Wolf und Krähe gelten als besonders schlau. Aber was versteht man eigentlich unter Intelligenz bei Tieren, Frau Sommer-Trembo?

Intelligenz kann man kaum übergreifend definieren. Schon bei uns Menschen tun wir uns damit schwer. Intelligenz ist nicht gleich Intelligenz, es gibt schlicht zu viele Arten: mathematische, logische, soziale,musikalische, koordinative, emotionale … Sie können sich also vorstellen, dass eine generelle Definition für alle anderen Tierarten mindestens genauso heikel ist. Etwas, worin sich die meisten wissenschaftlichen Publikationen einig sind, ist, dass Intelligenz etwas mit der Fähigkeit zu tun hat, Probleme durch flexibles Handeln und Denken zu lösen – und zwar über Automatismen hinaus.

Wenn ich jeden Tag nach dem Aufstehen die Krähen füttere und sie dann irgendwann morgens bereits auf mich wartet – ist das Intelligenz?

Hier zeigen die Vögel eine gewisse Lernfähigkeit, was durchaus Teil von Intelligenz ist. Wenn hingegen ein Eichhörnchen mit gekonnter Bisstechnik eine harte Nuss öffnet, dann ist das ein reflexives Verhalten. Es ist gewissermassen angeboren und wird ihm deshalb nicht als besonders schlau angerechnet – dies, obschon Eichhörnchen durchaus schlau sind. Ein anderes wichtiges Merkmal von Intelligenz ist etwa, Zusammenhänge zu erkennen.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Da fällt mir mein letzter Urlaub in Italien ein. Ich spielte mit dem Hund meines Bekannten, der unglaublich gerne Dinge apportiert. Er brachte mir einen grossen Ball, doch ich stand auf der anderen Seite eines Gatters. Als der Hund sah, wie ich vergeblich versuchte, den Ball unter dem Gatter hindurchzuzwängen, brachte er mir plötzlich einen kleineren Stein – und legte ihn mitten in meine Hand, damit ich diesen werfen konnte. Er hat also das Problem erkannt, einen Zusammenhang hergestellt und dann von sich aus eine Lösung gesucht. Da dachte ich mir schon: «Wahnsinn, bist du ein kluger Hund!»

Zur PersonDr. Carolin Sommer-Trembo ist Evolutions- und Verhaltensbiologin an der Universität Basel. Die gebürtige Deutsche forscht aktuell an Buntbarschen aus dem Tanganjikasee in Sambia, um herauszufinden, wie neugierig die Fische sind und ob diese Eigenschaft in Zusammenhang mit ihrer Anpassungsfähigkeit steht. Studiert hat sie in Stuttgart, den Master machte sie in Tübingen und ihre Doktorarbeit in Frankfurt am Main. Seit fünf Jahren ist sie in der Schweiz tätig. Sie forschte nicht nur mit Fischen, sondern auch mit parasitären Wespen oder mit aquatischen Schnecken, immer auf der Suche nach spannenden Forschungsthemen und noch unbeantworteten Fragen.

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Wie sieht es mit artinternen Unterschieden aus: Kann meine eigene Katze klüger sein als diejenige meines Nachbarn?

Ich glaube durchaus, dass es Intelligenzunterschiede innerhalb einer Art gibt. Das sieht man wieder bereits an uns Menschen. Der Unterschied liegt wohl darin, dass der Dummheit bei anderen Tierarten durch die natürliche Selektion irgendwo eine Grenze gesetzt ist. Verhält sich ein Beutetier dumm, ist es schnell weg vom Fenster. Aber auch hier wäre ich wieder vorsichtig. Wie bereits mehrfach gesagt, gibt es verschiedene Arten von Intelligenz. Während Ihre Katze vielleicht besser im logischen Denken ist, glänzt die von Ihrem Nachbarn in puncto sozialer Intelligenz.

Damit kommen wir zum Thema Messbarkeit. Mir kommt spontan der bekannte Spiegeltest mit dem roten Punkt in den Sinn. Ist dieser noch zeitgemäss?

Dieser Test wurde in den 70er-Jahren für Primaten entwickelt. Damals dachte man noch, so etwas sie Selbstwahrnehmung – worum es beim Spiegeltest ja geht – oder Werkzeuggebrauch und Persönlichkeit seien ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Heute ist man deutlich weiter und weiss: Nur, weil ein Tier auf seine Reflektion im Spiegel nicht reagiert, bedeutet das nicht, dass es nicht zwischen sich und anderen Individuen unterscheiden kann. Katzen beispielsweise reagieren kaum auf Spiegel oder Fernseher, was daran liegt, dass sie mehr über den Geruch und das Gehör agieren. Trotzdem ist der Test immer noch sehr populär. Letztlich erst wurde er mit Putzerfischen durchgeführt und diese fingen tatsächlich an, sich die Markierung abzurubbeln.

Im Internet findet man die wildesten Sachen. Woran erkennt man einen passenden Intelligenztest für Hund und Katze?

Gerade im Internet, im Fernsehen und in etlichen populärwissenschaftlichen Büchern gibt es einen regelrechten Wildwuchs von Tests für zu Hause. Leider sind diese oft unseriös. Wenn etwa ein Papagei mit einem dreijährigen Kind verglichen wird und man dann daraus das Fazit zieht, dass der Vogel etwa gleich klug ist, dann kann ich mich schon sehr darüber aufregen. Dass der Papagei etwa für den Test erst die komplette menschliche Sprache lernen musste, wird ausser Acht gelassen. Zuverlässiger sind all jene Untersuchungen, die später auch in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht wurden. Hier kann man davon ausgehen, dass sie korrekt und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurden.

Wenn ich mich nun nicht durch etliche Publikationen wälzen möchte – können Sie mir einen Test für meine Katze empfehlen?

Das ist schwierig und kommt ganz darauf an, was Sie für eine Katze haben. Wollen Sie testen, wie gut sie Probleme lösen kann? Dann gibt es spezielle Futterboxen, wo die Katze erst an einer Schnur ziehen muss, bevor das Essen herausfällt. Oder wenn Sie ihre Aufmerksamkeit testen wollen, dann gibt es dieses Hütchenspiel, bei dem man ein Leckerli unter einem von drei Bechern versteckt und diese dann herumschiebt. Solche Spiele machen Spass und sind sicher eine gute Beschäftigung für die Katze – ob sie daraus tatsächlich schliessen können, ob Ihre Katze nun eher klug oder dumm ist, da bin ich mir jedoch nicht sicher.