Ziervogellexikon
Blaubartamazone: Bewohner der amazonischen Überschwemmungswälder
Blaubartamazonen leben entlang von Flussläufen im Amazonasgebiet, besonders auch da, wo die Fluten des Riesenstroms regelmässig über die Ufer treten. Wenn diese Papageien fliegen, zeigen sich die scharlachroten Bürzel, eine Besonderheit! In der Vogelhaltung in Europa sind Blaubartamazonen bis heute eine Seltenheiten. In ihrem Verbreitungsgebiet aber werden sie von Einheimischen entlang der Flussläufe gerne gehalten.
Steckbrief
Wissenschaftliche Bezeichnung: Amazona festiva festiva
Unterarten: Bodinus-Amazone (Amazona festiva bodini)
Herkunft: Amazonasbassin mit Kolumbien, Ecuador, Peru und hauptsächlich Brasilien
Grösse: 34 cm
Wildfarbe: grün, scharlachroter Bürzel, blauer Bart, blauer Überaugenstreif
Mutationen: von 1954 ist eine gelbe Mutation bekannt, die bei C. Dutton in Bedford, Grossbritannien, lebte
Geschlechtsunterschiede: äusserlich keine
Ringgrösse: 11 mm
Lebenserwartung: ca. 40 Jahre
Platzansprüche: kombinierte Innen- und Aussenvoliere, aussen mindestens 2 Meter lang
Ausstattung: viele natürliche Äste aus dem Wald, Wurzelstock, morsches Holz
Stimme: lautes Schreien im Duett
Haltung: zu zweit, paarweise
Herkunft und Geschichte
Am Oberlauf des Amazonas, dort wo er noch Rio Solimões heisst, spielt sich das Leben während einigen Monaten des Jahres praktisch nur noch in den Baumkronen ab. So beispielsweise im Mamiraua-Schutzgebiet, das von der brasilianischen Stadt Tefé aus per Boot zu erreichen ist. Aufgrund des geringen Gefälles, der Regenzeit und des Schmelzwassers aus den Anden ereignen sich am Oberlauf des Amazonas regelmässig Überschwemmungen, so dass der Wasserspiegel um viele Meter ansteigt. In Brasilien ist dieser Auenwald als Várzea-Wald bekannt. Dies ist der Lebensraum der Blaubartamazone. Immer wieder tosen Regengüsse nieder, nur das Prasseln des lauwarmen Wassers ist zu hören, man sieht keine zwei Meter weit, weil der Regenvorhang alles verschliesst. Dann reissen die Wolken auf, heisse Sonnenstrahlen erreichen den träge mäandernden Wasserlauf mit bernsteinfarbenem Wasser, ein Konzert von Amazonenstimmen setzt ein. Blaubartamazonen sitzen auf den Spitzen von Cecropia-Bäumen, breiten ihre Flügel aus und lassen ihr Gefieder von den Sonnenstrahlen trocknen. Ihre gellenden Schreie tönen manchmal wie diejenigen von Kleinkindern. Als der kleine Schwarm abfliegt, blitzen die scharlachroten Bürzel auf. Die Blaubartamazone kommt insbesondere entlang von Wasserläufen im amazonischen Tieflandregenwald vor, oft auch dort, wo die Wälder überflutet werden. Die Art scheint in ihrem Verbreitungsgebiet recht häufig zu sein, ist in der Vogelhaltung aber seit jeher eine Rarität. 1865 wurde sie erstmalig im London Zoo gezeigt. 1980 gelang in Busch Gardens in Tampa, Florida, die Erstzucht. Die europäische Erstzucht glückte wenig später in der Schweiz.
Eignung als Heimtier
Blaubartamazonen sind grosse Persönlichkeiten. Einige, die einst in den 1980er Jahren importiert wurden, waren von Anfang an zutraulich. Die Kaboklos, so werden die Einwohner am Oberlauf des Amazonas genannt, halten seit jeher Blaubartamazonen als zahme Tiere rund ums Haus. Sie ziehen Jungvögel von Hand auf, die dann sehr zutraulich werden. Aufgrund der grossen Seltenheit sollten Blaubartamazonen zu Zuchtzwecken gehalten werden, also paarweise in Volierenanlagen.
Erwerb
Es stellt eine grosse Herausforderung dar, Züchter von Blaubartamazonen zu finden. Im europäischen Kontext gelingt das am ersten. Entsprechend lange ist das Prozedere. Es ist aber durchaus möglich, aus dem europäischen Ausland Nachzuchttiere zu importieren. Dafür sind eine Importbewilligung und Exportbewilligung erforderlich.
Ernährung und Pflege
Blaubartamazonen dürfen, wie alle Amazonen, nicht mit zu fettreicher Nahrung versorgt werden. Sie nehmen zwar sehr gerne Sonnenblumenkerne, doch sie sollten einen kleineren Teil der Nahrung ausmachen. Ölhaltige Saaten sind durchaus wichtig im Papageienfutter, denn sie enthalten nicht nur Energie, sondern versorgen die Vögel mit lebensnotwendigen Fettsäuren und Vitaminen. Es kommt aber auf die Menge an. Die Hälfte des Futters sollte aus Früchten und aus Gemüse bestehen. Die Körnermischung sollte auf Amazonen abgestimmt sein und kann aus Kanariensaat, Silberhirse, Weizen, Ramtillkrautsamen, Milo, Amaranth, Baumsaaten, Dari, Buchweizen, Paddy Reis, Rübsen, Mannahirse, Hanfsamen, geschälter Gerste, Nackthafer, Kardi, Perilla, Kürbiskernen, Leinsaat und Mariendistelsaat bestehen. Auch verschiedene Hirsesorten wie etwa Kolbenhirse in Rot und Weiss sind für Amazonen geeignet. Mineralsteine, Grit und Kalk müssen konstant zur Verfügung stehen. Blaubartamazonen baden sehr gerne, das heisst täglich. Sie lassen sich aber lieber beregnen. Darum ist eine Beregnungsanlage über ihrer Voliere ideal.
Zucht
Die Zucht der Blaubartamazone ist nur selten gelungen. Sie erfordert viel Geduld. Voraussetzung ist ein Paar, das harmoniert. Mittels Endoskopie oder DNA-Analyse können heute Vögel einfach zusammengestellt werden. Doch die Paarpartner müssen sich auch sympathisch sein, sonst klappt es nicht. Ein harmonierendes Paar kann jahrelang gehalten werden, ohne, dass es zur Zucht schreitet – bis es dann plötzlich funktioniert. Stimulierend wirkt sich morsches Holz aus, mit welchem der Nistkasteneingang verstopft wird. Zudem sollten im Innern auf die Buchenholzschnitzel morsche Holzstücke gelegt werden. Wenn beide Paarpartner die morschen Holzstücke benagen, bringt sie das idealerweise gemeinsam in Zuchtkondition. Auch in der Natur wird eine Baumhöhle zuerst benagt, bevor sie ganz in Besitz genommen wird. Punkto Nistkästen sind Blaubartamazonen nicht sehr wählerisch. Ein geräumiger Kasten mit den ungefähren Massen von 60 x 35 x 60 cm eignet sich aber durchaus. Meist werden zwei bis drei Eier gelegt, die während 28 Tagen bebrütet werden. Die Aufzuchtszeit der Jungen beträgt um die zehn bis zwölf Wochen. Nach dem Ausfliegen werden die Jungen noch einige Wochen von den Eltern gefüttert. Es ist wichtig, die Familie nach dem Ausfliegen gut zu beobachten. Es kann sein, dass das Männchen plötzlich aggressiv gegenüber den Jungen wird, so dass es zeitweise abgesondert werden muss. Kurz nach dem Schlupf sollte, nebst Keimfutter, auch Hüttenkäse gereicht werden. Er wird von den Altvögeln gierig aufgenommen und an die Jungen weitergegeben. Der Hüttenkäse ist reich an Kalzium. Dies verhindert, dass die Jungen rachitisch werden.
Lustig
Die Lautäusserungen von Blaubartamazonen sind sehr variantenreich. Sie plaudern, schreien und manchmal scheint es gar, dass sie lachen. Bei den Vögeln in den 1980er Jahren, die einst noch importiert wurden, waren immer auch Laute aus den Dörfern ihrer Ursprungsgebiete mit eingebunden. So waren Kinderschreie aus den Kehlen der Amazonen, Hundegebell oder Wortfetzen einer anderen Sprache keine Seltenheit.
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Namensgebung
Die Artbezeichnung festiva kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie festlich, prunkvoll, hübsch. Die Art wurde von Carl von Linné 1758 in die Wissenschaft eingeführt. Die Gattungsbezeichnung Amazona stammt von René Primevère Lesson, einem französischen Arzt und Naturforscher. Er begründete sie 1830.
Besonderheit
Viele Schwarmvögel aus Regenwaldgebieten haben Signalfarben, die aufblitzen, wenn sie fliegen. Praktisch alle Amazonen haben darum rote oder orange Schwingen, die nur zu sehen sind, wenn sie fliegen. Die Blaubartamazone und die Unterart, die Bodinusamazone, bilden da eine Ausnahme. Beide haben einen scharlachroten Rumpf. Er ist nur zu sehen, wenn die Vögel die Flügel heben oder wenn sie fliegen. Die leuchtende Farbe dient der Kontakthaltung der Vögel im Fluge. So verlieren sie sich nicht aus den Augen, wenn sie im Regenwald fliegen.
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