Süsse Säue oder Waldterroristen?
Ein Schwein erobert die Schweiz
Nachdem es in der Schweiz zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgerottet wurde, feierte das Wildschwein in den Siebzigerjahren sein Comeback. Während es im Lebensraum Wald durch seine Wühlaktivitäten ein gern gesehener Bewohner ist, kann es auf landwirtschaftlichen Kulturen signifikante Schäden anrichten. Ein Biologe und ein Jäger erlauben einen Einblick in die Erfolgsgeschichte des Wildschweins.
Lassen sich Wildschweine in einem Acker nieder und tun sich am Mais oder Getreide gütlich, kann das teuer werden. Allein im Kanton Waadt betrugen die Schäden, die durch Wildschweine in der Landwirtschaft verursacht wurden, im Jahr 2022 ganze 733 843 Franken. Schweizweit beläuft sich der Betrag auf mehrere Millionen. Die Anwesenheit der Tiere kann insbesondere bei Landwirten zu Frust führen. Dem war nicht immer so.
Kaum eine Wildtierart kann auf einen so erfolgreichen Neuanfang zurückblicken wie das Wildschwein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund intensiver Bejagung durch den Menschen in der Schweiz praktisch ausgerottet, wanderten seither immer wieder Tiere aus Deutschland, Frankreich und Italien ein. Erst ab den Siebzigerjahren konnten sich hierzulande jedoch feste Populationen etablieren. Heute haben sich die Bestände erholt und nehmen rasch zu. Mit ihnen steigt auch das Konfliktpotenzial zwischen Mensch und Tier.
Gruppenkuscheln und Feindvermeidung
Was die Art so erfolgreich macht, sind mehrere Fak-toren, wie Dr. Stefan Suter, Dozent der Forschungs-gruppe Wildtiermanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) weiss: «Es gibt relevante Faktoren in der Biologie des Wildschweins. So hat die Art eine ausserordentliche Lernfähigkeit und ein hochentwickeltes Sozialverhalten.» Wildschweine leben gesellig in Familiengruppen, sogenannten Rotten. Angeführt werden diese durch eine Leitbache, ein altes und erfahrenes Weibchen. Sie bestimmt den Tagesrhythmus der gesamten Gruppe und selbst den Zeitpunkt der Fortpflanzung. Der Fortpflanzungszyklus der weiblichen Rottenmitglieder ist mit dem der Leitbache synchronisiert. Männliche Tiere, die Keiler, werden bei Erreichen der Geschlechtsreife dagegen vertrieben und sind ausgewachsen meist allein unterwegs.
Durch ihre soziale Lebensweise haben die Tiere gelernt, miteinander zu kooperieren. Droht Gefahr, warnen sich Wildschweine gegenseitig durch Lautäusserungen wie Schreck- und Warnlaute. «Mehr Nasen riechen schliesslich mehr als eine», erklärt Suter. Und das kann Leben retten. Auch kalte Winter überstehen die lernfähigen Tiere dank einer cleveren Strategie. Im Gegensatz zu Rehen und Hirschen, bei denen in den Wintermonaten jedes Tier für sich allein in der Kälte steht, rotten sich Wildschweine in einem Kessel, einem aus trockenem Gras und Laub gebauten Schlafnest, zusammen. Durch das Zusammenkuscheln wärmen sich die Tiere gegenseitig und sparen dadurch wertvolle Energie.
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Ein reich gedeckter Tisch
Weitere Gründe, die es den Wildschweinen erlauben, sich so rasch auszubreiten, ist ihre Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lebensräume und die von allen Huftierarten höchste Fortpflanzungsrate. Wann eine Bache geschlechtsreif wird, hängt nicht vom Alter des Tiers, sondern vom Nahrungsangebot ab. Gut genährteBachen können bereits mit sieben bis neun Monaten geschlechtsreif werden, in Extremfällen auch früher. Nach einer Tragzeit von drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen kommen rund vier bis sechs Frischlinge auf die Welt. Sie tragen in den ersten Monaten die charakteristischen Frischlingsstreifen, hellbraune Querstreifen auf dem Rücken, die sie auf dem Wald-boden beinahe unsichtbar wirken lassen.
«Es braucht die Jagd, um Wildbestände zu regulieren.»
David Clavadetscher, Geschäftsführer Dachverband Schweizer Jägerschaft
Auf der anderen Seite gibt es Faktoren, die durch die Umwelt und den Menschen bestimmt werden und den Tieren zugutekommen. Wie stark sich eine Art ausbreiten kann, hängt massgeblich mit der Jugendsterblichkeit zusammen. Kalte Winter und nasskalte Frühlinge erhöhen die Mortalität unter den jungen Wildschweinen. Mit dem durch den Klimawandel verursachten milderen Wintern fällt diese entsprechend geringer aus und ein Grossteil des Nachwuchses überlebt die kalte Jahreszeit.
Ein reich gedeckter Tisch aus Mais-, Weizen- und Rapsfeldern ausserhalb des Waldes führt ebenso dazu, dass sich die Allesfresser schneller vermehren können. Zu der intensiven Schweizer Landwirtschaft, die den Wildschweinen 365 Tage im Jahr Nahrung liefert, kommen Mastjahre hinzu. Dabei handelt es sich um Jahre, in denen Buchen und Eichen besonders viele Früchte produzieren und den Schweinen reichlich energie-reiches Futter bescheren. Forscher vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Häufigkeit der Mastjahre besteht. Gab es früher etwa alle drei Jahre solche Mastjahre, finden sie heutzutage alle zwei Jahre statt.
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Die Abschusszahlen steigen
Herauszufinden, wie viele Wildschweine genau in der Schweiz leben, ist aufgrund ihrer heimlichen Lebensweise schwierig, aber machbar, wie Stefan Suter erklärt. Neben seiner Tätigkeit als Dozent leitet er sein eigenes Unternehmen Wildlife Solutions, das wissenschaftliche Studien realisiert und Gutachten im Wildtierbereich erstellt. In einer Untersuchung zeigte Suter, dass im nördlichen Teil der Schweiz, wie beispielsweise im nördlichen Aargau, ein bis zwei Tiere pro Quadratkilometer leben. «In Schutzgebieten wie der Grand Cariçaie am Neuenburgersee können die Dichten bis zu 20 Tiere pro Quadratkilometer erreichen», wie der Biologe erzählt. Erklärt werden kann dies unter anderem dadurch, dass Wildschweine einem hohen Jagddruck ausweichen und Schutz in Gebieten suchen, in denen nicht gejagt werden darf.[IMG 8]
Dass die Bestände des Schwarzwildes, wie Wildschweine in der Jägersprache genannt werden, in der Schweiz zunehmen, zeigt sich in den über die letzten Jahre kontinuierlich steigenden Abschusszahlen. Ein Blick in die Schweizer Jagdstatistik bestätigt, dass selbst der Kanton Genf, in dem seit 1974 ein Verbot der Milizjagd besteht, nicht mehr ohne die Regulierung von Wildschweinen auskommt. 207 Tiere wurden 2022 als Spezialabschüsse erlegt, in anderen Jahren sind es über 400 Tiere. Sie richteten Schäden in landwirtschaft-lichen Kulturen an. «Das beweist, dass es die Jagd braucht, um Wildbestände zu regulieren», schluss-folgert David Clavadetscher, Geschäftsführer des Dachverbandes der Schweizer Jägerschaft Jagd Schweiz. Dabei darf jedoch nicht vergessen gehen, dass Wildschweine zu einem gesunden Ökosystem dazugehören, wie der Jäger betont. «Da, wo Lebensraum ist, besteht auch Lebensrecht. Natürlich müssen wir Schwarzwild regulieren, aber es besteht kein Anspruch darauf, es auszurotten. Jäger sind keine Schädlingsbekämpfer.» Auch Stefan Suter bestätigt, dass die Jagd sinnvoll sein kann. «Würde man jagdlich nicht in die Wildschweinbestände eingreifen, käme es möglicherweise zu mehr Schäden in der Landwirtschaft, mehr Verkehrsunfällen und zu einem höheren Ausbreitungspotenzial von Krankheiten und Seuchen.»
Nützlinge im Wald
Zwar kann das Wildschwein in landwirtschaftlichen Kulturen für Konflikte sorgen, im Wald allerdings ist es ein wahrer Nützling und ein äusserst wichtiger Bestandteil eines intakten Lebensraumes. Der für Schweine charakteristische Rüssel ermöglicht es den Tieren, den Boden nach Nahrung zu durchwühlen. Mäuse, Larven, Würmer, Wurzeln, Eicheln, Bucheckern – es frisst, was es finden kann. «Wildschweine durchlüften dadurch den Boden und der Wasserhaushalt und die Humusdurchmischung werden durch die Wühlakti-vitäten positiv beeinflusst», erklärt der Wildschweinexperte Stefan Suter. «Ausserdem verbreiten die Tiere Pilzsporen und Samen. Zudem wird die Verjüngung im Wald positiv beeinflusst. Bearbeiten die Tiere beispielsweise Flächen, die mit Adlerfarn zugewachsen sind, können daraufhin dann Bäume spriessen.» Und letztlich dienen insbesondere die Jungtiere wiederum als Nahrung für Beutegreifer wie Wolf, Goldschakal, Luchs, Fuchs und Uhu.[IMG 9]
Zusammenarbeit ist wichtig
Um Schäden in der Landwirtschaft zu minimieren, sind eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Behörden, der Jagd und der Landwirtschaft gefragt. In den meisten Kantonen, in denen Wild-schweine leben, geben die Behörden Empfehlungs- und Merkblätter an die Landwirtinnen und Landwirte ab, in denen Informationen zu wirksamen Massnahmen beschrieben sind. So ist es für die Landwirte wichtig, zu wissen, wie und wo sie Felder anlegen können, um das Anlocken der Wildschweine zu verhindern. Felder, die sich beispielsweise zu nahe am Waldrand befinden, werden gerne vom Schwarzwild aufgesucht. Auch Felder, die sehr gross sind, bieten optimale Habitate für die Wildschweine. «In riesigen Feldern findet das Wildschwein Futter, Schatten und Ruhe. Es muss also fast gar nicht mehr aus dem Feld hinauskommen», erklärt David Clavadetscher.
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Auch Zäune sind eine Möglichkeit, Schweine von den Feldern fernzuhalten. Diese fordern allerdingseinen hohen Unterhalt, weshalb sie nur bei besonders gefährdeten Kulturen mit hohem Ertrag sinnvoll sind. Akustische Abwehrsignale sowie Duftstoffe können ebenfalls zur Abwehr eingesetzt werden. Ihre Wirkung ist allerdings nur von kurzer Dauer, wie Clavadetscher als Jäger aus eigener Erfahrung weiss: «Das Wildschwein gewöhnt sich innerhalb kürzester Zeit daran, zudem haben Nachbarn meist wenig Freude. Die wirkungsvollste Methode ist es, mit Reviereinrichtungen so zu arbeiten, dass ich Schwarzwild auf dem Feld möglichst sinnvoll bejagen kann.»
Wie die Wildschäden, die durch Schwarzwild und andere Tierarten verursacht werden, entschädigt werden, ist kantonal geregelt. Finanziert wird diese Vergütung zum Grossteil durch die Jägerschaft mittels Pachtzinsabgaben und Wildschadenzuschlägen. Und das, obwohl Wildtiere laut dem Gesetz eigentlich niemandem gehören. «Wer sich gegen die Jagd wehrt, sollte sich eigentlich auch finanziell an den Wildschäden beteiligen», ist David Clavadetscher überzeugt.
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Herausfordernde Jagd
Begegnungen mit einem Wildschwein sind eher selten. Die Schwarzkittel sind scheu und misstrauisch. Das macht ihre Bejagung zu einer grossen Herausforderung. Insbesondere deshalb, da sich Schwarzwild an denJäger und seine Gewohnheiten anpasst. «Wenn ich als Jäger am Tag Druck ausübe, verlegen Wildschweine ihre Aktivitäten in die Nacht und umgekehrt», erklärt David Clavadetscher. Auch wer bei Tag und Nacht durch das Revier streift, macht sich keinen Gefallen. «Das Schwarzwild wird durch diesen Dauerdruck noch heimlicher und in der Folge noch schwieriger zu bejagen.» Auch wer immer wieder den gleichen Ort, beispielsweise einen Ansitz aufsucht, wird dort innerhalb kürzester Zeit keine Tiere mehr antreffen. «Sie begreifen sehr schnell, um was es geht, und haben einen guten Riecher. Für den Jäger ist die Herausforderung also, das Schwarzwild angepasst zu bejagen», führt der erfahrene Jäger aus. Laut ihm ist eine Kombination aus verschiedenen Jagdmethoden sinnvoll, von der Pirsch und dem Ansitz bis hin zu grossflächigen Drückjagden. Und das vor allem ausserhalb des Waldes, um die Tiere von den Feldern zu vergrämen. Wichtig ist zudem, kurz und dafür intensiv einzugreifen und nicht täglich durch das Revier zu streifen. «Wenn ich wirklich effektiv in die Wildschwein-population eingreifen möchte, müssen sich die Schweine sicher fühlen und aus der Deckung kommen. Das passiert nur, wenn sie nicht einem andauernden jagdlichen Druck ausgesetzt sind.»
Facts:Zur Körperpflege und zur Regulierung der Körpertemperatur wälzen sich Wildschweine in schlammigen Bereichen, sogenannten Suhlen. Vor allem im Sommer dient das Suhlen im Matsch dem Abkühlen und der auf der Haut eintrocknende Schlamm als Schutz vor Parasiten. In der Nähe der Suhlen finden sich Malbäume. Hier reiben sich Wildschweine nach einem Schlammbad genüsslich an der Rinde von Bäumen und lassen eine verräterische Schlammschicht im unteren Bereich des Baumes zurück.
Treue Jagdhelfer
Wer aufmerksam durch den Wald spaziert, kann manchmal Vor-richtungen beispielsweise in Form von hängenden Fässern erspähen, die dem Anfüttern von Schwarzwild dienen. In ihnen befinden sich Leckerbissen wie Buchen, Eicheln oder Mais, die die Tiere anlocken sollen, um sie gezielt schiessen zu können. Grundsätzlich ist das Füttern von Wildtieren in der Schweiz verboten, Jäger dürfen sich der sogenannten Kirrung jedoch als Jagdmethode bedienen. Was auf den ersten Blick effizient klingt, ist laut Clavadetscher allerdings nicht uneingeschränkt zu empfehlen. So könnte das zusätzlich ausgebrachte Futter die Reproduktion zusätzlich ankurbeln. Wird zudem ein Tier an einer Kirrung geschossen, wird dieser Ort von Artgenossen zukünftig meist gemieden. Nur punktuell und zeitlich begrenzt kann diese wirkungsvoll sein, wie der Jäger erklärt. Dann zum Beispiel, wenn ein Landwirt eine Frischansaat gemacht hat odergerade Erntezeit bei den Trauben ist und die Kirrung als Ablenkung dient.
Unerlässliche Helfer bei der Jagd auf Schwarzwild sind dagegen Hunde. Sie müssen die natürliche Distanz und Scheu gegenüber den Wildtieren bewahren, aber dennoch wildscharf genug sein, um die Schweine aus der schützenden Deckung in Richtung des Jägers zu treiben. Auch die Nachsuche, das Auffinden verletzter Tiere, würde ohne Hund und seine feine Nase nicht möglich sein. Bei der Jagd und der Nachsuche von Wildschweinen dürfen sich jedoch nur speziell ausgebildete Jagdhunde beteiligen. Denn Schwarzwild ist wehrhaft. Mit ihren scharfen und stark ausgeprägten Eckzähnen, in der Jägersprache als Gewaff bezeichnet, können sie Hunden schwere Verletzungen zufügen. «Es kann gefährlich sein, wenn Hunde übereifrig Schwarzwild jagen, weshalb sie entsprechend trainiert werden müssen. Sonst kann es Unfälle geben, die im schlimmsten Fall tödlich enden können», erklärt David Clavadetscher. Deshalb sollten Hunde, die bei der Jagd auf Wildschweine treffen könnten, eine Schutzweste tragen, um lebenswichtige Organe zu schützen.
Ihre Ausbildung erhalten Jagdhunde in Schwarzwildgewöhnungsgattern. In der Schweiz findet sich von diesen nur eines in der Nähe von Elgg im Kanton Zürich. Die Anlage ist ein nationales Projekt und entstand durch eine 2012 revidierte Jagdverordnung des Bundes, die eine solche Ausbildungsstätte für Jagdhundeforderte. Unter fachkundiger Begleitung lernen die Fellnasen in verschiedenen Ausbildungsschritten den Umgang mit den Schweinen. Bei allen Schritten wird darauf geachtet, dass sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen und keinen übermässigen Stress erleiden. Hunde, die sich als sehr aggressiv oder ängstlich entpuppen, werden von der Ausbildung ausgeschlossen.
Wildschweine und Krankheiten
Zwar sind Wildschweine robuste Tiere, doch in der Natur sindsie verschiedenen Krankheitserregern ausgesetzt. Neben äusseren Parasiten können sie Träger von Trichinen, winzigen Fadenwürmern, sein, deren Larven in der Muskulatur leben.Auf den Menschen übertragen werden können die Würmer durch die Aufnahme von rohem oder zu wenig gekochtem Fleisch. Auch durch Viren verursachte Krankheiten wie die Klassische Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest können die Tiere befallen und führen insbesondere bei jungen Tieren zum plötzlichen Tod. Dabei können Wildschweine auch Hausschweine anstecken und umgekehrt. Zwar gibt es aktuell keine Fälle der Schweinepest in der Schweiz, doch die Gefahr besteht. Der Handel mit Schweinen und der Transport von Schweinefleischprodukten, in denen das Virus monatelang überleben kann, stellen ein Risiko dar. Für den Menschen ist die Schweinepest ungefährlich.
Zögerliche Ausbreitung
David Clavadetscher selbst jagt Schwarzwild, vor allem für die Küche. Allerdings nicht in seinem Heimatkanton Luzern, sondern im angrenzenden Deutschland. Dort gibt es, im Gegensatz zu dem zentralschweizerischen Kanton, reichlich Wildschweine. Obwohl sich die Tiere stark vermehren und sich in der Schweiz grossflächig ausgebreitet haben, fehlen sie in Teilen des Mittellandes, der Zentralschweiz und der Voralpen. Das hat seinen Grund einerseits in von Menschen erschaffenen Barrieren wie Siedlungen und Autobahnen, wie der Wildtierbiologe Stefan Suter erklärt. Andererseits verhindert das Klima die Ausbreitung der Tiere in den Alpen, denn in höheren Lagen können Wildschweine im Winter nicht überleben. Ist der Boden gefroren,gelangen sie nicht mehr an ihre Nahrungsquellen. «Der südliche Teil des Aargaus und des Kantons Zürich sowie grosse Teile der Voralpen werden in naher Zukunftsicherlich noch besiedelt werden, wenn die Wildtierpassagen realisiert werden», fügt der Wildschwein-experte an.
Die revidierte Jagdverordnung, die im Frühling dieses Jahres vom Bundesrat zur Vernehmlassung eröffnet wurde, soll unter anderem vermehrt Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung schaffen und den Wildtieren das Überqueren von Strassen erleichtern.
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Dass es dadurch zu Situationen wie in gewissen europäischen urbanen Gebieten kommt, ist in der Schweiz allerdings unwahrscheinlich. In Grossstädten wie Berlin, Danzig, Katowice und Barcelona haben sich Wildschweine rasant ausgebreitet und leben mitten unter den Menschen. Hier finden sie hervorragende Bedingungen, denn schmackhaften Müll gibt es in menschlichen Siedlungen zuhauf. Dabei verlieren die Tiere ihre natürliche Scheu und können aufdringlich und teil-weise aggressiv werden, zudem verursachen sie Verkehrsunfälle. So werden in Barcelona jedes Jahr weit über 1000 Vorfälle mit Wildschweinen gemeldet. «Im Vergleich zu anderen europäischen Städten sind die grossen Städte in der Schweiz für die Tiere allerdings nicht so attraktiv», erklärt Stefan Suter, «denn es gibt hier wenig bis keine verwilderten Grünflächen und Wald.»
Hierzulande ist man stattdessen auf gute Augen, sein Gehör und den Geruchssinn angewiesen, um Wildschweine aufzuspüren. Wühlspuren in der Erde, Fussabdrücke im Schlamm, Kot am Wegrand, ein Krachen im Unterholz oder ein dezenter Geruch nach Maggi-Würze, der auf die Anwesenheit der Tiere hinweist – wer mit offenen Sinnen durch die Natur läuft, trifft vielleicht nicht auf ein Wildschwein, ganz bestimmt aber auf seine Spuren.
Schweine der Welt
Warzenschwein (Phacochoerus africanus)
Bekannt aus dem Film «Der König der Löwen», ist das Warzenschwein namens Pumbaa den meisten Menschen ein Begriff. Seinen Namen hat das in Afrika lebende Schwein durch die vier warzenartigen Ausstülpungen an seinem Kopf. In seiner Heimat ist es auch als «Radio Afrika» bekannt. Beim Laufen hält das Tier seinen Schwanz ganz wie eine Antenne aufrecht in die Höhe.
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Pinselohrschwein (Potamochoerus porcus)
Mit ihrem rot schimmernden Fell und den Pinseln an den Ohrspitzen sind Pinselschweine wahre Exoten unter den Schweinen. Die Jungtiere allerdings kommen, ganz wie beim Europäischen Wildschwein, mit Frischlingsstreifen auf die Welt. Die nachtaktiven Allesfresser leben in Familiengruppen in den Wäldern, Savannen und Sümpfen Westafrikas.
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Bartschwein (Sus barbatus)
Sein namensgebendes Merkmal ist der weissliche Bart, den das Bartschwein auf dem Rüssel trägt. Beide Geschlechter schmücken sich mit den Haaren, sie sind beim Männchen aber ausgeprägter. Das Schwein lebt in den Regen- und Mangro-venwäldern Südostasiens. Wird die Nahrung knapp, sammeln sich bis zu mehrere Hundert Tiere und machen sich gemeinsam auf die Suche nach neuen Nahrungsgründen.
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Sulawesi-Hirscheber (Babyrousa celebensis)
Die Hirscheber kommen nur auf der indonesischen Insel Sulawesi und einigen vorgelagerten Inseln vor. Durch illegale Be-jagung und den Verlust ihres Lebensraumes ist die Art vom Aussterben bedroht. Seine gebogenen oberen Hauer können eine Gesamtlänge von bis zu 30 Zentimetern erreichen. Bei manchen Individuen können sie so lang werden, dass die Spitzen der Hauer in den Kopf hineinwachsen.
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Zwergwildschwein (Porcula salvania)
Wie sein Name verrät, handelt es sich bei dem Zwergwild-schwein um die kleinste Schweineart der Welt. Sie galt in ihrer Heimat Indien als ausgestorben, bis sie 1971 wiederentdeckt wurde. Dank Zuchtprogrammen nimmt ihr Bestand langsam wieder zu. Die Tiere werden etwa 60 Zentimeter lang und wiegen bis zu zehn Kilogramm, wobei die Weibchen leichter sind.
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Riesenwaldschwein (Hylochoerus meinertzhageni)
Der grösste Vertreter der Familie der Echten Schweine ist das Riesenwaldschwein. Die männlichen Tiere können dabei ein Gewicht von bis zu 275 Kilogramm und eine Schulterhöhe von über einem Meter erreichen. Die Männchen verteidigen ihre Gruppe gegen Feinde und schlagen selbst Hyänen in die Flucht. Trotz ihrer Grösse wurden sie erst 1904 im westlichen und mittleren Afrika entdeckt.
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