher, die man gezielt trockenlegen kann. So ist der Fortpflanzungserfolg bei allen Amphibien sehr hoch, und die Bestände erholen sich rasch. Auen wären perfekte Lebensräume für Amphibien. Man sagt fälschlicherweise, dass ein Fluss über die Ufer tritt. Wir schätzen den Raum, den ein Fluss beansprucht, falsch ein. Diese Überschwemmungsbereiche fehlen heute, wären aber wichtig für die Biodiversität. Es gibt aber eine interessante Entwicklung.

Und die wäre?

In vielen landwirtschaftlichen Gebieten baut sich der Torfboden ab oder die Drainage bricht zusammen. Reis könnte eine Alternative in solchen Gebieten werden. Wenn man die Reisfelder richtig anlegt, könnten sie für Amphibien einen idealen Lebensraum darstellen. Es gibt in der Schweiz ein Potenzial von 1000 Hektaren, wo Reis angebaut werden könnte. Wenn dort überall auch Frösche produziert würden, wäre das eine typische Win-win-Situation. Kreuzkröte, Laubfrosch und Gelbbauchunke würden sehr davon profitieren.

Ist der Hautpilz immer noch ein Problem?

Es gibt zwei Pilze, die eingeschleppt wurden. Einer ist in der Schweiz weitverbreitet, scheint aber keine grossen Probleme zu machen. Ein zweiter Pilz wurde vor fast zehn Jahren in Holland unter dem Namen Salamanderpilz beschrieben. Er führt dazu, dass Feuersalamander wegsterben, sodass eine Population um 99 Prozent zusammenbricht. Bisher ist er in der Schweiz nicht aufgetaucht. Ist dieser Pilz einmal da, kann man praktisch nichts mehr dagegen machen.

Was wird dafür getan, damit die einzelnen Populationen nicht isoliert werden, sondern vernetzt bleiben?

Ideal sind mindestens fünf Weiher pro Quadratkilometer. So wäre der genetische Austausch ideal. Es gibt allerdings zwei Komponente, die essenziell sind. Es braucht erstens ein Netzwerk von Gewässern. Zweitens braucht es in den Gewässern produktive Populationen, denn wenn sie viel Nachwuchs haben, gibt es zahlreiche Migranten, die in andere Populationen abwandern.

Was kann ein Haus- und Gartenbesitzer tun, um Amphibien zu schützen?

Ein Gartenweiher ist eine gute Sache. Er dient insbesondere häufigen Arten als Laichgewässer, wie Grasfröschen, Erdkröten und Bergmolchen.

Und wenn man keinen Garten hat, was kann man für Amphibien tun?

Lokale Naturschutzvereine betreiben viele Schutzprojekte. Man sollte dort anfragen und kann bei der Pflege von Weihern oder beim Sammeln von Fröschen an Strassen mithelfen. Auch die Regionalvertreterinnen und -vertreter von info fauna karch geben Auskunft, wo Hilfe benötigt wird.

Welche natürlichen Feinde haben Amphibien?

Fische, Libellenlarven, Igel, Dachs, Fuchs, Graureiher, Storch und Ringelnattern ernähren sich von Amphibien. Fressfeinde werden erst dann zum Problem, wenn Tiere ausgesetzt werden, die nicht in ein heimisches Biotop gehören, wie etwa Goldfische.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 06/2022 vom 24. März 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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