Ende November 2017 beschloss die EU, die Zulassung von Glyphosat um fünf Jahre zu verlängern und setzte damit einem monatelangen Hin und Her ein Ende. Trotz dieses Entscheids gehen die öffentlichen Diskussionen rund um das weltweit am häufigsten verwendete Unkrautvertilgungsmittel weiter. Schon lange steht Glyphosat im Verdacht, die Natur und die menschliche Gesundheit zu gefährden. 

2015 goss die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) mit der Aussage, das Herbizid sei «wahrscheinlich krebserregend», zusätzlich Öl ins Feuer. Andere Behörden widersprachen dieser Aussage und gaben damit den Ausschlag, dass eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für eine weitere Zulassung stimmte. Einzelne Länder wie Frankreich, Italien und Österreich kündigten jedoch bereits einen vorzeitigen Glyphosat-Ausstieg an. In der Schweiz bleibt der Wirkstoff vorderhand zugelassen.

Glyphosat in Kürze
Glyphosat ist seit Jahren der meistverwendete Inhaltsstoff von Herbiziden. Der US-Agrarkonzern Monsanto brachte es in den 1970er-Jahren unter dem Markennamen «Roundup» auf den Markt. Glyphosat ist ein Totalherbizid, das alle behandelten Pflanzen zerstört. Ausnahmen sind Nutzpflanzen, die gentechnisch verändert worden sind, damit sie glyphosatresistent sind. In der Schweiz gibt es keine Freisetzungen von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen. Auch die direkte Behandlung der Kultur und die Anwendung von Glyphosat kurz vor der Ernte zur Reife-beschleunigung sind hierzulande verboten.

Bei Landwirten ist das Mittel beliebt, weil es günstig, hoch wirksam und nahezu überall einsetzbar ist. Zudem erleichtert es die Bodenbearbeitung, was die Lebensmittelproduktion billiger macht. Dank dieser Vorteile stieg der Absatz von Glyphosat vor allem in den vergangenen zehn Jahren rasant an. Heute ist Glyphosat auch in der Schweiz das am häufigsten eingesetzte Mittel gegen unerwünschte Unkräuter. Schätzungsweise 300 Tonnen davon werden hierzulande jährlich versprüht, vor allem in der konventionellen Landwirtschaft, aber auch auf Gleisanlagen und in Privatgärten.

Gefahr für Bodenfruchtbarkeit
Dieser Erfolg scheint dem Stoff allmählich zum Verhängnis zu werden. Eigentlich gilt Glyphosat im Vergleich zu anderen synthetischen Pestiziden als eher wenig giftig. Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft ist Glyphosat bei sachgemässer Anwendung weder für Vögel und Säugetiere noch für Insekten schädlich. Auch Andreas Bosshard, Geschäftsführer der Agrar-Denkwerkstatt «Vision Landwirtschaft», stellt fest: «Glyphosat hat im Vergleich mit anderen Herbiziden eine relativ kurze Halbwertszeit: Es zerfällt innert weniger Wochen in verschiedene Abbauprodukte. Glyphosat ist zudem kaum toxisch für Gewässerorganismen und ist im Grundwasser bisher nicht nachgewiesen worden.» Allerdings habe der Stoff auch «gravierende Schattenseiten», insbesondere bei einem so verbreiteten und häufigen Einsatz, wie er heute in der Schweiz in vielen Kulturen Standard sei. 

Wo Glyphosat hinkommt, wächst buchstäblich kein Gras mehr. In einer ohnehin schon intensiven Landwirtschaft führt dies zu leer geräumten Landschaften, in denen Insekten und in der Folge Vögel und Säugetiere weniger Nahrung finden. Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass Glyphosat Amphibien und Regenwürmer direkt schädigt. Als besonders gravierend erachtet Bosshard aber die Wirkung auf die Bodenfruchtbarkeit. «Glyphosat wirkt als Antibiotikum und wurde von Monsanto auch als solches patentiert. Es zerstört die Bodenbakterien und Bodenpilze. Beide sind für die Bodenfruchtbarkeit absolut entscheidend.» 

Auch für Philippe Schenkel, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace Schweiz, ist klar, dass der massive Glyphosat-Einsatz dramatische Auswirkungen auf die Umwelt hat: «Glyphosat schädigt die Bodenfauna wie Mikroorganismen und Regenwürmer, wirkt negativ auf Gewässerorganismen und Amphibien und dezimiert Insekten, da sie weniger Nahrung finden.» Zudem sei Glyphosat nur eines von vielen Pestiziden, die in die Umwelt gelangen. Die Wirkung solcher «Pestizid-Cocktails» sei bisher aber kaum je untersucht worden. Kommt hinzu, dass glyphosathaltige Produkte wie «Roundup» toxischer wirken können als reines Glyphosat. 

Mechanische Methoden als Ausweg
Bei der Diskussion um ein mögliches Verbot stellt sich natürlich die Frage nach Alternativen. Für David Brugger, Leiter Pflanzenbau beim Schweizerischen Bauernverband, gibt es zurzeit keine: «Man kann auf andere Herbizide umsteigen, diese haben aber ein deutlich schlechteres Umweltprofil.» 

Der Verzicht auf Glyphosat könne ein Stück weit mit dem Verbot der Neonicotinoide als Saatbeize für Raps, Sonnenblumen oder Mais verglichen werden. Nach dem Verbot müssten die Bauern jetzt mehr Insektizide einsetzen, zum Beispiel gegen Erdflöhe oder Stängelrüssler. Und mechanische Unkrautbekämpfung wie Pflügen und Jäten bedeute zwangsläufig eine Intensivierung der Bodenbearbeitung. Das bekomme nicht jedem Boden gleich gut und führe zu mehr Arbeitsstunden und Traktorfahrten. Viele Experten in Bezug auf die Unkrautbekämpfung sehen die Zukunft in Agrarrobotern, die Unkräuter selektiv bekämpfen; diese Technik steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Effizientere Landwirtschaft
Dass eine glyphosatfreie Landwirtschaft möglich ist, beweisen Biobetriebe weltweit, die seit jeher ohne synthetische Herbizide auskommen. Auch IP-Suisse verzichtet seit diesem Jahr auf Glyphosat im Weizenanbau. Allerdings sinkt der Ertrag bei einer pestizidfreien Produktion durchschnittlich um etwa ein Fünftel. Oft wird darauf verwiesen, dass die Schweiz dann mehr Nahrungsmittel importieren müsse. 

Dieses Argument hält Andreas Bosshard von «Vision Landwirtschaft» für scheinheilig: «Es blendet aus, dass durch einen sorgfältigeren Umgang mit den bei uns produzierten Nahrungsmitteln viel mehr eingespart werden könnte, als die Mindererträge durch eine pestizidfreie Produktion ausmachen.» Als Beispiele nennt er die Verschwendung von Nahrungsmitteln (Food Waste), eine ineffiziente Milchproduktion und den hohen Fleischkonsum. «Wir haben berechnet, dass sich die Schweiz bei einer effizienten, nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion und einem Fleischkonsum auf dem Niveau, wie ihn die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, kalorienmässig auch heute noch selber ernähren könnte. Und dies bei deutlich geringeren Umweltschäden, als sie durch die heutige Landwirtschaft verursacht werden.»