«Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?» Ein Kind nimmt die Position des Jägers ein und ruft die Frage laut heraus. Die Antwort der Mitspieler folgt sogleich: «Niemand!» Sie rennen davon, der Wolf hinterher. Das eigentlich harmlose Kinderspiel trägt doch eine klare Botschaft: Vor dem Wolf muss man sich in Acht nehmen.

Der schlechte Ruf des Raubtiers kommt bereits in der Bibel vor, wo Jesus vor falschen Propheten warnt, die «in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reissende Wölfe». Auch den Erzählungen der Gebrüder Grimm wird eine Rolle zugesprochen, wenn es um den Verruf des Wolfes geht. Sowohl das Rotkäppchen als auch die sieben Geisslein sollen sich vor dem Ungeheuer in Acht nehmen.

Aber es gibt auch etliche Geschichten, in denen der Wolf positiv dargestellt wird: Im «Dschungelbuch» von Rudyard Kipling etwa wird das Findelkind Mowgli von Wölfen aufgenommen und in deren Familienbund integriert.

Dieser kurze Blick in die Literatur zeigt, wie ambivalent unser Verhältnis zum Wolf ist – auch heute noch. Einige Menschen sehen in ihm die Verkörperung der unberührten Natur und verknüpfen damit eine fast schon romantische Vorstellung vom Leben abseits der Zivilisation.

Für andere stellt seine Rückkehr in die Schweiz schlichtweg ein Problem dar. Wer beispielsweise den SMS-Infodienst des Bündner Amts für Jagd und Fischerei nutzt, erhält im Sommer fast täglich eine neue Meldung über einen Nutztierriss, eine Wolfssichtung oder einen sonstigen Beweis seiner Präsenz.

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Zuerst vertrieben, dann geschützt

Der Wolf gilt als eines der intelligentesten Säugetiere. «Er ist sehr lernfähig, sehr anpassungsfähig und kommt gut in der vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft zurecht», führt Manuela von Arx aus. Die ausgebildete Zoologin arbeitet seit 20 Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung KORA, der nationalen Fachstelle für Raubtierökologie und Wildtiermanagement. Besonders beeindruckend fände sie das Comeback, welches die Tiere in den letzten Jahren auf natürliche Weise hingelegt haben.

In der Schweiz und in weiten Teilen Europas galt der Wolf Ende des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. «Weil zu Beginn des19. Jahrhunderts die Jagd für die ganze Bevölkerung freigegeben wurde und mehr und bessere Schusswaffen verfügbar waren, ging der Bestand an Huftieren dramatisch zurück», erklärt von Arx. Rothirsch, Reh, Steinbock und Wildschwein verschwanden in der Schweiz fast komplett von der Bildfläche. Nur Gämsen überlebten in einzelnen kleinen Kolonien.

Den Wölfen fehlte es also plötzlich an Nahrungsquellen, sodass auch ihre Zahl immer weiter schwand. Die Übriggebliebenen wichen vermehrt auf Nutztiere aus, was den Konflikt mit den Menschen verschärfte. Sie wurden systematisch erschossen, gefangen oder vergiftet. Zusammen mit anderen Faktoren, wie etwa der Rodung der Wälder und dem damit verbundenen Verlust ihres Lebensraums, kam es zur Ausrottung der Grossraubtiere in der Schweiz.

1971 wurde der Wolf in Italien unter Schutz gestellt. Damals lebten dort nur noch etwa hundert Tiere. Nach und nach wurde der Schutzstatus ausgebaut. Als beispielsweise 1979 die Berner Konvention verabschiedet wurde, ein völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz von wild lebenden Tieren und Pflanzen, wurde der Wolf direkt als streng geschützte Art eingestuft. Das gilt auch für die Schweiz, wo die Hundeartigen gemäss dem Jagdgesetz geschützt sind.

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Ein Zuwachs von 30 Prozent

Dieser strenge Schutz ebnete dem Wolf den Weg zurück zu uns. 1995 wanderten die ersten Wölfe aus Italien ein. Anfänglich handelte es sich dabei nur um Einzeltiere, bis sich ein Rudel bildete dauerte es 17 Jahre. «Heute rechnen wir mit rund 200 Tieren und 23 Rudeln», sagt Manuela von Arx und fügt hinzu, wie schwer es sei, die Wölfe zu zählen. KORA verfügt zwar über eine umfassende Datenbank, die immer wieder mit Genproben gefüttert wird. «Gerade bei Einzelwölfen, die umherziehen, können wir aber nicht davon ausgehen, dass von jedem auch Proben gefunden werden.»

Die Kantone sind verantwortlich für das Wolfsmonitoring auf ihrem Gebiet. Die Stiftung KORA wiederum sammelt die Daten auf nationaler Ebene. Wird irgendwo ein wildes Huftier oder ein Nutztier gerissen oder finden sich sonstige Spuren der Wölfe, etwa Urin oder Kot, werden von den zuständigen Wildhütern DNA-Proben genommen und an KORA geschickt. Sie wiederum lassen die Proben im Laboratoire de Biologie de la Conservation der Universität Lausanne analysieren. Dieses kann in einem ersten Schritt herausfinden, ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, und in einem zweiten, um welches Tier genau.

Das klinge jedoch einfacher als es sei, so Manuela von Arx: «Proben können durch andere Tiere oder durch den Menschen kontaminiert werden.» Ausserdem müsse genügend gutes DNA-Material vorhanden sein, damit es im Labor für beide Durchgänge reicht. Waren Riss oder Kot beim Fund bereits älter, ist das nicht immer gegeben.

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Nichtsdestotrotz sprechen die Daten eine deutliche Sprache. Seit 2019 verzeichnet die Schweiz eine starke Zunahme des Wolfbestands. Innert vier Jahren stieg die Zahl der ansässigen Rudel von 4 (2018) auf 23 (2022). Auch unsere Nachbarländer melden ähnliche Zahlen. In Deutschland etwa betrug der jährliche Zuwachs zwischen 2000 und 2015 über 30 Prozent.

«Die Bildung der ersten Rudel wirkt natürlich wie ein Booster für die Population», erklärt die Biologin. Die Leitwölfin bekommt einmal pro Jahr, im Frühling, drei bis acht Welpen. Diese bleiben eine ganze Weile bei ihren Eltern und Geschwistern, bevor sie im Alter von ein bis drei Jahren abwandern.

Wann ein Wolf oder eine Wölfin entscheidet, dass es Zeit ist, zu gehen, ist zwar nicht bekannt. Dafür weiss man ziemlich genau, was passiert, sobald sie ihre Familienverbände verlassen. Die Einzelwölfe ziehen umher auf der Suche nach einem neuen Territorium.

Der Weg dorthin kann kurz sein, er kann sich unter Umständen aber auch über Hunderte von Kilometern erstrecken. Die längste nachgewiesene Route legte ein mit einem Peilsender ausgestatteter Rüde zurück, erzählt von Arx: «Er startete in Deutschland und wanderte dann über 1500 Kilometer weit, bis sich seine Spur in Weissrussland verlor.»

Das Revier wird verteidigt

Auch wenn ein Wolf kein neues Rudel gründet, sucht er sich doch irgendwann ein eigenes Territorium. Es kommt durchaus vor, dass Einzeltiere eine Gegend jahrelang allein bewohnen, ohne dass sie je einen Partner oder eine Partnerin finden. Ob sich ein Wolf wohl fühlt, hängt nicht von der Vegetation oder dem Klima ab – die Tiere sind sehr anpassungsfähig und ihre zahlreichen Unterarten leben sowohl in der Tundra, dem Gebirgswald als auch in der Wüste.

«Das Grossraubtier braucht lediglich zwei Dinge», so Manuela von Arx, «genug zu essen und einen sicheren Rückzugsort zur Geburt und Aufzucht der Jungtiere.» Der Wurfplatz kann ein Bau oder ein tiefes Erdloch sein, meist wird aber eine Höhle gewählt. Dort hält sich das Rudel in den ersten Wochen nach der Geburt der Jungen tagsüber auf, bevor es nachts auf die Jagd gehen.

Wölfe sind sehr territorial. Haben sie sich einmal niedergelassen, verteidigen sie ihr Revier bis aufs Blut. Manchmal kommt es gar zum Kampf zweier Rudel. Vor wenigen Jahren ereignete sich ein solcher Fall im Kanton Graubünden, wo aktuell die meisten Wolfsrudel leben. «Die Leitwölfin des Ringelspitz-Rudels wurde 2021 mit mehreren Bissverletzungen tot aufgefunden», erinnert sich von Arx.

Das Rudel habe sich daraufhin aufgelöst; die Jungtiere kamen grösstenteils im Verkehr um, den adulten Rüden fand man im Mai desselben Jahres ausserhalb des Rudelgebiets. Er wies massive Verletzungen auf und musste durch die Wildhut erlegt werden. Doch das Revier blieb nicht lange unbesetzt: «Heute lebt dort bereits ein neues Rudel.»

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Dieses konsequente Territorialverhalten verleitet einige Wolfsbefürworter dazu, zu behaupten, ein Eingreifen des Menschen sei nicht nötig, die Wölfe würden sich selbst regulieren. Dem mag vielleicht so sein, es trifft jedoch nur auf jene Gebiete zu, die vom Wolf bereits komplett besetzt sind. In der Schweiz gibt es aber immer noch viele Regionen, wo die Tiere noch nicht vorkommen. Es gibt also noch viel potenziellen Lebensraum für den Wolf.

Man unterscheidet zwischen der ökologischen und der sozialen Kapazität: Die ökologische Tragfähigkeit bezieht sich auf die Natur und gibt an, wie viel Fläche, Futter und Rückzugsorte verfügbar wären. «Betrachtet man alleine diesen Wert, hätten wir in der Schweiz Platz für fünfzig bis zu hundert Rudel», so von Arx. Entscheidend sei aber wohl eher die soziale Tragfähigkeit. Sie gibt an, mit wie vielen Rudeln wir uns als Gesellschaft arrangieren können. Diese Grenze sei wahrscheinlich einiges tiefer, dürfe jedoch die minimale Populationsgrösse, die es für das Überleben des Wolfs in der Schweiz benötigt, trotzdem nicht unterschreiten.

Eurasischer Wolf (Canis lupus lupus)Grösse: Schulterhöhe 65 bis 80 Zentimeter, Kopf-Rumpf-Länge 130 bis 150 Zentimeter
Gewicht: zirka 30 Kilogramm, je nach Unterart bis zu 80 Kilogramm
Alter: in freier Wildbahn bis zu 12 Jahre
Lebensraum: von Wäldern bis zur Graslandschaft, von der subpolaren Klimazone bis zu den Subtropen
Revier: zwischen 200 und 450 Quadratkilometer in Graubünden, bis zu 2500 Quadratkilometer in höheren Breiten Europas
Fortpflanzung: Geschlechtsreife mit zirka zwei Jahren, Paarungszeit vom Spätwinter bis in den März, Tragezeit von zirka neun Wochen, ein Wurf beinhaltet drei bis acht Welpen
Ernährung: hauptsächlich Huftiere (Rothirsche, Rehe, Wildschweine und Gämsen) und kleinere Beutetiere (Raubtiere und Kleinsäuger), meistens junge, ältere und kranke Tiere, bei Nahrungsknappheit auch Aas

Doppelt so viele Nutztierrisse

Wie sehr die Tiere polarisieren, zeigt sich auf politischer Ebene. Erst kürzlich, in der Herbstsession 2022, wurde der Wolf wieder Thema im Nationalrat. Es ging um die Frage, ob man die Population der Tiere präventiv regulieren dürfe, also ob Wölfe erlegt werden dürfen, unabhängig davon, ob sie Schaden angerichtet haben oder nicht.

Mit 106 zu 74 Stimmen und 12 Enthaltungen wurde der Antrag angenommen. Die neue Gesetzesvorlage erlaubt den Abschuss aber lediglich vom 1. September bis zum 31. Januar, zudem ist weiterhin die Zustimmung des Bundes notwendig.

Früher musste ein Tier verschiedene Kriterien erfüllen, bevor es zum Abschuss freigegeben wurde. Konkret musste es eine gewisse Anzahl an Nutztieren gerissen oder sonst problematisches Verhalten aufgezeigt haben, etwa dem Menschen zu nahe kommen oder die Scheu vor ihm verlieren.

Definitiv ist aber noch nichts: Verschiedene Schutzorganisationen – darunter CHWolf, Wildtierschutz Schweiz, der Verein Wolf Facts sowie die neu gegründete Gruppe Wolfs-Hirten – wollen das Referendum gegen das revidierte Jagdgesetz ergreifen. Die Unterschriftensammlung dauert noch bis am 8. April.

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Weshalb eine einfachere Regelung für den Abschuss des Wolfes gefordert wurde, zeigt der Blick ins Bündnerland. Hier gibt es Rudel, die gezielt Jagd auf Nutztiere machen. «Schaut man auf den ganzen Kanton, vergeht im Sommer praktisch kein Tag ohne Wolfsriss», sagt Arno Puorger.

Er ist beim kantonalen Amt für Jagd und Fischerei zuständig für das Thema Grossraubtiere und kümmert sich fast ausschliesslich um den Wolf. «Alleine, dass vor anderthalb Jahren meine Stelle geschaffen wurde, zeigt, wie sehr uns das Thema beschäftigt.» Im Sommer 2022 kam es in Graubünden zu rund 150 Nutztierrissen, 100 davon während der Sömmerungsperiode. Im vorderen Jahr waren es nur etwa halb so viele.

Kommt es zum Wolfsriss, informiert der Landwirt oder der Schafshirte in einem ersten Schritt die kantonale Wildhut und schildert dieser die Situation. «Der Wildhüter stellt zuerst eine Menge Fragen», so Puorger. Wie viele Tiere sind betroffen, gibt es noch verletzte, wurde die Herde zum ersten Mal angegriffen und wo genau fand der Riss statt?

Auf Basis dieser Informationen wird allenfalls noch der Tierarzt oder der Herdenschutz mit ins Boot geholt. Und dann macht sich der Wildhüter auf den Weg. Ziel sei es, frühzeitig vor Ort zu sein. Denn, so Puorger: «Je schneller wir den Riss beurteilen, desto besser gelingt dies.»

Im Blutrausch

Vor Ort sei das Wichtigste, nicht mehr behandelbare, noch lebende Tiere zu erlösen. Anschliessend wird jedes tote Schaf eingehend dokumentiert. Die Wildhüter nehmen Proben, machen Fotos und beurteilen die Bissverletzung. «Wölfe greifen typischerweise am Hals an, bei Lämmern können aber auch der Kopf oder Rücken betroffen sein», schildert Arno Puorger. Was bei ihm nüchtern klingt, kann sehr emotional sein. Meistens ist nicht nur ein Tier betroffen, teilweise sind bis zu einem Dutzend Schafe verletzt oder getötet. Ein Wolfsriss gleicht mitunter einem Massacker.

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Diese Brutalität erklärt sich durch das Jagdverhalten der Wölfe. Als sogenannte Hetzjäger setzen sie ihrer Beute so lange nach, bis sie diese erlegt haben – oder, bis sie keinen Sinn mehr in deren Verfolgung sehen. Dabei konzentriert sich der kluge Wolf vor allem auf junge, kranke oder ältere Tiere. Also auf all jene, die nicht in rasanter Geschwindigkeit die Flucht ergreifen.

Im Gegensatz zum Rothirsch oder dem Reh sind Schafe aber keine Fluchttiere. Droht Gefahr, rotten sie sich zusammen und starren ihren Angreifer mitunter sogar an. Ist da ein Zaun, könnten sie ohnehin nicht weglaufen. «Der Wolf kann deshalb mehrere Schafe reissen, weil sich der Tötungsreflex immer wieder neu auslöst, solange die Tiere erreichbar sind», erklärt Fachfrau Manuela von Arx.

Die positiven Seiten

Angesichts dieser Brutalität vergisst man gerne, dass der Wolf auch seine Berechtigung hat. Als Jäger und Fleischfresser nimmt er eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem ein: Seine Beutetiere sind in den allermeisten Fällen junge, alte oder kranke, aber auch unachtsame erwachsene Tiere. Damit greift der Wolf selektiv in die Schalenwildbestände ein und trägt zur Fitness der Bestände von Hirsch, Reh, Gämse und Wildschwein bei. Mit den Überresten seiner Risse liefert er auch Nahrung für viele Aasfresser.

Als Paradebeispiel für den Stellenwert des Wolfes wird gerne das Beispiel des Yellowstone-Nationalparks in Wyoming USA genannt. Als dieser 1872 gegründet wurde, stand die Landschaft mit den vielen heissen Quellen im Fokus, nicht die Wildtiere. Der Wolf passte nicht in das Konzept eines Freizeitparks und wurde deshalb ausgerottet. 1995 wurde dieser Fehler korrigiert und das Raubtier wieder angesiedelt.

Seine Rückkehr wirkte sich auf den gesamten Park aus: Er machte Jagd auf die Elche im Gebiet, wodurch sich diese nicht mehr ungehindert ausbreiten und an der Vegetation bedienen konnten. Die Wälder verjüngten sich, brachten wieder mehr Sprossen und Früchte hervor. Das wiederum stärkte die Population anderer Tiere, wie etwa die des Grizzlybären. Und selbst die Rothirsche profitierten vom Wolf: Da er vor allem Jagd auf alte und schwache Tiere macht, wurden die Herden gesünder und widerstandsfähiger.

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Auch für den Schweizer Wald stellt der Hirsch und seine wachsende Population ein Problem dar. Deshalb werden die Wildtiere bei uns aktiv bejagt. «Im Kanton Graubünden gehen rund 6000 Jäger auf die Pirsch nach dem Hirsch», führt Arno Puorger aus.

Laut der kantonalen Jagdstatistik aus dem Jahr 2021 wurden damals insgesamt 5440 Hirsche geschossen. Doch, da gehe es den Paarhufern ähnlich wie dem Wolf: «Sie sind enorm lernfähig. Hirsche wissen genau, dass sie sich nur im Herbst verstecken müssen und dass ihnen kaum etwas passiert, wenn sie im Februar ins Dorf kommen.»

Theoretisch wären die Wölfe also ein natürliches Mittel zur Regulation der Rothirsche. Ob sich ein ähnlicher Effekt wie im Yellowstone-Park irgendwann auch in der Schweiz zeigt, ist aber noch unklar. In Europa habe es bisher nur wenige Studien zum Thema gegeben, sagt die Biologin Manuela von Arx.

«Die Untersuchungen aus Schweden und Polen haben gezeigt, dass der Einfluss des Menschen auf das System schlicht zu gross ist, um eindeutige Effekte des Wolfs nachweisen zu können.» Im Gegensatz zum Yellowstone-Nationalpark, wo der Mensch komplett ausgegliedert wird, machen wir uns in der Schweiz überall breit. Daher ist es schwer zu sagen, welche Wirkung auf uns zurückzuführen ist und welche auf den Wolf.

Wissen als Problemlöser

Der Wolf und der Mensch: zwei Spezies mit unterschiedlichen Anforderungen und Vorstellungen, die sich doch einen Lebensraum teilen. Egal, wo ein Wolf in der Schweiz lebt oder wie klein sein Territorium ist; dass Letzteres keine Siedlung miteinbezieht, ist beinahe unmöglich. Und genau diese Nähe zum Menschen führt zu Problemen. In Graubünden kam es beispielsweise schon zu Vorfällen, wo der Wolf am helllichten Tag in einem Dorf auf einem Spielplatz stand. Verständlich, wer sich ob dieses Anblicks erschreckt.

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Um die Konflikte zu beseitigen, setzt das Bündner Amt für Jagd und Fischerei nicht auf das Gewehr, sondern primär auf die Information. Das Sensibilisieren und Kommunizieren mit der Bevölkerung sei ein grosser und wichtiger Teil ihrer Arbeit, erzählt Arno Puorger. Merken sie beispielsweise, dass ein Wolf in ein neues Gebiet vordringt und einem Dorf immer näher kommt, informieren sie die dortige Bevölkerung. Und auch mit den Landwirten und Schafhaltern seien sie konstant im Gespräch.

«Wir haben Verständnis für die verschiedenen Positionen zum Umgang mit dem Wolf», sagt Arno Puorger abschliessend. Und doch wünschte er sich für die Zukunft eine sachlichere Umgangsweise mit dem Thema. Natürlich gehöre der Wolf zur heimischen Natur, «aber man muss auch anerkennen, dass er zu erheblichen Konflikten führt». Und mit diesen müssten wir uns zurechtfinden.

Was tun, wenn Sie einem Wolf begegnen?Normalerweise sollte sich der Wolf zurückziehen, wenn er einem Menschen begegnet. Gerade jüngere Tiere können aber auch mal weniger vorsichtig sein. Dann gilt es wie folgt zu reagieren:

- Sich bemerkbar machen, also laut reden, rufen oder in die Hände klatschen.
- Langsam rückwärts gehen. Nicht rennen!
- Falls Sie einen Hund dabeihaben: Rufen Sie diesen sofort zu sich und leinen Sie ihn an. Sprechen Sie den Wolf laut an, damit er vom Hund abgelenkt wird.
- Falls der Wolf Ihnen folgt: stehen bleiben und das Wildtier anschreien, sich gross machen, vielleicht etwas nach dem Wolf werfen oder mit wild fuchtelnden Armen auf ihn zugehen. Alles, um ihn einzuschüchtern.
- Niemals füttern! Das Tier könnte ein aufdringliches und dreistes Verhalten entwickeln.
- Melden Sie Ihre Beobachtungen umgehend der lokalen Wildhut.