Bio-Hummus aus Schweizer Speisesoja
Schweizer Hof kreiert nachhaltigen Hummus aus Okara
Stefanie und Matthias Gfeller produzieren am Schweikhof in Wichtrach (BE) Speisesoja, das zu Tofu weiterverarbeitet wird. Dabei fällt Okara an, ein Nebenprodukt, das in der Schweiz oft nur als Tierfutter endet. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Priska Wyss haben Gfellers einen Weg gefunden, aus Okara Hummus zu produzieren – ein Produkt, das nicht nur viel Zuspruch erhält, sondern sogar für den Agropreis nominiert wurde.
Ein bewölkter Dienstagnachmittag im Oktober. Im bernischen Aaretal – genauer gesagt in Wichtrach – befindet sich der Schweikhof. Mutterkuhhaltung, Ackerbau, ein grosszügiger Hofladen sowie ein eigenes Bistro sind die Steckenpferde dieses Landwirtsbetriebs.
Eine Kundin sieht sich im Laden um. Nicht nur Natura-Beef-Produkte und Biogemüse und -milchprodukte gibt es hier zu kaufen, sondern auch viel Selbstgemachtes wie Konfitüren, Senf und Hummus.
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Bei Letzterem handelt es sich allerdings nicht um gewöhnlichen Hummus aus Kichererbsen, sondern um Bio-Hummus aus selbst angebautem Speisesoja. Und genau dieses eigens entwickelte Produkt brachte dem Betriebsleiterpaar Stefanie und Matthias Gfeller eine Nomination für den Agropreis ein, der alljährlich landwirtschaftliche Innovationen auszeichnet.
Das Paar wartet bereits mit der Küchenchefin Priska Wyss im hinteren Teil ihres Hofladens. An einer Kordel markiert ein Schild eine «geschlossene Gesellschaft». Gemeint ist damit die heutige Medieninformation, welche das Paar anlässlich der Agropreis-Nomination auf die Beine gestellt hat. Das sei ein erstes Mal, meint Stefanie Gfeller grinsend. «Ein solcher Anlass hat auf dem Schweikhof noch nicht stattgefunden.»
Unbekanntes Okara
Die Anwesenden setzen sich – Most, Wasser und Kaffee wird angeboten. Auf dem Tisch befindet sich schon das Produkt, das heute im Fokus steht: der hauseigene Hummus namens «Klara Okara». Letzteres Wort gibt den entscheidenden Hinweis, weshalb genau dieser Hummus in den Augen der Emmental Versicherung, die den Agropreis ausrichtet und finanziert, als preisverdächtig gilt. Denn: Okara ist ein nährstoffreiches Nebenprodukt der Sojaproduktion.
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Aus jedem Kilo Tofu, das aus Soja hergestellt wird, entsteht auch rund ein Kilo Okara. In Japan seit jeher in der traditionellen Küche verankert, ist Okara hierzulande den wenigsten ein Begriff. Auch Familie Gfeller war sich des Nebenprodukts lange nicht bewusst. Erst der Austausch mit Katrin Portmann, einer Tofuproduzentin aus dem Nachbardorf Trimstein, hat Stefanie Gfeller vor gut einem Jahr darauf aufmerksam gemacht.
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Nach Trimstein wird ein Teil der von Matthias Gfeller produzierten Sojabohnen geliefert. 2024 konnte der Landwirt auf drei Hektaren rund neun Tonnen Sojabohnen ernten. «Katrin Portmann stellt aus einem kleinen Teil davon Tofu her, welchen wir im Hofladen verkaufen», erklärt Stefanie Gfeller. «Dabei kam dann die Frage auf, was wir mit dem anfallenden Okara anstellen.»
Ein Besuch bei der Futur Naturprodukte GmbH, einem der grösseren Tofuproduzenten im Kanton Bern, warf die Frage erneut auf. Hier landet der grössere Teil des Speisesojas vom Schweikhof, nachdem es in der Mühle Rytz in Biberen (BE) verarbeitet wurde. So haben Gfellers erfahren, dass allein bei diesen Tofuprodukten jährlich 70 Tonnen Okara anfallen. «Das fand ich erschreckend», so Gfeller. «Das meiste davon endet als Tierfutter. Der Unternehmer kann das Okara seinem Bruder geben, der einen Bauernhof mit Kühen besitzt.» Doch was diese davon nicht fressen, wandert auf den Misthaufen. Oder, im besten Fall, in eine Biogasanlage. «Zum grössten Teil wird das Okara also nicht weiter als Lebensmittel verwendet», resümiert Stefanie Gfeller und betont: «Das wollen wir ändern!» Katrin Portmann habe ihr vorgeschlagen, mit dem Okara in der Produktionsküche am Schweikhof zu experimentieren. «Daher bin ich auf unsere Küchenchefin Priska zugegangen.»
Feuertaufe an der BEA
Priska Wyss arbeitet als Küchenchefin am Schweikhof, stammt aber ursprünglich aus der Restaurantszene. Dennoch hatte auch sie noch nie von Okara gehört. Das habe erst selbst etwas erschreckt, erinnert sich Wyss. «Dann habe ich mich im Internet schlau darüber gemacht, mir die Konsistenz von Okara näher angesehen und mir überlegt, zu welchem Produkt man Okara am besten verarbeiten könnte. Mir war schnell klar, dass Hummus eine Möglichkeit wäre.» Tatsächlich war es nach einigen Probeläufen bereits so weit: «Schon bald haben wir den Hummus für gut befunden und mussten ihn vier Monate einlagern, um das Produkt anschliessend im Labor auf die Haltbarkeit testen zu lassen.» Die Testergebnisse: einwandfrei.
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Bald darauf folgte bereits der erste grosse Auftritt: Stefanie und Matthias Gfeller durften ihren Hummus an der BEA 2024 vorstellen. «Wir wurden vom Amt für Landwirtschaft eingeladen und durften unser Produkt einem breiten Publikum zur Degustation anbieten», erinnert sich Stefanie Gfeller. Damals seien die Hummusgläser noch gar nicht mit Etiketten versehen gewesen. «Dennoch erhielten wir viele positive Feedbacks und konnten bereits einige Gläser verkaufen. Das hat uns bestärkt, mit unserem Produkt weiterzumachen.» Die Reaktion «Soja ist ja sowieso Importware» hätte das Paar aber auch oft zu hören bekommen, ergänzt ihr Mann Matthias. «Als wir ihnen dann sagten, dass wir Soja auf dem eigenen Betrieb in Wichtrach anbauen, haben sie das fast nicht geglaubt.»
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Mittlerweile haben Priska Wyss und Stefanie Gfeller bereits Rückstellungen gebildet, die nach einem halben Jahr auf die Haltbarkeit getestet werden sollen. «Vielleicht ist unser Hummus ja sogar so lange gut», hofft Stefanie Gfeller. Eigentlich müsse Okara – auch als Futtermittel – innert zwei bis drei Tagen verbraucht werden. «So haben wir es geschafft, aus einem schnell verderblichen Lebensmittel ein länger haltbares Produkt im Glas zu machen», freut sie sich. Die erste «Klara Okara»-Geschmacksrichtung war neutral; mit «Mirabelle» und «Tomate und Chili» existieren mittlerweile bereits zwei weitere.
Auch ein Etikett ziert die Hummusgläser nun – und zwar mit einem unübersehbaren Hinweis, dass Okara als Nebenprodukt bei der Tofuproduktion anfällt. Als gelernte Schriftenmalerin hat Stefanie Gfeller das Etikett gleich selbst entworfen. «Ich wollte den Leuten damit klarmachen, dass alle, die Tofu essen, auch Okara essen sollten. Wir haben viele Kunden, die sehr nachhaltig unterwegs sind und die sich Mühe geben, kein Food Waste zu verursachen. Aber von Okara wird nicht gesprochen. Das Thema ist kaum publik.»
Viele weitere Ideen
Aktuell verkauft Familie Gfeller ihren Klara-Okara-Hummus nicht nur im eigenen Geschäft, sondern auch noch in fünf weiteren Bio-Hofläden in der Region. Man merke, dass es nicht viel Aufwand braucht, damit die Kundschaft den Hummus kauft, sagt Stefanie Gfeller. «Einerseits haben wir eine enge Kundenbindung. Andererseits trifft unser Hummus – gerade in Zeiten, in denen sich die Menschen bewusster ernähren – den Nerv der Zeit.»
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Dennoch habe sie im Sommer die Anmeldung für den Agropreis etwas herausgezögert, als sie dank des Newsletters des Landfrauen-Verbands davon erfahren hat. «Doch dann dachte ich mir, warum eigentlich nicht? Schliesslich sind wir ja sehr stolz auf unseren Hummus.» Die Nomination habe sie dann sehr gefreut. «Es war schön, zu hören, dass nicht nur wir unseren Bio-Hummus für eine gute Idee halten.»
Am 7. November wurde der Agropreis im Berner Kursaal verliehen. Nebst dem Bio-Hummus aus Soja von Stefanie und Matthias Gfeller waren noch drei weitere Projekte nominiert. Den Leserpreis im Wert von 3000 Franken konnte Familie Gfeller für sich entscheiden.
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Mit dem Preisgeld werden Gfellers das Produkt weiter puschen: Der Markenname «Klara Okara» ist mittlerweile geschützt, Ideen für weitere Produkte unter diesem Namen seien viele vorhanden. Irgendwann könnten sich Gfellers auch vorstellen, ihr Produkt durch einen grösseren Partner vertreiben zu lassen. Denn: «Wir sind noch lange nicht so weit, allen Soja zu verwerten, den Matthias produziert. Das ist ein Fernziel.»
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