Ein weither leuchtender Blickfang sind sie, die mächtigen cremefarbenen Franzosen. Heute gehören die Charolais neben Angus, Limousin und Simmental zu den weltweit beliebtesten Fleischrassen. Entwickelt haben sie sich aus einem Zweig der Jura-Rinder-Rassen, deren Spuren in zahlreichen prähistorischen Fundstätten zu finden sind, vor allem auch in der Schweiz.

Ursprünglich wurden Charolais-Rinder als Arbeitstiere gezüchtet, welche auch gemolken wurden. Die Gründung des ersten Herdebuches fällt auf das Jahr 1864. Seit dem 20. Jahrhundert sind die Charolais eine reine Fleischrasse und werden oft zur Kreuzung mit anderen Rassen eingesetzt.

Ihren wohlklingenden Namen verdanken sie dem Herkunftsort Charolle, einem Dorf mit heute knapp 3000 Einwohnern im Departement Saône-et-Loire in der Region Bourgogne-Franche-Comté. Dort sind die hellen Rinder zu einem wichtigen und angesehenen Kulturgut geworden, dem sogar ein Museum, das «Maison Charolais», gewidmet ist.

Sanfte Muskelprotze

Hell ist bei den Charolais nicht nur das einfarbig pigmentlose Fell, sondern auch das Flotzmaul, das Horn und die Klauen. Es werden auch genetisch hornlose Tiere gezüchtet. Typisch sind ein breites Maul und ein verhältnismässig kurzer Hals. Kühe bringen bei einer Widerristhöhe von rund 140 Zentimetern bis zu 900 Kilogramm auf die Waage, Bullen sind durchschnittlich zehn Zentimeter höher und wiegen nochmals bis zu 400 Kilogramm mehr. Wir haben also ein grossrahmiges und gut bemuskeltes Rind vor uns, das durch seine schönen Proportionen und die spezielle Färbung dennoch edel wirkt. Dazu trägt sicher auch das ruhige und ausgeglichene Wesen bei. Denn die Charolais-Rinder zeichnen sich durch einen sanften Charakter aus. Anpassungsfähigkeit, Robustheit und eine hohe Resistenz gegen Krankheitserreger sind weitere Pluspunkte der Rasse.

Und in den vergangenen 20 Jahren wurden grosse züchterische Fortschritte erzielt, wie das Abkalbeverhalten deutlich verbessert, welches heute tatsächlich schon bei über 97 Prozent Leichtgeburten liegt, weiss Ruedi Schmied. Er hielt während knapp 30 Jahren eine Charolais-Mutterkuhherde im bernischen Kirchlindach und ist seit acht Jahren Präsident des Rasseklubs Charolais Schweiz. Vor Kurzem hat er den Betrieb dem Neffen übergeben und ist nun in Zollikofen an der Landwirtschaftlichen Schule Inforama als Dozent und Berater im Bereich Tierhaltung tätig. 1989 stellte Schmied auf Mutterkuhhaltung um und kreuzte dazu Charolais-Rinder ein. «Die Rasse passte von der vorhandenen Futtergrundlage optimal auf unseren Betrieb und war gut geeignet für die Direktvermarktung, sodass wir 1996 eine Herde aus Frankreich importierten.»

Ausgezeichnete Grundfutterverwerter

Wegen ihres Gewichts benötigen die hellen Rinder tragfähige Weiden oder aber sehr viel Fläche. Für eine extensive Haltung sind sie geradezu geschaffen, auch weil sie dank ihres grossen Pansenfassungsvermögens ausgezeichnete Grundfutterverwerter sind. In der Schweiz eignen sich die Regionen des Mittellandes und der Voralpen sowie der Jura und das Tessin gut für die Weidehaltung von Charolais. Für diese Rinder sind die Haltungsbedingungen in weiten Teilen unseres Landes wirklich optimal. Die Rasse eignet sich speziell gut für Betriebe, auf denen auch Futter- respektive Ackerbau betrieben wird, denn zur Ausmast ist zum Schluss hin die Zufütterung von Mais sinnvoll.

1985 wurden erstmals Kühe und Stiere vom Freiburger Viehzüchter Nicolas Dumas aus Frankreich in die Schweiz importiert. Die Fleischrasse war zwar vielen Konsumentinnen bereits vorher bekannt, von den Landwirten wurde sie jedoch noch kaum zur Kenntnis genommen. Dies wollte der mittlerweile verstorbene Dumas ändern. Er reiste regelmässig nach Frankreich, um dort Sperma von Charolais-Stieren zu erwerben, welches er in der Schweiz vertrieb. Der Züchter aus Chavannes-les-Forts FR wurde zum Botschafter der hellen Rinder. Für seine Verdienste um die Zucht der Charolais in der Schweiz erhielt er 1993 den agroPreis.

«In den letzten 20 Jahren wurden grosse Zuchtfortschritte erzielt.»

Der Herdebuchbericht der Fleischrinderrassen listet 2021 in der Schweiz 24 Charolais-Herden auf mit 643 Kühen und 98 Stieren. Im Vergleich zu den Angus, der momentan hierzulande am stärksten vertretenen Fleischrasse, eine überschaubare Population. Denn 2021 weideten 172 Angusherden mit über 4000 Kühen und rund 850 Stieren in der Schweiz. Dass die hübschen Charolais-Rinder nie aus ihrer Nische herausgekommen sind, liegt laut dem Rasseclubpräsidenten daran, dass sie im Vergleich zu den frühreifen Angus Mittel- bis Spätentwickler sind und der Markt für so schwere Tiere hierzulande kaum existent ist. Die kräftigen Weissen haben weltweit jedoch zahlreiche Anhänger, sie werden mittlerweile in über 70 Ländern gezüchtet.

Dies nicht ohne Grund. Die Rasse zeichnet sich nämlich durch eine sehr gute Mastleistung und einen hohen Fleischanteil am gesamten Tierkörper aus. Und die Qualität des Fleisches spricht für sich. Mager, zart und von einer rosa bis hellroten Färbung entspricht es genau den Vorlieben der heutigen Konsumentinnen. In der Gourmetküche findet Charolais-Fleisch deshalb sehr gerne Verwendung. Um eine gute Fleischqualität zu erhalten, empfehlen sich die französischen Rinder auch zur Kreuzung mit Milchrassen, wie im Rahmen einer Semesterarbeit an der HAFL (Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften) belegt werden konnte. Für Kreuzungen mit Braunvieh, Fleckvieh und Holstein Friesian zeigten sich die Charolais-Rinder als besonders gut geeignet, um hohe Schlachtgewichte, eine gute Fleischigkeit und Fettabdeckung zu erreichen.

Charollais-Schaf

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Es gibt nicht nur eine Rinderrase, die nach der Region im Südosten Frankreichs benannt ist, sondern auch eine Schafrasse. Es handelt sich um eine mittelgrosse, aber schwere Fleischrasse. Die Wolle der Charollais-Schafe ist weiss, der Kopf weist einen leicht braunen Farbton auf. Die Mutterschafe zeigen ein temperamentvolles Verhalten, wodurch sie nicht immer ganz einfach zu händeln sind. Hierzulande ist aus der Kreuzung von Muttertieren der Rasse Weisses Alpenschaf mit französischen Carollais-Widdern die Rasse Charollais Suisse entstanden, für die seit 1992 ein Herdebuch geführt wird.