Gelb, orange, schwarz, weiss, gepunktet, uni oder mit Streifen – Seepferdchen (Hippocampus) sind wunderschön anzusehen. Stolz und doch schüchtern wirken sie, mit ihrer geraden Haltung und dem etwas vorgeneigten Kopf. Von winzig klein bis zu beachtlichen 35 Zentimetern variiert ihre Körpergrösse. In der griechischen Mythologie galt der Hippokampos, wörtlich übersetzt Pferde­raupe, als das Wesen, das den Streitwagen des Meeresgottes Poseidon gezogen hat.

Seepferdchen leben nur in strömungsarmen Gewässern, hauptsächlich in den Meeren um Südaustralien und Neuseeland. Aber auch im Mittelmeer, an der Atlantikküste, im Ärmelkanal und im Schwarzen Meer gibt es ein paar Seepferdchen-Arten. Insgesamt vermutet man bis zu 80 verschiedene Arten. In der freien Natur halten sie sich am liebsten in küstennahen Seegraswiesen auf, in seichten Wassergebieten von Mangrovenwäldern oder in Korallenriffen.

Die grazilen Tierchen sind bedroht
Weil Seepferdchen sich nur langsam fortbewegen, könnte man meinen, es seien die perfekten Tiere fürs Aquarium. Doch weit gefehlt: Seepferdchen gehören zu den empfindlicheren Fischen, die man sich ins Haus holen kann. Wenn jemand weiss, wie schwierig es ist, die Tiere artgerecht und überhaupt am Leben zu halten, dann der Ostschweizer Markus Bühler aus Rorschach SG. Er zählt zu den wenigen erfolgreichen privaten Seepferdchen-Züchtern der Schweiz.

Beginnt Markus Bühler von Seepferdchen zu erzählen, ist er kaum noch zu stoppen. Schon als kleiner Junge war er von der Aquaristik begeistert. Kein Wunder also, dass er Berufsfischer wurde. Immer mehr faszinierte ihn auch die Meerwasseraquaristik, wodurch er erstmals mit Seepferdchen in Kontakt kam. Beim Tauchen in Indonesien war es schliesslich ganz um ihn geschehen. «Die grazilen Tiere haben mich sofort gefesselt.»

Für Bühler war schnell klar, dass er nicht nur Seepferdchen halten, sondern etwas für sie tun wollte. Denn alle Arten dieser ganz besonderen Fische sind bedroht – hauptsächlich durch den Menschen. Ihre wichtigsten Lebensräume, die Seegraswälder, werden zerstört; sie landen in Fischernetzen und verenden. In China und Südostasien gelten sie getrocknet und zerstossen zudem als potenzsteigernde Mittel.

Doch auch der Handel mit lebenden Seepferdchen blüht. Die Versuchung, ein paar Tiere im Plastikbeutel als Souvenir mit nach Hause zu nehmen, ist für viele Touristen gross. Sie werden aus dem Meer gefischt, von dubiosen Händlern in Plastiktüten verpackt und verkauft oder per Post verschickt wie eine Ware. «Einfach grausam», sagt Bühler. Und streng verboten! Wer durch das Artenschutzabkommen «CITES» geschützte See­pferdchen ohne Einfuhrbewilligung über die Schweizer Grenze nimmt, bezahlt schnell eine horrende Busse.

Kommen sie dann – in der Regel in schlechtem Zustand, da ohne Quarantäne und Futtermittelumgewöhnung exportiert – zu Menschen, die von Seepferdchen-Haltung bis dato keine Ahnung hatten, sind sie so gut wie dem Tod geweiht. Denn Seepferdchen sind keine Anfängertiere. Laut Statistiken gelingt es nur einem von fünf neuen Seepferdchenhaltern, die Tiere länger als ein halbes Jahr zu halten.

Gerade wer Seepferdchen im Internet bestellt oder aus dem Urlaub mitbringt, muss froh sein, wenn die Tiere wenigstens einige Tage oder Wochen überleben. Die Tiere sind meist stark geschwächt und anfällig für Bakterien. «Kein Wunder», sagt Markus Bühler, «importierte Tiere haben einiges hinter sich. Fang, Weg zur Fangstation, Weg zum Grosshändler, dann zum Händler und schlussendlich zum Käufer nach Hause.»

Solche Odysseen möchte Bühler verhindern, indem er gemeinsam mit anderen seriösen Züchtern die Nachfrage durch erschwingliche, gesunde Nachzuchten aus der Schweiz abdeckt. Da er zudem weiss, wie wichtig es für Seepferdchen-Halter wäre, einen Spezialisten als Ansprechperson zu haben, ist der Rorschacher unter dem Namen «Fischerjoe» auch in Internetforen aktiv, um Ratschläge zu erteilen.

Seepferdchen mögen lebendes Futter
Selbst Mitarbeiter von Tierhandlungen verstünden oft zu wenig von Seepferdchen, sagt Bühler. Die Tiere bei einem erfahrenen privaten Züchter zu kaufen, sei daher meist die bessere Wahl. Bühler: «Aber nie ohne CITES-Papiere! Finger vom Kauf lassen, wenn ein Züchter die Papiere für später verspricht oder behauptet, es brauche in der Schweiz keine.»

Jungtiere in Aquarien nicht nur zu halten, sondern sogar zu züchten, ist höchst anspruchsvoll, der Pflegeaufwand enorm hoch. Mehrere Stunden pro Tag widmet sich Bühler seinen Seepferdchen und der Aufzucht der «Fohlen», wie die Jungtiere auch genannt werden. Der Aufwand und der damit verbundene hohe Preis ist einer der Gründe, warum billige Importtiere den Markt bestimmen und nicht die Nachzuchten.

Besonders das Futter ist ein schwieriges Kapitel in der Seepferdchenhaltung – nicht nur bei Wildfängen, die Lebendfutter gewohnt sind und sich höchst ungern auf Frostfutter umstellen lassen wollen. Bühler kultiviert Zooplankton für seine «Fohlen». Haben sie die kritischen ersten Wochen überstanden, sind Nachzuchttiere in der Regel aber stabiler und langlebiger als Wildfänge. Sie sind gesund und futterfest, zudem sind sie den Verhältnissen im Aquarium angepasst.

Der Traum vom Seepferdchenzoo
Die Hitze allerdings kann Tieren wie Züchtern schwer zu schaffen machen. «Schon bei einem Wassertemperaturunterschied von zwei Grad beginnen die Probleme», sagt Bühler. «Heizen sich die Räume auf, wird es schwierig, das Wasser konstant auf 25 Grad zu halten.» Immer wieder sterben deshalb Seepferdchen. Bei Temperaturen über 30 Grad können auch Ventilatoren nicht mehr viel ausrichten.

Markus Bühlers grosser Traum ist eine internationale Station, ein Seepferdchenzoo. Zwar ist dieses Vorhaben noch in weiter Ferne, aber er gibt nicht auf. «Momentan versuche ich durch Tipps im Internet und durch persönliche Unterstützung von Haltern etwas für die Tiere zu tun. Denn meine jahrelange Erfahrung ist meist mehr wert als Theorie aus Büchern.» Doch eines Tages, so hofft er, wird er Schulklassen, Vereine und weitere Interessierte durch den Seepferdchenzoo führen und ihnen vermitteln, wie schützenswert die fabelhaften Wesen sind.

www.seepferdchenzucht.info

Mama ist männlich
Bei Seepferdchen wird nicht das Weibchen, sondern das Männchen trächtig. Das Weibchen produziert Eier und spritzt sie beim Geschlechtsakt dem Männchen in die Bauchtasche. Dort werden sie vom Sperma befruchtet. Nach zehn bis zwölf Tagen zieht sich das Männchen ins Seegras zurück und bringt die Jungen zur Welt. Es ist ein unglaubliches Naturschauspiel, wenn die winzig kleinen Seepferdchen aus der Bauchtasche schlüpfen und sogleich davonschwimmen, als wäre das alles ganz selbstverständlich.