In 200 Jahren ist vermutlich so weit. Wissenschaftler haben berechnet, dass bis dahin der Pine-Island-Gletscher verschwunden sein könnte. Gleichzeitog haben sie einen Zwischenschritt berechnet: Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es womöglich bereits zwei Zentimeter sein, wie amerikanische Forschende im Fachjournal «Science Advances» berichten.

Der markante Einfluss auf die Höhe des Meeresspiegels ist kein Zufall: Immerhin macht das Abschmelzen des Gletschers derzeit etwa 40 Prozent des Eisverlustes in der Westantarktis aus. Sie ist besonders stark vom Abschmelzen des antarktischen Eises betroffen. Das erläutert das Team um Ian Joughin von der University of Washington in Seattle. Der Pine-Island-Gletscher schiebt Eis in die Amundsensee im Westen der Antarktis. Dort gibt es Windmuster, die sich im Laufe von Jahrzehnten ändern und die mal mehr, mal weniger warmes Tiefenwasser zu den Mündungsgebieten von Gletschern treiben. Daraus resultierten erhebliche Unsicherheiten in den Vorhersagen des Beitrags der Antarktis zur Meeresspiegelhöhe, erläutern die Wissenschaftler.

Anhand von Messdaten aus dem Jahr 2017 simulierten Joughin und Kollegen das Abschmelzen des Gletschers in einem Computermodell für die kommenden 200 Jahre. Für Abschmelzraten von 57, 75, 100 und 125 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr führten sie jeweils 30 Simulationen durch.

Schon vor vier Jahren schmolz das Eis des Pine-Island-Gletschers rasant

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Bahnbrechende Entdeckung zur Berechnung von Schmelzrate und Meeresspiegel

«Trotz der Komplexität des Modells sagt ein einziger Wert, der 200-Jahres-Durchschnitt der Schmelzrate, fast vollständig den Beitrag des Pine-Island-Gletschers zur Meeresspiegelhöhe in den kommenden 200 Jahren voraus», so die Forscher. Diese Entdeckung könnte die Berechnung von künftigen Eisverlusten ähnlicher Gletscher sehr vereinfachen.

Möglicherweise ist dieser Zusammenhang der speziellen Form des Pine-Island-Gletschers geschuldet: Er wird aus einem grossen Einzugsgebiet gespeist, ist aber wegen der Landschaftsform zum Meer hin relativ schmal. In der engen Stelle beschleunigt sich die Bewegung des Eises, so wie auch Wasser in engeren Passagen schneller fliesst.

Wo der Gletscher auf das Meer trifft, ist das auf dem Wasser aufliegende Schelfeis ebenfalls verhältnismässig schmal. «Während unsere Hypothese für einen Gletscher bestätigt wurde, gilt sie wahrscheinlich für andere Gletscher mit eng begrenzten Schelfen», schreiben die Studienautoren. Das sollen weitere Untersuchungen klären.

Über mehrere Jahrhunderte hinweg könnte der ständige Verlust von Eis zu einem vollständigen Zusammenbruch des westantarktischen Eisschildes führen.

Forscherteakm Ian Joughin von der University of Washington in Seattle

Gigantisacher Riss im Pine-Island-Gletscher

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Rasante Eisschmelze in Grönland

Joughin und Kollegen gehen davon aus, dass der Pine-Island-Gletscher und andere Gletscher in dieser Bucht der Amundsensee auch über 200 Jahre hinaus sehr viel Eis verlieren werden. Über mehrere Jahrhunderte hinweg könne dies zu einem vollständigen Zusammenbruch des westantarktischen Eisschildes führen.

Schon in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Abschmelzen der Gletscher in der Antarktis und auf Grönland beschleunigt, berichteten Wissenschaftler im April 2021 im Fachblatt "Nature". In den ersten fünf Jahren dieses Zeitraums seien es 227 Milliarden Tonnen Eis gewesen, in den letzten fünf Jahren 298 Milliarden Tonnen. Das weltweit schmelzende Gletschereis habe etwa 21 Prozent oder 0,74 Millimeter pro Jahr zum beobachteten Anstieg des globalen Meeresspiegels beigetragen.