Bis zu 38 Millionen Tonnen Meerestiere, so schreibt die Naturschutzorganisation WWF, gehen der Fischerei jedes Jahr als Beifang ins Netz. Das wären 40 Prozent des weltweiten Fischfangs. Greenpeace schreibt von 6,8 bis 27 Millionen Tonnen, was näher an der Realität sein dürfte. Wie auch immer die Zahl in Wirklichkeit aussieht: Sie ist schwindelerregend hoch und ein grosses Problem für die Ozeane und ihre Bewohner.

Erst allmählich entstehen Lösungen dafür. Sobeispielsweise in der Baja California, einer Halbinsel im Nordwesten Mexikos, die weit in den Pazifik ragt. Hier hat ein Forscherteam um Jesse F. Senko von der Arizona State University untersucht, ob Licht Fische retten kann. Dazu haben die Wissenschaftler die Netze einer mexikanischen Fischereiflotte mit grünen LED-Lämpchen versehen, und zwar eins alle zehn Meter. Diese Netze wurden dann im Küstengewässer versenkt und am Tag darauf wieder eingeholt. Idealerweise funktionieren sie so, dass die gewünschten Fischarten – in diesem Fall hauptsächlich Flundern und Zacken-barsche – mit dem Kopf durch die Maschen schwimmen, dann aber stecken bleiben und nicht mehr rückwärts rauskönnen, weil ihr Kiemendeckel wie ein Widerhaken wirkt.

95 Prozent weniger tote Haie

Das Problem bei dieser Fangmethode: Es verheddern sich regelmässig auch Fische im Netz, auf die es die Fischer gar nicht abgesehen haben. Kleine Haie etwa oder Tintenfische. Aber auch für Meeresschildkröten und gar für jagende Seevögel sind diese Stellnetze oft eine tödliche Falle.

Die grünen Lämpchen beseitigen diese Falle zwar nicht, aber sie entschärfen sie ein wenig. Im Vergleich mit unbeleuchteten Netzen, so stellten die Forschenden fest, sinkt der Beifang um 63 Prozent. Besonders gut hinderte das Grünlicht Haie und Tintenfische daran, in die Netze zu schwimmen. Bei ihnen gingen die Beifang-Zahlen um 95 respektive 80 Prozent zurück.

Das grüne Licht hilft nicht nur der Tierwelt, sondern auch den Fischern. Diejenigen Fischarten, die sie fangen wollen, lassen sich davon nicht abschrecken. Die Fangzahlen gingen nicht zurück; wieso, wissen die Forscher auch nicht genau. Bekannt ist aber, dass Haie und Tintenfische insgesamt über einen besseren Sehsinn verfügen als viele andere Fische.

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Durch den verringerten Beifang sind die Fischernetze zum Bergen deutlich leichter und, einmal aus dem Wasser gezogen, deutlich schneller von Fischen und Ungewolltem befreit, gereinigt und wieder einsatzbereit gemacht. Insgesamt, so die Studie, brauchen die Fischer nur noch halb so lange, bis sie das Netz wieder ins Wasser lassen können. Und Zeit ist schliesslich Geld.

Geld kosten allerdings auch die Lämpchen. Rund 140 Franken koste es, ein durchschnittliches Stellnetz mit LED-Lichtern auszurüsten. Diese Investition ist rasch wieder eingespielt und kein Problem für grosse Fischereibetriebe. Für die Mehrheit der Fischer weltweit, oft Menschen am Existenzminimum, ist das aber viel Geld. Hier drängen die Forschenden auf politische Lösungen, um diese Einstiegshürde für die Fischer zu verkleinern. Die Wissenschaftler selbst haben unterdessen eine solarbetriebene Lösung entwickelt.

Geräusche verjagen Schweinswale

Grüne Lichter sind nicht das einzige Mittel, um Beifang in den Weltmeeren zu verringern. Schon länger werden etwa in der Nordsee sogenannte Pinger eingesetzt, um Meeressäuger wie Schweinswale von Netzen fernzuhalten. Wale und Delfine orientieren sich unter Wasser mit einer Art Echolot. Ähnlich wie Fledermäuse geben sie hohe Klicklaute von sich, deren Tonwellen von Schiffen oder Felsen zurückgeworfen werden. Aber Netze reflektieren diese Klicks nicht, deshalb verheddern sich die Tiere schnell in den feinen Fäden.

Beifang in der Schweiz
Darf man dem Bundesamt für Umwelt Glauben schenken,ist Beifang in Schweizer Gewässern ein überschaubares Problem. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar, aber gemäss einem Expertenbericht sind etwa im Neuenburgersee im Jahr 2010 insgesamt rund 26 Tonnen Beifang bei rund 320 Tonnen gefangener Fische angefallen. Also etwas weniger als zehn Prozent. Ausserdem bemühen sich die Berufsfischer, auch Beifang zu verkaufen und zu vermarkten. Ungewollt gefangene Fische werden kaum wieder zurück ins Wasser geworfen, nicht zuletzt, weil dadurch fischfressende Vögel wie Kormorane angelockt würden – unerwünschte Konkurrenten für die Fischer.

Die Pinger schaffen da Abhilfe. Dabei handelt es sich um kleine Geräte, die an Netze montiert werden und Störgeräusche von sich geben, um die Meeressäuger zu verscheuchen. Das funktioniert, die Ping-Töne sind aber so nervig für die Tiere, dass sie das lärmige Gebiet gleich grossflächig meiden. Ausserdem tendieren die Schweinswale dazu, sich auf die Geräusche zu verlassen und ihre eigene Echoortung zu vernachlässigen.

Vor ein paar Jahren haben deutsche Forschende das System verbessert und «Porpoise Alert» («Schweinswal-Alarm», PAL) entwickelt. Statt einfach ein «Ping» von sich zu geben, imitiert PAL die Warnrufe der Schweinswale auf derselben Tonfrequenz. Das vertreibt die Tiere genug weit, dass sie nicht in die Netze schwimmen, scheucht sie aber nicht grossräumig fort. Erste Untersuchungen 2016 waren vielversprechend.

Runde Haken retten Schildkröten

Thunfische werden meist mit Langleinen gefangen, kilometerlange Kunststoffleinen, die nahe beim Meeresspiegel schwimmen und alle paar Meter mit einer Nebenleine und Haken bestückt sind. Auch in diesen Leinen verlieren viele Seevögel, Haie, Rochen und Meeresschildkröten ihr Leben.

Für Letztere hat sich aber eine ziemlich einfache Lösung als Retter in der Not herausgestellt. Sie heisst «Circle-Hook» und ist nichts anderes als ein Haken, der ein wenig runder ist als der üblicherweise verwendete, J-förmige Fischerhaken. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass mit den runden Haken bis zu 90 Prozent weniger Lederschildkröten und Unechte Karettschildkröten gefangen werden.

Diese Innovation scheint aber – wie passend – einen Haken zu haben. Während viele Schildkröten mit dem Rundhaken gerettet werden können, führt er zu mehr Hai-Beifang. Und so verwundert es nicht, dass die lauteste Forderung von Naturschutzorganisationen nach wie vor nicht die nach grünen Lämpchen, nach Ping-Tönen oder nach runden Haken ist, sondern diejenige nach einer stärker reglementierten Fischerei. Denn am effizientesten lässt sich Beifang zweifellos verringern, wenn insgesamt weniger gefischt wird.

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