Flora und Fauna
Profiteure des Klimawandels
Die immer wärmeren Temperaturen bringen viele unserer heimischen Tierarten zunehmend ins Schwitzen. Doch was für die heutige Biodiversität eine Bedrohung darstellt, kann für einzelne Arten auch eine Chance sein.
Die Schweizer Baumgrenze wird sich bis Ende des Jahrhunderts um 500 bis 700 Meter nach oben verschieben. Dieses Szenario hat das Forschungsprogramm Wald und Klimawandel für den Fall errechnet, in dem es gelingt, die globale Temperaturerhöhung auf 2 Grad oder weniger zu begrenzen. Für die Schweiz würde das bereits eine durchschnittliche Erwärmung von 3 bis 4 Grad bedeuten. Dass eine solche Veränderung unsere Natur stark beeinflusst, liegt auf der Hand. Manche Baumarten wie Fichten und Buchen zeigen in tiefen Lagen schon heute Probleme und dürften in den kommenden Jahrzehnten nach und nach von der Bildfläche verschwinden. Wärmeliebende Arten wie die Eiche hingegen werden hier in die Bresche springen und gleichzeitig in immer höhere Gefildevorstossen.
Solche Verschiebungen sind sowohl in der Pflanzen- als auch in der Tierwelt zu beobachten. So gab es in Hitzeperioden bereits in der Vergangenheit immer wieder Meldungen von verendeten Fischen, die auf kühles Nass angewiesen sind. Andere Arten jedoch wie der Europäische Wels (Silurus glanis) fühlen sich in wärmeren Gewässern erst richtig wohl und breiten sich dementsprechend zügig aus.
Opportunisten im Vorteil
Um langfristig vom Klimawandel zu profitieren, müssen die Arten nicht nur resistent gegenüber extremen Bedingungen sein, sondern auch eine hohe Anpassungsfähigkeit für deren Variationen aufweisen, wie Professor Arpat Ozgul vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltstudien der Universität Zürich erklärt. «Wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht, wird es wahrscheinlich einige wenige Profiteure geben», so der Populationsökologe.
Dazu gehören Opportunisten wie beispielsweise der Rotfuchs oder das Wildschwein. «Manche Generalisten erhalten durch den Klimawandel die Möglichkeit, ihr Verbreitungsgebiet zu erweitern oder sich an neue Nischen anzupassen», so Ozgul. Die Vorteile für diese wenigen Populationen seien jedoch oft nur vorübergehend und stellten keine langfristige Nachhaltigkeit sicher, wie der Biologe weiter ausführt.
Ein Punkt, den auch Pro Natura unterstreicht: «Umweltbedingungen können sich so verändern, dass sich die Arten nicht mehr genügend schnell anpassen können», heisst es von der Naturschutzorganisation. Der Klimawandel habe das Potenzial, ganze Ökosysteme ausser Balance zu bringen, was langfristig viele Tierarten bedrohen wird. «Es ist klar, dass der Klimawandel erhebliche negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben wird, auch wenn die exakten Mechanismen schwer zu bestimmen sind», schliesst der Populationsökologe Arpat Ozgul.
Schwierig abzugrenzende Einflüsse
Nichtsdestotrotz gibt es – zumindest kurzfristig – so manche Profiteure der Klimaerwärmung. Dazu gehören laut dem Wissenschaftler beispielsweise Stechmücken und Zecken oder aber bestimmte Zugvogelarten. «Einige Vögel könnten durch den Temperaturanstieg erweiterte Lebensräume und neue Brutgebiete finden», weiss Arpat Ozgul. Jedoch sei es nicht einfach, eine Populationszunahme allein auf den Klimawandel zurückzuführen.
«Ein Beispiel für die erwähnte Komplexität ist die zunehmende Zahl von Rotmilanen in der Schweiz», so der Biologe. «Es kann sein, dass wegen der milderen Winter mehr Tiere in der Schweiz überwintern.» Oder aber es handle sich um die Fütterung durch Privatpersonen. Die laufenden Forschungsarbeiten zielen darauf ab, diese Fragen zu klären.
Beispiele von Pro Natura für kurzfristige Profiteure des Klimawandels im Schweizer Tierreich:
Die Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) hat ihre Winterquartiere zunehmend in nördlichere Regionen verlegt. Mit milderen Wintern und einem veränderten Nahrungsangebot kann diese Singvogelart nun auch in Mitteleuropa überwintern.
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Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) hat sich als typischer Generalist bereits in arktischen Regionen ausgebreitet und verdrängt dort teilweise den Polarfuchs (Vulpes lagopus). Wärmere Winter und ein breiteres Nahrungsangebot begünstigen diese Ausbreitung.
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Die Feldgrille (Gryllus campestris) kam früher in intensiv genutzten Wiesen oder in Einfamilienhaussiedlungen kaum vor. Das hat sich geändert, weil unter dem Einfluss der Trockenheit heute selbst Kunstwiesen manchmal so lückig sind, dass die Feldgrille dort überleben kann.
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Mildere Winter haben eine höhere Überlebensrate der Frischlinge zur Folge underweitern das Verbreitungsgebiet der Wildschweine (Sus scrofa) in nördliche und höhere Lagen.
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Auch das Rotkehlchen (Erithacus rubecula) profitiert von milderen Wintern und der dadurch verlängerten Brutzeit. In wärmeren Klimazonen können sie früher mit der Brut beginnen und möglicherweise mehrere Bruten pro Jahr haben.
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Folgende Eigenschaften helfen einer Tierart in Zeiten des Klimawandels:
- Hohe Anpassungsfähigkeit
- Unkompliziert betreffend Nahrungs- und Lebensraum
- Die Fähigkeit, zu wandern und sich woanders niederzulassen
- Hohe Toleranz gegenüber extremen Bedingungen, da Klimawandel nicht nur Klimaerwärmung bedeutet
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