Jagdfreier Kanton
50 Jahre Staatsjagd im Kanton Genf - wie geht es den Wildbeständen heute?
Das Jagdverbot im Kanton Genf feiert demnächst sein fünfzigjähriges Jubiläum. Studien zeigen, dass die Artenvielfalt seit 1974 steigt und sich die Tierbestände gut entwickeln. So gut, dass auch der kleine Kanton nicht ohne Jagd auskommt.
Am 19. Mai 1974 wurde durch eine Volksabstimmung die Milizjagd im Kanton Genf abgeschafft. Die Jägerschaft und ein Teil der ländlichen Bevölkerung war frustriert, die Genfer Stadtbevölkerung indes jubelte.
Seit dem Jagdverbot konnte in einer Langzeitstudie des Kantons eine starke Zunahme der Biodiversität festgestellt werden. Der Genfersee und die Rhone wurden zu Wasservogelreservaten von internationaler Bedeutung, Rehe, Hirsche und Wildschweine, die vor 1974 als beinahe verschwunden galten, haben sich wieder etabliert. Auch die Bestände von Mardern, Bibern, Greifvögeln und Wasservögeln haben sich erholt. Und der Feldhase, der in den meisten anderen Kantonen dem Verschwinden nahe ist, gedeiht prächtig. So prächtig, dass er signifikante landwirtschaftliche Schäden anrichtete und seine Population in Schach gehalten werden musste. 2007 wurden rund 60 Tiere eingefangen und ins Wallis und nach Frankreich umgesiedelt.
Ein nahezu konfliktfreies Zusammenleben zwischen Mensch und Tier scheint also auch im Kanton Genf nicht immer möglich. Schäden an Wald und Landwirtschaft wurden durch die angestiegenen Wildtierbestände, vor allem wegen der Wildschweine, zu einem Problem. Aus diesem Grund kommt der Kanton, der nicht auf die Unterstützung von Grossraubtieren zählen kann, nicht ganz ohne die Jagd aus. Allerdings sorgen seit der Abschaffung der Jagd nun nicht mehr Milizjäger für die Regulierung der Wildbestände, sondern kantonal angestellte Wildhüter. Ein Blick in die Jagdstatistik zeigt, dass im Jahr 2022 rund 306 Haustauben, 276 Rabenkrähen, 21 Rehe und ganze 207 Wildschweine im nur 280 Quadratkilometer grossen und stark urbanisierten Kanton Genf erlegt wurden.
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Auch wenn das Jagdverbot grundsätzlich einen positiven Einfluss auf die Biodiversität zu haben scheint, darf man nicht ausser Acht lassen, dass der Naturschutz Anfang der Siebzigerjahre in der Schweiz noch in den Kinderschuhen stand. Erst nach der Abschaffung der Milizjagd investierte der Kanton viele Ressourcen in Renaturierungsmassnahmen. So wurden unter anderem mehrere Hektaren grosse Feuchtgebiete geschaffen sowie Alt- und Totholz gefördert und wertvolle Bäume geschont. Solche wichtigen Massnahmen würden wohl auch in Kantonen, die die Jagd zulassen, die Artenvielfalt fördern. Ein Anstieg von Wildarten wie Wildschwein, Reh und Rothirsch ist zudem schweizweit bemerkbar, auch in Kantonen, in denen gejagt wird. Das Genfer Jagdexperiment sollte wohl weder glorifiziert noch schlechtgeredet, sondern differenziert und unter Einbezug aller Tatsachen betrachtet werden.
In anderen Kantonen fanden ähnliche Initiativen hingegen bisher keinen Anklang. 2013 lehnte der Grosse Rat in Basel-Stadt die Jagd nach dem Genfer Modell knapp ab. 2018 scheiterte auch die Zürcher Initiative «Wildhüter statt Jäger» mit einem Nein-Anteil von 84 Prozent.
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