Es ist eine beunruhigende Nachricht, die Anfang Oktober 2024 aus Marly, einer Gemeinde im Kanton Freiburg, kommt: Ein lebender Asiatischer Laubholzbockkäfer wird entdeckt. Der invasive Schädling gilt als besonders gefährlich, da er gesunde Laubbäume befällt und sie innerhalb weniger Jahre absterben lässt. Die Behörden reagieren sofort: Spürhunde durchsuchen das Gebiet und die Bevölkerung wird aufgefordert, Holz und Äste nicht aus der Gemeinde zu transportieren. Der Käfer, der erstmals 2011 in der Schweiz gefunden wurde, hat bereits in der Vergangenheit Schäden in der Region verursacht.

Ein schnelles Handeln ist auch nötig, denn Bäume in urbanen Gebieten sind nicht nur Schattenspender in den Betonschluchten. Eine aktuelle Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft zeigt, dass Stadtbäume wichtige Ökosystemleistungen bieten, jedoch auch anfällig für invasive Schädlinge und Krankheiten sein können. «In Schweizer Städten gibt es viel mehr verschiedene Baumarten als in den Wäldern», klärt Dr. Benno Augustinus, Studienleiter und Forscher an der WSL, auf und ergänzt: «Es sind sogar über 1300 Baumarten, die wir gefunden haben.» Die Zahl verblüfft, denn im Wald gäbe es zum Vergleich gerade mal nur 76 Arten.

Diese Vielfalt sei Stärke und Schwäche zugleich, da viele dieser Baumarten in Schweizer Städten nicht einheimisch sind. Dennoch, so Augustinus, gehören die meisten Stadtbäume zu einheimischen Arten – diese werden einfach häufiger gepflanzt. Neben der Artenzusammensetzung unterscheidet sich auch die Altersstruktur: «In Städten werden meist schon ältere Bäume gepflanzt, oft mindestens 10 Jahre alt. Ganz junge Bäume gibt es dort praktisch keine.» Sehr alte oder aber auch kranke Bäume können wiederum in der Stadt problematisch werden, etwa durch abbrechende Äste oder im schlimmsten Fall durch umstürzende Bäume, die ein grosses Sicherheitsrisiko darstellen. Daher findet man nur wenige, sehr alte Bäume in Städten.

Schädliche Besucher

Meist ist es nicht das Alter der Bäume, das Benno Augustinus Sorgen bereitet, sondern Schädlinge – gerade in Städten, wie eine andere Studie zeigt. So wurden 89 Prozent der ersten Nachweise invasiver Schädlinge in Europa in städtischen oder vorstädtischen Gebieten registriert. Zu den typischen Schädlingen in städtischen Gebieten gehört die Kastanienminiermotte. «Ihre Raupen leben in den Blättern von Rosskastanien und sorgen schon früh im Sommer für Verfärbungen», erklärtAugustinus. In Extremfällen werfen befallene Bäume bereits im Juli ihre Blätter ab. Ein weiteres Problem in Städten sind Blattläuse, die vor allem Linden befallen und deren klebriger Honigtau im Sommer für viele Ärgernisse sorgt: «Wer jemals sein Auto im Sommer unter Linden geparkt hat, weiss, wovon ich rede.»

Während diese Schädlinge oft nur ästhetische Schäden verursachen und eine vergleichsweise geringe Belastung für Bäume darstellen, existieren auch Arten, die ganze Baumbestände bedrohen. So beispielsweise der Asiatische Eschenprachtkäfer: «Der macht uns wirklich Sorgen, denn der hat einen ziemlich tödlichen Effekt auf Eschen», warnt der Forscher. Besonders seien amerikanische Eschenarten betroffen, die gerne in Städten gepflanzt werden. «Sie sterben schnell ab, wenn sie durch die Larven des Käfers befallen werden.» Eine noch grössere Gefahr geht vom Asiatischen Laubholzbockkäfer aus. Dieser sei nicht so wählerisch und hat ein grosses Wirtsspektrum, wodurch viele verschiedene Baumarten unter ihm leiden können. Dass er bis jetzt meist nur in städtischen Gebieten in der Schweiz gefunden wurde, beruhigt Augustinus nur minim. «Wenn der erst einmal in den Wald gelangt, wird es viel schwieriger, ihn zu tilgen.»

Warum treten aber diese Schädlinge so oft in Städten auf? Augustinus nennt den internationalen Handel als Hauptursache: «Invasive Schädlinge werden fast immer über Handelswege eingeschleppt. So gehen wir davon aus, dass der Asiatische Laubholzbock durch infiziertes Paletten-Holz in die Schweiz gebracht werde.» Zusätzlich schaffe der «Wärmeinsel»-Effekt in Städten ideale Bedingungen für viele wärmeliebende Schädlinge. So auch dem Japankäfer, der aus Italien kommend bereits grosse Teile des Tessins befallen hat. Vergangenen Sommer gab es zudem bereits mehrere Ausbrüche in der Deutschschweiz, die auf Verschleppungen von Käfern aus Populationen aus Italien und dem Tessin zurückzuführen sind. «Solche Verschleppungen zeigen, wie wichtig es ist, invasive Schädlinge so früh wie möglich zu finden. Je grösser die Population, desto geringer die Chance, sie zu eliminieren», mahnt Augustinus.

Es sei entscheidend, dass die Bevölkerung und Stadtverwaltungen aktiv eingebunden werden. «Es sollte viel mehr Aufklärung über Schädlinge geben. Oft erfährt die Öffentlichkeit erst von einem Schädling, wenn der Ausbruch schon passiert ist – das ist zu spät.» Zudem benötige es systematische Überwachungsmassnahmen in Städten, Schädlinge frühzeitig zu erkennen. «Denn die Städte sind die ersten Orte, an denen invasive Arten eintreffen, und die Diversität der Baumarten sorgt dafür, dass fast immer für sie geeignete Wirte vorhanden sind.»

Blick in die Zukunft

Die Zukunft stellt Städte und ihre Bäume vor grosse Herausforderungen, doch es gibt Ansätze, die Hoffnung machen. «Es werden riskante Handelswaren wie Paletten-Holz aus Gebieten mit bekannten Populationen potenzieller Quarantäneorganismen oder lebende Pflanzen regelmässig inspiziert», beruhigt Augustinus. Diese Vorsichtsmassnahmen sollen verhindern, dass invasive Arten überhaupt erst nach Europa gelangen.

Sollte ein Schädling dennoch auf Umwegen in die Schweiz gelangen, bleibt oft nur die Eindämmung seiner Ausbreitung und die von ihm angerichteten Schäden. Dies erfordert nicht nur eine schnelle Reaktion der Behörden, sondern auch das aktive Mitwirken der Bevölkerung. Wer beispielsweise einen Asiatischen Laubholzbockkäfer entdeckt, sollte dies unverzüglich beim zuständigen Pflanzenschutzdienst melden. Da der Käfer für Menschen ungefährlich ist, kann er auch problemlos gefangen werden. Dabei ist jedoch ein Glas mit einem stabilen Deckel zu verwenden, welchen der Käfer nicht durchbeissen kann. Auch tote Exemplare sollten aufbewahrt werden, um eine Identifizierung zu ermöglichen.

Während in der Schweiz bisher keine Hinweise darauf vorliegen, dass klimatische Veränderungen das Risiko für Schädlinge in städtischen Gebieten erhöhen, könnten weiter steigende Temperaturen wärmeliebenden Arten verbesserte Lebensbedingungen bieten. «Bis jetzt sind wir jedoch von wirklich katastrophalen Schädlingen verschont geblieben. Das kann sich aber in Zukunft noch ändern», mahnt Augustinus.