Wer im Mittelalter spazieren ging, der hatte gute Chancen, im Wald auf Kühe, Ziegen, Schafe oder Schweine zu treffen. Denn wo Weiden knapp waren, wurde das Vieh auch gerne mal zum Fressen in den Wald getrieben. Hier fanden die Tiere nebst Kräutern, Gräsern und Laub auch Eicheln, Bucheckern und Rinde. Durch die intensive Nutzung zusammen mit dem Verwenden von Holz zum Bauen und Heizen waren die Wälder damals wesentlich lichter als heute.

Mit dem Forstpolizeigesetz von 1902 wurde das Weiden von Nutztieren im Wald als «nachteilige Nutzung» verboten. Das hatte einerseits zur Folge, dass die Wälder wieder vorratsreicher wurden, aber auch dichter und dunkler, sodass licht- und wärmebedürftige Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum verloren. In lichten Wäldern finden Waldeidechsen zwischen Totholz sowohl Sonnenplätze als auch Verstecke, der Baumpieper brütet und jagt auf den Weiden und nutzt die Bäume als Sitzwarte, und der Alpenbock entwickelt sich im absterbenden Holz alter Buchenbäume. Heute sind solche Wälder Mangelware und im Sinne des Naturschutzes wird mancherorts wieder auf Waldbeweidung zurückgegriffen.

Knabbern für die Biodiversität

Mittels Aufwertungsmassnahmen sollen wärme- und lichtbedürftige Arten wieder mehr Raum erhalten. Eine Aufwertung durch regelmässiges Schneiden und Roden ist aufwändig und kostenintensiv, sodass die Waldweide als Pflegemethode wieder modern wird. Wo der Wald von Nutztieren beweidet wird, muss nicht gemäht oder Schnittgut entsorgt werden. Entsprechend wird in vielen Kantonen die Beweidung von Wäldern an geeigneten Standorten bewilligt.

In den Weideprojekten kommen verschiedene Tierarten und -rassen zum Einsatz. Neben Ziegen und Rindern sind dies auch Wollschweine, Skudde-Schafe und Wasserbüffel. Jede Tierart hat dabei ihre Besonderheit. Rinder eignen sich vor allem für das Abweiden von grasigem Bewuchs, ohne das Gehölz zu verbeissen. Letzteres machen Ziegen mit Vorliebe, was einer Verbuschung der offenen Flächen entgegenwirkt. Wasserbüffel bewähren sich in Feuchtgebieten mit Schilf- und Seggenbeständen. Die Auswirkung von Waldweiden auf den Naturschutz können zwar erst nach Jahren beobachtet werden, doch erste Erfolge zeigen sich zum Beispiel in den Föhrenweidewälder im Neckertal (SG) und dem Naturpark Pfyn-Finges (VS). Auch die traditionellen Weidewälder der Jurahöhen gehören zu den Refugien vieler sonnenliebenden Arten.

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