Ein unscheinbar bräunlich gelber Vogel flattert in einen Busch. Wind weht vom Pico de Teide her über das karge Vulkangestein. Plötzlich ein wunderbares Trällern. Ein kleines Kanarengirlitz-Männchen singt auf Teneriffa am Fuss des Vulkans. So ähnlich muss es auch zu Beginn des 15. Jahrhunderts gewesen sein, als spanische Eroberer die kanarischen Inseln einnahmen – und vom Gesang der kleinen Vögel begeistert waren.

Dies so sehr, dass sie sie fingen und auf das Festland brachten. Der Siegeszug dieser berühmten Sänger der Kanaren, Azoren und Madeiras durch die Welt begann. Bis heute sind Kanarienvögel beliebte Heimtiere. Vor allem wegen ihrem munteren Wesen, der Bereitwilligkeit zu brüten, und der Gesangsfreudigkeit der Männchen.

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Wippende Äste und Laub

Die Geschlechter von Kanarienvögeln können in erster Linie aufgrund des Gesangs unterschieden werden. Zwei Männchen können zusammen gehalten werden, doch nur das dominantere wird singen. Ideal ist die paarweise Haltung. In einer grossen Voliere können Kanarien verschiedenen Geschlechts leben, in einer kleineren Zimmervoliere wird besser nur ein Paar gepflegt.

Züchter halten ab dem Herbst die Männchen und Weibchen in Schwärmen getrennt, um sie im Frühling paarweise zur Zucht in Boxen einzusetzen. Auch in der Natur besetzt das Männchen im Frühling ein Revier, singt und lockt ein Weibchen an. Kanarien verpaaren sich immer wieder neu und bleiben nur für eine Saison, manchmal auch lediglich für eine Brut, zusammen.

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Richtig Freude macht es, die Vögel zu beobachten, wenn sie fliegen und auf verschiedenen natürlichen Ästen ausruhen können. Darum ist eine Zimmervoliere von 1,50 x 0,80 x 1 Meter (Länge x Breite x Höhe) für zwei Kanarienvögel ideal. Obwohl gesetzlich für die Haltung eines Paars nur ein kleiner Käfig von 60 x 40 x 50 Zentimeter vorgeschrieben ist, gilt die Maxime: je grösser, desto besser. Wenn gleich von Anfang an eine Zimmervoliere von zwei Quadratmetern Grundfläche angeschafft wird, hat ein Paar genug Platz, um zu brüten und Junge aufzuziehen. Ideal ist auch eine kombinierte Innen- und Aussenvoliere.

Die Zimmervoliere für Kanarien sollte mit vielen natürlichen Ästen eingerichtet werden. Sie sind unterschiedlich dick, was wichtig für die Fussgymnastik ist. Wenn die Vögel umfangreiche Äste anfliegen und sie umgreifen, wetzen sich die Krallen ab, fliegen sie auf dünne Ästchen, wippen sie ob dem Gewicht des Vogels, der balancieren muss. Ein natürlicher Vorgang, der auch für Vögel unter Menschenobhut wichtig ist.Kanarienvögel mögen frisch belaubte Äste aus der Natur.

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Sie zupfen Knospen ab und beschäftigen sich mit den Blättern. Zudem bringt das Laub Struktur in die Voliere. Damit es weniger schnell welkt, können die Äste in ein mit Draht verschlossenes Wasserglas gestellt werden. Der Draht schützt die Vögel vor dem Hineinfallen. Der Volierenboden kann mit Sand und trockenem Laub gestaltet werden. Oder er wird mit Zeitungen ausgelegt und Sand und Laub werden in Schalen angeboten. Das trockene Laub bietet den Kanarien Beschäftigungsmöglichkeiten, im Sand picken sie Steinchen auf.

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Kanarienvögel baden gerne täglich in einer Schale mit flachem Wasserstand. Sie benützen auch gerne Badehäuschen, die von aussen an die Zimmervoliere gehängt werden.

Weichfutter zur Aufzucht

Kanarien sind Finkenvögel, das heisst, sie ernähren sich zu einem grossen Teil von Samen. Der Zoohandel führt ein spezielles Kanarienfutter, das meist aus Kanariensamen, Süssrübsen, Haferkernen, Hanf- und Leinsamen, Blaumohn und Ramtillsamen besteht. Weiter mögen sie als Leckerbissen Kolbenhirse. Um die gelben oder roten Farben zu unterstützen, ist der Farbstoff Lutein wichtig, der beispielsweise in Tagetessamen enthalten ist.

Ein Kalziumprodukt sollte zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Kanarien benötigen den Kalzium zum Skelettaufbau und Weibchen ganz besonders für die Eierproduktion. Kanarien mögen gerne Kräuter aus der Natur wie Löwenzahn, Vogelmiere und Wildgräser. Auch Salat, Apfel und feingeraffelte Rüebli nehmen sie begeistert auf. Zur Zuchtzeit im Frühling ist die Zugabe eines Aufzuchtfutters, bestehend aus Eigelb und Backprodukten, empfehlenswert. Manche Züchter füttern auch Quinoa oder vermengen das Aufzuchtfutter mit geraffelten Rüebli.

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Damit sie ein Nest bauen können, benötigen Kanarien ein Nistkörbchen, Kokosfasern und Scharpie oder Baumwollfasern. Wärmere und länger werdende Tage stimulieren Kanarienvögel zur Brut. Das Männchen singt und regt das Weibchen zum Nestbau an. Die vier bis sechs Eier werden während 13 bis 14 Tagen vom ersten Legetag an bebrütet.

Nach zwei Wochen ist es soweit. Die Jungem verlassen erstmals das Nest, doch sie sind erst mit etwa fünf Wochen selbstständig. Das Männchen beteiligt sich beim Füttern der Jungen.Gerade wenn Junge aufgezogen werden, ist es wichtig, ein Weich- oder Aufzuchtfutter zu reichen.

Siegeszug durch die Welt

Spezialisten züchten Kanarien entweder nach Positur, also nach dem äusseren Erscheinungsbild, nach der Gefiederfarbe oder nach dem Gesang. An Ausstellungen werden die Nachzuchten von speziell ausgebildeten Zuchtrichtern nach einem internationalen Standard bewertet.

Unter den etwa 32 Formen- oder Positurkanarien gibt es nebst klingenden Namen wie dem Arlequin Portugues, dem Fife Fancy oder Lancashire zwei Schweizer Rassen: den Frisé Suisse und den Berner. Ihre Entstehung reicht in den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Die gegen 400 Varianten der Farbkanarien bilden eine Disziplin für sich. Dass es auch rote und rosa Kanarien gibt, weist auf den Kapuzenzeisig aus Venezuela hin, den Züchter einst mit den Kanarienvögeln einkreuzten. Die roten Federn dieser Art wurden so auf die Kanarien übertragen.

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Mosaikkanarien sind die einzigen, die einen äusseren Geschlechtsunterschied aufweisen. Es gibt sie zum Beispiel in Rot oder in Gelb. Auch dieser sogenannte Mosaikfaktor ist ein Erbe der Einkreuzung mit dem Kapuzenzeisig. Männchen dieser Farbvariante haben eine farbige Gesichtsmaske, beim Weibchen ist der Kopf fahl. Kanarien wurden einst auch von Bergarbeitern in Gruben mitgenommen.

Die Vögel reagierten als Erste, wenn der Sauerstoff knapp wurde. Kein Wunder also, dass sich Bergleute mit der Zucht von besonderen Gesangskanarienvögeln beschäftigten. Sie wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Abertausenden von Hamburg nach Russland, besonders nach St. Petersburg und auch in die USA verschifft. Und so eroberten sich die bunten Kanarienvögel Stück für Stück die Welt.