Sicher unterwegs
Survival-Tipps für Wanderer
Das Wandern ist des Schweizers Lust. Aber ist man auf eine Tour und seine Tücken auch richtig vorbereitet? Unser kleiner Survival-Guide bietet einen Überblick über wichtige Vorkehrungen und Massnahmen für den Notfall.
Eben noch schien die Sonne, plötzlich befindet man sich im dichten Nebel. Man hat die Route unterschätzt, die Wasserflasche ist schon lange leergetrunken. Jemand aus der Wandergruppe tritt falsch auf und kann nicht mehr weitergehen, und das in einer Gegend ohne Handyempfang. Dann ist guter Rat teuer. Im Notfall heisst es vor allem: Ruhe bewahren, Situation erfassen, Möglichkeiten durchgehen. Der Begriff «Survival» ist Englisch und bedeutet schlicht «überleben». Genau darum geht es beim Survival-Training, welches seinen Ursprung im Militär hat, heute jedoch auch unter Naturfreunden beliebt und durchaus nützlich ist. Doch bevor man komplizierte Techniken lernt, wie man ohne Streichhölzer Feuer macht oder mit einem selbstgemachten Messer Fallen baut, gibt es einfachere Tipps, die sich jeder vor einer Wandertour ins Gedächtnis rufen kann. Was also tun, wenn das Unvorhergesehene eintritt?
Ruhe bewahren
Nicht in Panik verfallen, sondern erstmal durchatmen und ruhig bleiben, das ist oft leichter gesagt als getan. Trotzdem ist es wichtig, keine Energie durch unnötigen Aktionismus zu verschwenden, sondern sich darauf zu konzentrieren, wie die Lage aussieht und wie man sie realistisch verbessern kann. Überraschend viele Menschen wechseln in einer bedrohlichen Situation in eine Art «Überlebensmodus» und bewahren einen erstaunlich kühlen Kopf. Ist man in einer Gruppe unterwegs, so sind es diese Leute, denen bei unvorhergesehenen Vorfällen die Führung überlassen werden sollte. Ist man allein unterwegs, so hilft es, sich klarzumachen, dass man sich höchstwahrscheinlich nicht in einer ausweglosen Situation befindet. Kurz innehalten und durchatmen bewirkt da oft Wunder.
Situation erfassen
Sich ein Bild der Lage zu machen, ist der erste Schritt zur Lösung. Wo bin ich? Wie kann ich mich orientieren? Kann ich auf mich aufmerksam machen? Was ist momentan das grösste Problem? Und nicht zuletzt: Welche Möglichkeiten habe ich? Wer sich seiner Situation im Klaren ist, kann Massnahmen zu seiner Rettung treffen und die Zeit bis dahin möglichst gut überbrücken. Dieses kurze Innehalten ist auch wichtig, um Panikreaktionen zu vermeiden, welche die aktuelle Situation vielleicht noch verschlimmern können. Oft findet man in der Umgebung Anhaltspunkte, die einem helfen und die eine Rettung ermöglichen beziehungsweise erleichtern.
Hilfe holen
Besteht Mobilfunkempfang, so kann im Notfall überall die internationale Notrufnummer 112 gewählt werden. Auch ohne sichtbaren Empfangsbalken funktioniert diese in manchen Regionen. Gut zu wissen: Die Expertinnen und Experten in der Notrufzentrale leiten einen bei medizinischen Notfällen am Telefon an und sagen, was man tun kann. Die Rega sollte man am besten über die Rega-App alarmieren, weil dabei die Koordinaten des Meldenden automatisch der Einsatzzentrale mitgeteilt werden. So kann ein Suchtrupp die Betroffenen schneller finden. Alternativ kann man die Rega unter der Telefonnummer 1414 erreichen. Eine Gönnerschaft lohnt sich nicht nur für Berg- und Wanderfreunde, sondern für alle Schweizerinnen und Schweizer.
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Ohne Handyempfang wird die Alarmierung schwieriger. Für Vielwanderer, welche sich oft in Gebieten ohne Mobilfunkabdeckung bewegen, kann ein Satellitenmobiltelefon eine sinnvolle Alternative zum herkömmlichen Handy sein. Glück im Unglück hat zudem, wer sich auf einem vielbegangenen Wanderweg befindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand vorbeikommt und Hilfe holen kann, ist dort gross. Wandergruppen können sich auch aufteilen und jemanden losschicken. Nicht zuletzt ist es immer eine gute Idee, wenn Zuhausegebliebene von den konkreten Wanderplänen wissen: Wer ist dabei? Welche Route wird genommen? Wann möchte man wieder zurück sein?
Verletzte versorgen
Hand aufs Herz: Wann hat man zuletzt einen Erste-Hilfe-Kurs besucht? Organisationen wie das Rote Kreuz und die Samariter bieten regelmässig Auffrischungskurse in vielen Teilen der Schweiz. Diese festigen bisherige Kenntnisse, schliessen Wissenslücken und bieten eine gute Gelegenheit, um Wundversorgung, stabile Seitenlage und Herzdruckmassage zu üben. Ein Erste-Hilfe-Set sollte in keinem Wanderrucksack fehlen. Nebst Pflastern für kleinere Verletzungen beinhalten solche Sets am besten eine Rettungsdecke, Schmerzmittel und grosse Bandagen. Bei Verletzungen hat die Wundversorgung, insbesondere das Stoppen des Blutverlusts, sowie die richtige Lagerung des Betroffenen oberste Priorität. Ist man in einer Gruppe unterwegs, so sollte immer jemand beim Verletzten bleiben, während andere Hilfe holen.
Das Wetter nicht unterschätzen
Zu einer guten Vorbereitung gehören dem Wetter angepasste Kleidung und gutes Schuhwerk. In der Höhe können die Temperaturen schnell um einiges kühler sein als im Tal. Kommt dann noch Wind und Feuchtigkeit hinzu, fängt man schnell an zu frieren und es droht eine Unterkühlung. Die Haut wird blass und der Blutdruck fällt ab. Dies ist ein Schutzmechanismus des Körpers, bei dem sich die Gefässe verengen, um das warme Blut, welches durch Arme und Beine fliesst, nicht zu schnell abkühlen zu lassen und die inneren Organe besser vor Schäden zu schützen. Eine wasserdichte leichte Überjacke verhindert, dass die Kleidung durch Regen und Nebel feucht wird. Darunter eignen sich mehrere Schichten Kleidung nach dem Zwiebelprinzip. So kann man sich den gerade vorherrschenden Wetterbedingungen laufend anpassen. Im Notfall wirkt die Rettungsdecke aus dem Erste-Hilfe-Set zusätzlich wärmend. Muss längere Zeit an einem Ort ausgeharrt und zum Beispiel auf Rettung gewartet werden, sollte man sich unbedingt einen windgeschützten Platz suchen. Dieser kann zusätzlich mit Laub gegen Bodenkälte isoliert werden. Eine kleine Höhle, ein grosser Baum mit herunterhängenden Ästen oder der Wurzelstock eines umgestürzten Baumes können bereits Schutz bieten. Wichtig ist eine auffällige Kennzeichnung des Aufenthaltsorts, damit Rettungskräfte wissen, wo sie suchen müssen. Ein bunter Rucksack oder ein kleines Feuer ziehen in solchen Fällen schon die Aufmerksamkeit auf sich.
Nebst Kälte und Nässe ist auch zu viel Sonne nicht gut für die Gesundheit. Ausreichend Sonnenschutz ist deswegen das ganze Jahr hindurch gerade in Berggebieten Pflicht. Ein Hitzeschlag kündigt sich durch Übelkeit und Kopfschmerzen an und kann schnell zu Krämpfen und Kreislaufproblemen führen. Bei den ersten Anzeichen bedeutet dies: raus aus der Sonne, sofort in den Schatten. Ein feuchtes Tuch auf Nacken, Armen und Beinen kühlt den Körper von aussen. Im Zweifelsfall kann man den sowieso viel zu warmen Pulli in einem Bergbach tränken und zur Kühlung verwenden. Viel trinken (kein Alkohol!), um den Wasserverlust auszugleichen, ist das A und O. An warmen Sommertagen schützt ein Hut zusätzlich vor Überhitzung. Das berühmte Zwiebelprinzip bei der Wahl der Kleidung ist auch hier sinnvoll. Eine regelmässig aufgefrischte Schicht aus Sonnencreme schützt die exponierte Haut vor Verbrennungen, und mit einer guten Sonnenbrille behält man auch im gleissenden Licht immer den Durchblick.
Wasser finden
Ein gesunder Mensch braucht bei durchschnittlicher Belastung pro Tag zirka zwei Liter Wasser. Bei grosser Anstrengung und an warmen Tagen steigt der Bedarf und damit auch die Anzahl Flaschen, die ins Wandergepäck gehören. Auf der Route empfiehlt es sich, Wasserflaschen wann immer möglich wieder aufzufüllen. Viele Bauernhöfe besitzen Brunnen mit Trinkwasser, und auch in Gaststätten kann man seinen Getränkebedarf natürlich ausreichend decken. Jenseits der Zivilisation und gerade in Berggebieten sind kleine Bäche oft die einzige Wasserquelle. Hier ist darauf zu achten, dass diese nicht durch eine Kuhweide führen, da das Wasser ansonsten mit gefährlichen Bakterien verunreinigt sein kann. Je höher stromaufwärts, desto sicherer ist das Wasser aus einem Bach. Wenn man länger an einem Ort ausharren muss und ein Feuer entfacht hat, so kann man Keime durch Abkochen des Wassers unschädlich machen. Alternativ gibt es im Fachhandel kleine Wasserfilter und Entkeimungstabletten zu kaufen.
Sich orientieren
Nebst Karte, Kompass und GPS gibt es einige Orientierungshilfen im Gelände für den Fall, dass man sich verlaufen hat. Die Sonne zum Beispiel steht morgens im Osten, mittags im Süden und abends im Westen. Anhand des Moosbewuchses an Bäumen und Felsen kann man zudem ebenfalls die Himmelsrichtungen erahnen. Da Wind und Regen in Europa häufig aus Westen kommen, wächst feuchtigkeitsliebendes Moos ebenfalls meistens an der Westseite. Wenn man sich verlaufen hat, dann sollte man auf jeden Fall versuchen, zum nächsten Zivilisationspunkt zu kommen. Sieht man irgendwo in der Ferne eine Strasse oder ein Dorf? Bäche und Flüsse sind ebenfalls hilfreiche Navigationsrouten. Folgt man ihnen, so kommt man fast zwangsläufig irgendwann an einen Weg oder zu einer Siedlung.
Für all diese Tipps gilt: Vorbeugen ist besser als Nachsorgen. Eine Route gut zu planen, die eigenen Kräfte nicht zu überschätzen, Pausen einzulegen und dierichtige Ausrüstung inklusive genügend Wasser dabei zu haben, ist essenziell, erspart Stress und kann im Zweifelsfall sogar Leben retten. Wer gerne allein unterwegs ist, sollte dies in einem Gebiet mit gutem Handyempfang tun, um im Notfall jemanden benachrichtigen und Hilfe rufen zu können. Alternativ erhöht ein Wanderkumpel oder gar eine ganze Gruppe nicht nur die Sicherheit, falls einmal etwas Unvorhergesehenes passiert, sondern man kann die schönen Eindrücke einer Wanderung sofort mit jemandem teilen.
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