Im Tal der Wiesenbrüter und Mäuseplatten
Attraktives Wanderland Goms
Ruhe, Natur und Idylle pur sind im Goms sicher. Wanderwege mit pittoresken Ausblicken in ursprüngliche Bergnatur locken in die Walliser Region. Auch selten gewordene Vogelarten haben dort ihr letztes Refugium gefunden.
Die rote Bahn schlängelt sich durchs Tal, ruckelt, sobald das Zahnrad greift und sie an Höhe gewinnt. Tief unten schäumt die junge, milchige Rhone. Bald danach säumen Dörfer mit von der Sonne schwarz gegerbten Holzhäusern das Bahntrassee im offenen Tal. Drückt ein Fahrgast den Knopf, hält der Zug an Stationen mit Namen wie Niederwald, Blitzingen, Biel oder Gluringen.
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Das Goms ist eine idyllische Welt, oft bloss von der langen Fahrt mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn nach Andermatt (UR) oder gar Chur im Graubünden bekannt. Es lohnt sich aber unbedingt, den Halteknopf zu drücken und die sympathische Bahn im Goms zu verlassen. Besonders für Naturfreunde, Wanderer und solche, die dem Rummel gerne ausweichen.
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Wobei: Am zweiten Samstag im Juli ist in Reckingen ganz schön was los. Dann findet der Gommermärit statt. Da treffen sich alle zu Ländlermusik und streifen den Ständen mit regionalen Spezialitäten entlang. Auch die historische Säge von 1786 ist in Betrieb. Dank Wasserkraft und Transmissionsräder raffelt sich im Gebäude ein Sägeblatt der Länge nach durch einen Apfelbaumstamm. Das Resultat nach etwa 45 Minuten: ein exakt gesägtes Brett.
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Im Goms wird seit jeher mit Holz gebaut. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Benno Mutter erklärt: «Wohnhaus und Stadel sind immer getrennt.» Der Stadel sei von der Erde abgehoben, damit die Luft zirkulieren könne. Ein typisches Merkmal der Walliser Stadel sind die Mäuseplatten. Dabei handelt es sich um Steinplatten zwischen den vier Sockeln und dem Stadel. Sie halten Mäuse davon ab, zu den Vorräten vorzudringen. Im Unterbau werden Kleintiere gehalten oder er dient als Werkstatt.
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Spuren menschlicher Zivilisation reichen im Goms weit zurück. Seit dem 7. bis 6. Jahrhundert vor Christus wird das Hochtal dauerhaft besiedelt. Benno Mutter sagt: «Die Menschen zogen vom gut besiedelten Goms ins Unterwallis.» Heute aber wachse im französischsprachigen Teil des Wallis die Einwohnerzahl, im Goms nehme sie ab. Gommer Dörfer sind geschichtsträchtig. Benno Mutter weist in Niederwald auf ein so genanntes Heidenhaus hin, das er am Baustil erkennt. «So werden diese Häuser genannt, weil davon ausgegangen wurde, dass sie aus vorchristlicher Zeit stammten, sie weisen keine Jahreszahlen auf», sagt der Kunsthistoriker, der im Goms aufwuchs und heute in Bern wohnt.
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Der Sonnseite entlang
Die alten Dörfer erscheinen vom Gommer Höhenweg aus wie Spielzeugsiedlungen. Der Wanderweg zieht sich durch die rechte Talseite von Oberwald über Münster bis nach Bellwald und erlaubt fantastische Ausblicke auf verschneite Bergwelt, in wilde Täler mit sprudelnden Bächen und hinunter ins Tal, wo sich die Bahn langsam emporschlängelt.
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Auf dem Weg der Bergflanke entlang trällert der Schwarzspecht in dunklen Tannenwäldern und Sommergoldhähnchen fiepen aus den Kronen. Der Blick vom Weg am Hang aus in die Kronen der unteren Bäume gelingt mühelos. So lassen sich die winzigen in den Zweigen herumflatternden Vögelchen gut beobachten.
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Der Schwarzspecht klettert derweil dem Stamm entlang. An sumpfigen Hängen gedeiht das Gefleckte Knabenkraut, der Türkenbund verleiht zusätzliche Exotik. Orchidee und Lilie in Gemeinschaft von Eisenkraut, Margeriten, Waldweidenröschen und Lupinen. Im Halbschatten der Böschung leuchten verlockend rote Walderdbeeren, bevor der Weg durch einen lichten Lärchenwald führt.
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Von Oberwald bis Münster und von Münster bis Bellwald beträgt die Wanderung je etwa viereinhalb Stunden. Vom 15. Juli bis 10. September bietet die Buvette Guferschmatte an den Wochenenden einfache Verpflegungsmöglichkeiten. In der Berghütte Walibach im Bieligertal wird sogar ein nahrhaftes Burezmorge aufgetischt. Wiesenkräuter und -blumen entfalten sich nicht nur auf den stotzigen Alpweiden, sondern besonders auch unten im Tal, dort, wo der Zug pfeift und die Rhone gluckst. Es ist eines der letzten Refugien seltener Vogelarten, beispielsweise des Braunkehlchens. Im Schweizer Mittelland ist diese Art in den letzten Jahrzehnten verschwunden, weil die Wiesen bis zu sechsmal jährlich gemäht werden und artenarm geworden sind.
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Deckung in der Blumenwiese
Das zierliche Braunkehlchen kehrt im April aus dem tropischen Afrika zurück und baut sein Nest am Boden mitten in den Blumenwiesen. Für Brut und Jungenaufzucht benötigt es um die sechs Wochen. Zu lang, denn intensiv genutzte Wiesen werden vorher gemäht, die Nester werden dabei zerstört. Auch im Goms wurde ihm das zum Verhängnis.
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2006 wurden 400 Brutpaare gezählt, 2020 waren es noch gut 200. Das Braunkehlchen gehört zu einer Prioritätsart der Vogelwarte Sempach und des Schweizer Vogelschutzes. In enger Zusammenarbeit mit den Gommer Bauern errichtete die Vogelwarte vier Fördergebiete für das Braunkehlchen. Für etwa 60 Prozent dieser Gebiete gelten Spätmahdverträge. So hat der Zugvogel mehr Zeit für seine Brut. Das lässt sich in Münster im Nepomuk-Stall nachlesen. Die Ausstellung zu den Wiesenbrütern lässt keine Frage offen. Sie ist noch bis am 10. März 2024 zu sehen (Öffnungszeiten: goms.ch).
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Das Männchen der Braunkehlchen sitzt mit Vorliebe auf Zaunpfählen in den Wiesen und singt, um sein Revier zu markieren. Während einer Wanderung oder einer Velotour durch das Hochtal im Mai und Juni können die Sänger beobachtet werden. Das Weibchen bebrütet im hohen Gras fünf bis sieben Eier oder es betreut schon die verstreut sitzenden Jungen. Sie verlassen nämlich schon nach zehn Tagen noch flugunfähig das Nest und verteilen sich zur Feindvermeidung in der Wiese. Auch andere Wiesenbrüter profitieren. Im Goms singen Feldlerchen, und Wachteln lassen sich mit Glück beobachten. Ganz selten schallt der laute, zweisilbige Ruf des Wachtelkönigs aus dem hohen Gras in die Nacht, einer in der Schweiz fast ausgestorbenen Vogelart. Ein verheissungsvolles Refugium, nicht nur für Naturfreundinnen und Ruhesuchende.
Dieser Artikel entstand mit Unterstützung von Goms Tourismus.
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Weiteres im Goms
Hotelier Ritz
Aus dem Dorf Niederwald stammte Cäsar Ritz, der europaweit die Ritz-Hotels gründete. Die schillernde Lebensgeschichte des Gommer Hoteliers wird im alten Bahnhof von Niederwald in einem kleinen Museum erzählt. Unter Fliegenfischern ist Sohn Charles Ritz ein Begriff. Er ist Autor des Buchs «Erlebtes Fliegenfischen». Noch bis im Dezember dauert eine Ausstellung über ihn in der «Stationritz» in Niederwald.
stationritz.ch
Hotel Croix d’Or & Poste, Münster
Ein historischer Treffpunkt und Übernachtungsort auf der Alpenroute seit 1620 ist das Hotel Croix d’Or & Poste, dessen Anfänge auf das 16. Jahrhundert zurückgehen. Bekannte Gäste der Vergangenheit: der Reformator Zwingli, der deutsche Dichter Goethe.
hotel-postmuenster.ch
Furka-Dampfbahn
Von Oberalp aus fährt die Furka-Dampfbahn die knapp 18 Kilometer lange Strecke bis nach Realp über den Furkapass. Die Bahnlinie führt durch eine unberührte Bergwelt auf über 2000 Metern über Meer.
dfb.ch
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