Ranken, klettern, haften
Kletterpflanzen: Pflegeleichte Lebensräume
Am Balkongeländer können Pflanzenkistchen mit Haken befestigt werden. Doch was machen mit den öden Mauern? Kletterpflanzen schaffen Abhilfe. Sie verwandeln den Balkon in einen Dschungel und bilden Sichtschutz.
Kletterpflanzen sind in der Lage, Flächen zu erobern, die sonst ungenutzt bleiben. So zum Beispiel Mauern auf Balkonen oder graue Hausfassaden. Sie erschliessen sich mit ihren Ranken neue Räume und wachsen vom Schatten in die Sonne. In der Natur überwuchern sie Büsche, klimmen an Baumstämmen empor oder wuchern über Felsen. Warum also sie nicht gezielt auf dem Balkon oder im Garten einsetzen? Sie verwandeln Balkone in romantische Bereiche und charakterlose Häuser in Märchengebäude. Blattgrün sorgt für Harmonie, Beton deprimiert.
[IMG 2]
Kletterpflanzen punkten allerdings nicht nur ästhetisch. Sie schaffen Lebensräume für Insekten und Vögel, bieten ihnen Nahrung, isolieren das Gebäude, absorbieren Feinstaub, sorgen für mehr Sauerstoff und sie schlucken Lärm. Kletterpflanzen sind pflegeleicht. Sie gedeihen ohne Technik und Energiekosten, ganz im Gegensatz zu vertikalen Gärten. Hier wurzelt das Grün in auf Platten an Fassaden montierten Pflanztaschen oder -lamellen, die mit einem Pumpsystem bewässert werden müssen. Eine Kletterpflanze aber erschliesst sich selbstständig mit ihren Ranken vom Gartenboden oder Topf aus die Gebäudemauer.
[IMG 8]
Der österreichische Gärtner und Pflanzenpädagoge Norbert Griebl ist überzeugt von Kletterpflanzen als Wandbegrünung. Er sagt: «Die bodengebundene Begrünung ist die ideale Form der Gebäudebegrünung und funktioniert ganz von allein.» Er streicht in seinem neuen, im Berner Haupt-Verlag erschienenen Buch «Kletterpflanzen und Bodendecker» viele positive Aspekte von Kletterpflanzen heraus. Sie würden die Fassade vor der Witterung schützen und das Fundament vor zu viel Feuchtigkeit bewahren. «Seit Jahrhunderten existieren Fassadenbegrünungen an Bauernhöfen, Burgen, Weingütern oder Stadtvillen», betont der Pflanzenfreund Griebl.
Aus Tot wird LebenIst ein Baum im Garten abgestorben? Weder muss der Stamm gefällt, noch der Wurzelstock ausgegraben werden. Eine Kletterrose verwandelt den kahlen, zurückgeschnittenen Stamm in ein märchenhaftes Blütenmeer. Auch eine Klematisart klettert darüber, sodass ein attraktiver Gestaltungspunkt entsteht.
Auch Othmar Ziswiler, Gärtner und gärtnerischer Leiter von Jardin Suisse, dem Unternehmerverband Gärtner Schweiz, schwärmt von Kletterpflanzen und betont: «Pflanzen, die sich schlingend, rankend oder mithilfe von Haftwurzeln akrobatisch in die Höhe schrauben, werden als Fassadengrün und Sichtschutz immer wichtiger.» Sie brächten energetische Vorteile, denn begrünte Fassaden wirkten isolierend. Das mindere Kühlkosten und Wartungsarbeiten an der Aussenhülle des Hauses.
[IMG 4]
Kletterpflanzen haben unterschiedliche Strategien. Es gibt Selbstklimmer, wie der bekannte Efeu, und Nichtselbstklimmer. Letztere werden in Spreizklimmer, in Schlinger und Ranker unterteilt. Der Efeu, die Dreispitzige Jungfernrebe und die Selbstkletternde Jungfernrebe gehören zu den Selbstklimmern. Sie suchen sich ihren Weg und haften sich mit speziellen Haftscheiben oder -wurzeln am Untergrund fest, mit Vorzug an dunklen, rauen Mauern. Wenn solche Kletterpflanzen entfernt werden, bleiben Spuren auf der Mauer zurück.
[IMG 5]
Woran hochklettern?
Alle übrigen Kletterpflanzen schlingen und brauchen Kletterhilfen. Zum Beispiel Bambus- oder Weidenstecken, die in Balkontöpfe und Kübel gesteckt werden. Um einen Sichtschutz zu schaffen, können Gerüste aus Holz oder Drahtgeflecht gespannt werden. Für Arten, die ein beträchtliches Volumen erreichen, wie etwa die Glyzinie und Kiwis, die im Garten ausgepflanzt werden, empfiehlt Othmar Zyswiler: «Stark wachsende Schlinger legen einiges an Zugkraft an den Tag.» Eine Kletterhilfe für diese Arten solle am besten vom Experten geplant werden. Das könne mit höheren Kosten verbunden sein.
[IMG 9]
Bei Kletterpflanzen mit Kletterhilfe lässt sich steuern, wo sie klettern sollen. Sie zu beobachten ist faszinierend. Ihre schnell wachsenden Triebspitzen kreisen im Leeren, bis sie Kontakt zu einem Untergrund gefunden haben. Dann schlingen sie sich darum herum und wachsen weiter. Doch die Pflanzen haben einen Willen, den sie durchsetzen möchten. Haben die Ranken mal einen Weg eingeschlagen, lassen sie sich schwer in einen anderen Bereich ziehen. Sie tendieren dazu, wieder in die alte Richtung zu wachsen.
Kletterpflanzen entwickeln sich am besten frei ausgepflanzt. Doch auch auf dem Balkon lassen sie sich problemlos in grossen Töpfen oder Kästen pflegen. Mehrjährige Kletterpflanzen benötigen in der Wachstumszeit viel Wasser und ab und zu Dünger. Auch im Winter sollte der Wurzelballen nicht austrocknen.
[IMG 7]
Eine Kletterpflanze wächst auf dem Balkon vom Topf am Boden in dunklerem Bereich zum Licht hin. Mit ihren Blättern verdeckt sie schliesslich die von der Sonne beschienene Mauer – und verzaubert den Platz in eine lauschige Ecke.
Einige Kletterpflanzen
Pfeifenwinde (Aristolochia macrophylla)
Das Osterluzeigewächs stammt aus den USA und verleiht einer Mauer durch die grossen, hellgrünen Rundblätter etwas Tropisches. Die Pfeifenwinde braucht eine Kletterhilfe, windet sich aber auch entlang von waagrecht gespannten Drähten auf dem Balkon.
Wein- oder Rebengewächse (Parthenocissus)
Diese anspruchslosen Kletterpflanzenarten halten sich mit Haftwurzeln an Mauern fest. Ihre Blätter verfärben sich im Herbst leuchtend rot. Parthenocissus-Arten (im Bild oben die Art quinquefolia) bilden Blüten und Beeren aus, was bei Insekten und Vögeln beliebt ist. Die Nordamerikaner werden als Neophyten geführt.
Waldreben-Arten (Clematis)
Die Klematis wird als die Königin der Kletterpflanzen bezeichnet, besonders wegen der zauberhaften Blüten, die, je nach Art, im Frühling, Sommer oder Herbst die ganze Pflanze überziehen. Die aus Eurasien und den USA stammende Klematis wächst gut in Töpfen, braucht eine Kletterhilfe und verträgt Rückschnitt.
Glyzinie (Wisteria sinensis)
Die chinesische Pflanzenart eignet sich zum Auspflanzen an einer Hausmauer oder zur Begrünung einer Pergola oder eines Torbogens. Im Kübel kümmert der Tiefwurzler. Alte Pflanzen sind voller duftender Blüten und ziehen durch ihren Nektar Insekten an.
Kletterbohnen
Kletterbohnen wachsen sehr schnell und bilden darum einen preiswerten Sichtschutz. Die Bohnen können im Handel erworben und im Frühling nach den letzten Frosttagen angekeimt und gesetzt werden. Sie ranken entlang von Bambusstecken und werden im Herbst abgeräumt.
Efeu (Hedera helix)
Das einheimische, ganzjährig grüne Araliengewächs haftet sich mit Würzelchen an der Mauer fest. Junge Pflanzen können während eines kalten Winters Schaden nehmen. Efeu kann durch ins Wasser gestellte Triebe vermehrt werden und wächst gut in Töpfen.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren