Schonendes Mähen
Die Renaissance der Sense
Immer mehr Fachleute, aber auch Private bewirtschaften ihre Wiesen bewusst so, dass sich möglichst viele Krabbeltiere darin wohlfühlen. Dabei rückt auch die Bedeutung des schonenden Mähens in den Fokus.
Ein bärtiger Älpler, der seine steilen Wiesen in scheinbar meditativer Ruhe abmäht – dieses Bild entsteht in den meisten Köpfen, wenn es ums Mähen mit der Sense geht. Doch es sind längst nicht mehr nur die Nostalgiker, die beim Mähen ihrer Wiesen das traditionelle Werkzeug bevorzugen. Auch junge, naturverbundene Leute beginnen sich vermehrt für das alte Handwerk zu interessieren. Kurse, in denen man den Umgang mit der Sense wie auch das Dengeln und Wetzen derselben lernt, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Der leidenschaftliche Sensemäher und Kursleiter Remo Stauber ist davon überzeugt, dass man mit etwas Übung punkto Geschwindigkeit auch Motormähern in nichts nachsteht. «Entscheidend ist aber die Qualität der Sense», betont er. Der gelernte Schmid stellt selbst Dengelwerkzeug für das Schärfen der Sense her. «Das Mähen und Wetzen hat man in ein paar Tagen raus, meist ist eher das Dengeln der Knackpunkt», weiss Stauber. Leute, die das handwerkliche Arbeiten nicht gewohnt sind, hätten hier tendenziell mehr Mühe. Doch mit Zeit und Geduld könne das jeder und jede erlernen. «Wichtig ist, dass die Sense wirklich scharf und ideal auf die Körpergrösse abgestimmt ist», gibt Stauber zu bedenken. So sei das Mähen viel weniger anstrengend, als das gängige Klischee vermuten lässt. «Eine Sense ist leichter als ein Motormäher und ermöglicht ein viel ruhigeres und schöneres Arbeiten», schwärmt Stauber. «Die Leute sind oft überrascht, wie einfach es geht!»
Die Insekten freut es
Besonders schön an dieser traditionellen Art des Mähens: Es kommen kaum Tiere zu Schaden. Wegen der tiefen Schnitthöhe kann es zwar vorkommen, dass bodennahe Reptilien wie Blindschleichen verletzt werden, erklärt Hanna Schreiber von Pro Natura. Dies steht jedoch in keinem Verhältnis zu den meisten heute üblichenMähmethoden. «Mähgeräte mit Rotationswerk, die im Gegensatz zur Sense das Mahdgut nicht schneiden, sondern die Vegetation mit schnell rotierenden Messern abschlagen, bringen eine sehr hohe Verletzungsgefahr für Insekten und Kleintiere», so Hanna Schreiber. «Bei vielen Rotationsmähwerken wird das Schnittgut ausserdem zerstückelt, wodurch die Insekten kaum eine Überlebenschance haben.» Als schonendstes maschinelles Mähgerät hebt die Projektleiterin für Schutzgebiete und Biotopaufwertung den Balkenmäher hervor. «Damit ist man in der Regel recht langsam unterwegs und das Schnittgut wird nicht gehäckselt, sondern geschnitten», so Schreiber. Daher sei die Verletzungsgefahr weniger hoch als bei Mähgeräten nach Rotationsprinzip. «Trotzdem ist es aber eine Maschine, also Verluste gibt es in jedem Fall.»
Fluchtmöglichkeiten ebenso wichtig
Doch nicht nur die Mahdtechnik hat Einfluss auf die Insektenpopulation. «Auch die Nachbereitung des Schnittguts hat einen Einfluss darauf, wie viele Kleintiere und Insekten letztlich überleben», so Hanna Schreiber von Pro Natura. Damit diese nicht mitsamt dem Mähgut von der Fläche abtransportiert werden, sei es wichtig, den Tieren die Möglichkeit zur Flucht zu geben. Das Liegenlassen des Schnittguts hilft aber nur, wenn auch geeignete Rückzugsflächen zur Verfügung stehen.
«Der Mahdtermin, die Tageszeit sowie die Anzahl Schnitte pro Jahr haben ebenfalls einen grossen Einfluss auf das Vorkommen der Arten», ergänzt Schreiber. Auf kleinen oder unzugänglichen Flächen empfiehlt die Expertin für Biotopaufwertung die Sense aber sowohl für Privatpersonen als auch für Landwirte.
Auch Landwirte in Sensekursen
Wie viele landwirtschaftlich bewirtschaftete Wiesen heute noch mit der Sense abgemäht werden, ist schwierig zu sagen. Wie Handwerker Remo Stauber verrät, sei die Nachfrage nach Worben (Holzstengel der Sense, d. Red.) bei seinem Lieferanten in der letzten Zeit zurückgegangen. Doch der neue Sensetrend könnte hier eine Kehrtwende einläuten. «Wir haben generell schon eher städtische Leute mit grossem Umschwung in den Kursen», so Stauber. «Doch es kommen auch naturnahe Landschaftsgärtner, Vereine und manchmal auch Landwirte zu uns.»
Remo Stauber selbst fasziniert die Sense aus zweierlei Gründen: erstens der Nutzen für die Natur und zweitens die Erhaltung eines alten Handwerks. «Es wird sich zeigen, wie gross der Trend tatsächlich wird», sagt er. «Ich selbst habe bisher immer schöne Rückmeldungen erhalten und schon viele nachhaltig mit dem Virus infizieren können.»
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