Der süddeutsche Ort Oberstdorf ist vor allem Wintersportfreunden ein Begriff. Schliesslich findet dort jedes Jahr das Auftaktskispringen der Vierschanzentournee statt. Was sich in dieser Region in der warmen Jahreszeit abspielt, ist dagegen hierzulande weniger bekannt. Licht ins Dunkel bringen die beiden Schweizer Regisseure Rahel von Gunten und Thomas Rickenmann (bekannt durch den Film «Alpzyt»). Sie zeigen in ihrer neuen Dokumentation «Im Berg dahuim», wie Hirten und Sennenfamilien den Sommer auf der Alp verbringen.

Damit der Zuschauer gleich in die richtige Stimmung kommt, ertönt bereits am Anfang Jodelmusik. Dazu ist die Bilderbuch-Berglandschaft des Allgäus zu sehen. Ebenso spektakulär ist die Atmosphäre bei nächtlichem Mondschein. Nach diesem gelungenen Vorspiel geht es zusammen mit Rinderherden und Älplern auf den Berg. Sie alle leben im Einklang mit der Natur. Zum Beispiel Christina und Max Boxler, die Einblicke in die
Käseproduktion geben. Sauberkeit und Hygiene sei für ihr Handwerk das Wichtigste. Spiele dann noch das Wetter mit, stimmt die Qualität ihrer Milchprodukte. Diese wurden bereits zweimal mit Gold prämiert.

Ein Murmeli als Haustier
Es folgt ein längerer Schnitt, ehe die Familie Finkel von ihrem Bergleben erzählt. Das Ehepaar sowie seine Kinder und Enkelkinder empfinden die harte Arbeit nicht als Belastung, sondern als Befreiung. «Wir haben alles, was wir brauchen», sagt Wolfgang Finkel. Luxus gehört nicht dazu. Dafür bliebe auch keine Zeit. Denn jede Minute drehe sich alles um das Vieh.

Zu den Tieren haben die Älpler eine besondere, innige Beziehung. So verwundert es nicht, dass selbst hartgesottene Naturburschen vor der Kamera gestehen, beim Gang zum Metzger bereits die ein oder andere Träne vergossen zu haben. Aber auch das gehöre für sie dazu.

Zeit, um Trübsal zu blasen, bleibt dem Zuschauer ohnehin nicht, da in der nächsten Szene ein unfassbar niedliches, zahmes Murmeltier ins Bild huscht. Sina Braxmair nimmt es auf den Arm und füttert den possierlichen Nager mit einem Müsliriegel. Sie hat das Murmeli grossgezogen. Seitdem ist es quasi ein Haustier und verbringt den Winterschlaf im Keller. «Wenn Gäste kommen, haut es sie aus den Socken», erzählt ihr Vater Martin und lacht herzhaft.

Lachende Gesichter beschert auch der Alp­abzug. In die Fröhlichkeit mischt sich jedoch eine grosse Portion Wehmut, da die Bergzeit nun für dieses Jahr vorbei ist. Erneut fehlt es nicht an der passenden musikalischen Untermalung. Die Wahl fällt dieses Mal auf «Alpzyt» vom Berner Mundartsänger Trauffer.

Vergleiche mit der Schweiz
Die Schweizer Produzenten von «Im Berg dahuim» blicken über den Tellerrand hinaus, indem sie nicht etwa – wie bereits in der Vergangenheit – einheimische Älplerinnen und Älpler porträtieren, sondern Gleichgesinnte im benachbarten Ausland in den Fokus stellen. Das ist mutig, aber auch überaus erfrischend, da der Betrachter dadurch die Möglichkeit zum Vergleichen hat und so sieht, welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten bestehen.

Der Film besticht neben den grossartigen Aufnahmen der Allgäuer Alpen durch seine Authentizität. Die Protagonisten zeichnen nicht nur ein Bild von harter, ehrlicher Arbeit. Sie transportieren Gefühle von Zusammenhalt, Geselligkeit, Naturverbundenheit und Harmonie. Dies überträgt sich auf den Zuschauer, der gut verstehen kann, wenn es am Ende heisst: «Wer im Herbst zurück im Tal ist und noch einmal auf den Berg blickt, der weiss, da ist man dahuim.»


«Im Berg dahuim», Dokumentation,
101 Minuten, Verleih: ExtraMileFilms,
ab sofort in ausgewählten Schweizer Kinos.