Berufsfischer in der Schweiz
Das Glück hängt in den neuen Netzen
Noch sieben Berufsfischer gibt es auf dem Vierwaldstättersee. Einer davon ist Nils A. Hofer. Er führt in Meggen die Familientradition weiter, die im 16. Jahrhundert ihren Anfang nahm. An einem Montagmorgen stechen wir in aller Frühe mit ihm in See.
Alle Tage kommt das nicht vor», räumt Nils Hofer mit einem breiten Grinsen ein, als er einen prächtigen Hecht aus dem Netz klaubt. Dabei war der Tag eher bescheiden gestartet. Nachdem die wind- und wasserfeste Arbeitsbekleidung übergestülpt und die grauen Kistchen für die Aufbewahrung der Fische auf dem Motorboot verstaut waren, ging es los.
[IMG 2]
Und das ganz schön rasant. Die Morgenluft pfiff bei 43 Stundenkilometern, mit denen wir um 5 Uhr quer über den See bretterten, frisch um die Nase. Trotzdem dauerte es ganze 20 Minuten, bis die Schwimmer des ersten Netzes im Lichtkegel der Bootslampe auftauchten. Auch dies sei nicht alltäglich, gibt Hofer zu. Er habe die elf Felchennetze gestern Abend an einem anderen Ort als üblich ausgelegt, um mal etwas Neues auszuprobieren. Zudem seien sie weit abgetrieben. Deshalb die ungewöhnlich lange Suche auf dem See, der sich wie ein dunkles, samtenes Tuch vor uns ausgebreitet. Auch beim Einholen der roten Netze hellt sich die Miene des Fischers nicht merklich auf. Nur hie und da hat sich ein Felchen darin verheddert. Nach einem tollen Fang sieht das nicht aus.
Gefiederte Störenfriede
Der Vollmond könnte daran schuld sein, meint der erfahrene Berufsfischer. Denn beim hellen Schein seien die Netze, die wie ein Vorhang im See hängen, für die Fische besser sichtbar. Dass die schon älteren und hie und da etwas löchrigen Netze für das nur mässige Ergebnis verantwortlich sind, glaubt Hofer eher nicht. Auch die einzelnen Möwen, die sich schon bald um unser Boot gesellen, sind nicht die Schuldigen. «Mich nervt nur ihr grelles Gekreische, an den Fischen im Netz vergreifen sie sich kaum», erklärt der Fischer. Ein anderer Vogel stellt die weitaus grössere Konkurrenz dar.
[IMG 7]
Doch die Kormorane seien im Vierwaldstättersee glücklicherweise keine so grosse Plage für die Fischer wie andernorts. Aber auch hier hat sich ihre Population deutlich vergrössert. Hätten sich vor 30 Jahren noch 100 Brutpaare in der Umgebung aufgehalten, müssen heute 2000 Paare akzeptiert werden. Nils Hofer arbeitet zügig vorwärts. Die einzelnen Netze werden Zug um Zug aus dem See geholt und jedes separat an einer etwa einen Meter langen Stange aufgewickelt. Mit gekonnten Handgriffen sind die Felchen, die alle paar Meter im Netz hängen, befreit, durch einen raschen Kopfschlag über die Schiffskante getötet und in Plastikkisten gelegt.Immer mal wieder taucht Hofer die behandschuhten Hände in eine blaue Kühlkiste. Befindet sich darin eine desinfizierende Flüssigkeit? «Nein, heisses Wasser zum Aufwärmen», schmunzelt der Fischer. Und im Sommer dann das Eis zum Kühlen der Fische.
«Klar stehe ich lieber mit Shorts und T-Shirt auf dem Boot als bei minus 5 Grad und einer zügigen Bise.»
Nur ab und an hindert etwas den Arbeitsfluss: wenn sich die feinen Maschen verheddert haben und entwirrt werden müssen, sobald das Netz vom Wind unter dem Boot hindurch getrieben wird oder ein besonders wild zappelnder Fisch fast aus den Händen zu gleiten droht. Ansonsten scheint die Idylle perfekt. Der See liegt glatt da, die Sonne klettert langsam hinter den Bergen hervor und nichts und niemand stört die Ruhe. Er möge seinen Job, betont Nils Hofer. Im Sommer noch etwas mehr als im Winter: «Klar stehe ich lieber mit Shorts und T-Shirt auf dem Boot als bei minus 5 Grad und einer zügigen Brise.» Das einzig Nervige seien im Sommer die vielen Motorboote. An einem Sonntagabend beim Auslegen der Netze sei ihretwegen der See unruhig und durcheinandergewirbelt wie nach einem Sturm.
Ein Erfolgfang für Nils Hofer
Als wir uns auf den Weg zur zweiten Garnitur Felchennetze etwas mehr Richtung Seemitte machen, sind zwei Kistchen mit Fischen gefüllt. Das werde ein durchschnittlicher Fang mit rund fünfzehn Kilogramm Fisch, schätzt Nils Hofer. Von diesen bleiben schliesslich noch rund sieben bis acht Kilogramm Filets übrig. «Das reicht eigentlich nicht, besonders weil am Dienstag in Luzern unter der Egg Markt ist», seufzt er. Zum Glück ist da noch die eigene Forellenzucht, aus der jeweils Fische zur Ergänzung des Angebots geholt werden können. «Die Nachfrage an den Märkten nach unserem Fisch aus Wildfang ist jeweils grösser als das Angebot. Selten müssen wir Ware wieder mit nach Hause nehmen», erklärt der Betriebsleiter. Er hat drei Männer im Vollzeitpensum angestellt, die ebenfalls fischen und in der Fischverarbeitung tätig sind. Daneben beschäftigt er einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Verkauf an den Marktständen in Teilzeitpensen. Neben Luzern bietet die Fischerei Hofer an weiteren regionalen Märkten ihren Fisch zum Verkauf an.
«Die Nachfrage nach unserem Fisch ist grösser als das Angebot.»
Bis vor wenigen Monaten war auch jemand am Markt beim Helvetiaplatz in der Luzerner Neustadt präsent. Nachdem die Verkäuferin altershalber aufhörte, wurde dieser Standort aufgegeben. «Jemanden zu finden, der jeweils am Samstag ab 5 Uhr morgens am Marktstand steht, hat sich als sehr schwierig erweisen», liefert Hofer die Begründung. Bei den blauen, etwas engmaschigeren und neueren Netzen angekommen, muss die Voraussage über den durchschnittlichen Fang aber rasch korrigiert werden. Die Felchen scheinen hier regelrecht Schlange zu stehen. Ein Fisch nach dem anderen kann aus den Netzen geklaubt werden.
[IMG 4]
Und dann kommt er: Schon von Weitem ist der stattliche Hecht sichtbar. Mindestens drei Kilogramm wiegt ein solches Prachtexemplar, weshalb beim Herausziehen Vorsicht geboten ist. Sonst kann es schnell passieren, dass das Netz Löcher bekommt. In den Kistchen ist mittlerweile kaum mehr Platz für noch mehr Fisch. «Das ist unser geringstes Problem, notfalls legen wir einige Fische einfach in die Blechkiste, wo die Gerätschaften verstaut sind», witzelt Nils Hofer.
Die besten Jahre sind vorbei
Mit einem solchen Fang könnte man sich fast in den 1980er-Jahren wähnen. «Zwischen 1980 und 1986 waren für uns die ertragsmässig besten Jahre», erklärt der Berufsfischer. Dann begannen die Massnahmen mit den Kläranlagen zu greifen. Das Wasser wurde sauberer und die Fischer immer weniger. «Als ich 1998 das Unternehmen von meinem Vater übernommen habe, befanden wir uns nicht gerade in der Blütezeit. Seit rund zehn Jahren hat sich die Fangquote aber wieder verbessert», gibt der Fischereibesitzer Auskunft.
[IMG 5]
Ob ein solcher Erfolg wie heute nun für einige Zeit an der Tagesordnung bleibe oder ob es morgen schon wieder ganz anders aussehe, sei schwierig einzuschätzen. Er werde sich heute mit seinem Berufsfischerkollegen vom inneren See austauschen, um zu erfahren, wie dort die momentane Lage sei, meint Nils Hofer. Das Verhältnis zwischen den Fischern, aber auch zur Fischereibehörde empfinde er als sehr gut. Die Patente, also die Fischereigebiete seien schon vor Generationen verteilt worden, hier bestehe kein Streitpotenzial.
[IMG 6]
«Vielleicht bin ich ja der letzte Berufsfischer unserer Familie.»
Natürlich würde er die Patente und damit den Betrieb auch gerne seinen Nachkommen weitergeben. Von den drei Kindern zeige sich bisher aber keines wirklich interessiert. «Vielleicht bin ich ja der letzte Berufsfischer unserer Familie», seufzt der 59-Jährige.
Wieder zurück an Land
Natürlich tauscht sich Nils Hofer nicht nur mit seinen Berufskollegen von anderen Betrieben aus, sondern auch mit seinen Angestellten. Marjan Gegaj, der bereits seit 34 Jahren für die Megger Fischerei arbeitet, ist frühmorgens ebenfalls mit einem Boot losgefahren, manchmal ist er auf dem See von Weitem sichtbar. Er hat sich den acht ausgelegten Netzen für Albeli, eine nur im Vierwaldstättersee vorkommende kleine Felchenart, und vier weiteren Felchennetzen gewidmet.
[IMG 8-9]
Hofer und Gegaj sind via Bluetooth und Headset miteinander verbunden und sprechen nun ab, wer noch die Hechtnetze einholt. Als sämtliche Netze und Fische an Bord sind, geht es genauso rasant wie auf dem Hinweg wieder Richtung Bootshaus. Bevor der Motor gestartet wird, müssen allerdings noch die Netze ausgewaschen werden. Denn seit etwa einem Monat hänge extrem viel Dreck von Algen darin, erklärt Hofer. Und tatsächlich – beim Ausschwenken färbt sich das Seewasser rund um die Netze braun. Durch den Temperaturanstieg im Frühling steigen die Algen und der Wind wälzt das Wasser zusätzlich um, begründet der Fischer den ungewöhnlich starken Algenschmutz. «So viel ist sicher, dies ist der körperlich weitaus anstrengendste Teil der ganzen Arbeit auf dem See», seufzt er.
Mit dem Ausladen der Fische ist die Arbeit noch nicht getan. Nach einer Kaffeepause, bei der sich alle mit den Tassen zuprosten, um den guten Ertrag zu feiern, wird der Tagesfang im Erdgeschoss des nahe gelegenen Wohnhauses der Hofers verarbeitet. Das heisst, die Fische werden erst gewogen und in einer Maschine automatisch entschuppt. Dann werden mithilfe einer weiteren Maschine Kopf und Schwanzflossen abgetrennt und der Fisch wird in zwei Hälften zerlegt.
[IMG 10-12]
Die grosse Rückengräte sowie die Innereien sind somit entfernt. Die nächsten Arbeitsschritte erfolgen von Hand. Die Felchen und Albeli werden filetiert, zweimal gewaschen und dann verkaufsfertig verpackt. Einige besonders prächtige Felchen kommen auch ganz in den Verkauf. Die Schlachtabfälle werden übrigens zu Fischfutter verarbeitet, das dann im eigenen Betrieb zum Einsatz kommt und falls noch Überschuss bleibt, führt man diesen der Biogasanlage zu. Mit der Verarbeitung des Tagesfanges ist die Arbeit nicht getan. Selbst abends gibt es nochmals etwas zu tun. Ungefähr um 17 Uhr, im Sommer manchmal auch später, stechen die Männer mit ihren Motorbooten wieder auf See. Dort legen sie die Netze, in denen sich am nächsten Morgen hoffentlich einige Felchen werden verfangen haben, vor Einbruch der Dunkelheit wieder aus.
Betriebsspiegel Fischzucht Nils Hofer
Ort: Meggen am Vierwaldstättersee (Kanton Luzern)
Team: Betriebsleiter Nils Hofer, 3 Vollzeit-angestellte für Fischerei und Produktion, mehrere Teilzeitmitarbeitende für den Marktverkauf. Auch Hofers Sohn hilft jeden zweiten Samstag am Verkaufsstand beim Luzerner Markt.
Fischarten: Felchen, Albeli, Balchen, Hecht und Egli aus Seefang; Forellen aus eigener Zucht.
Abnehmer: 75 Prozent des Fanges wird an Märkten in Luzern, Horw, Kriens und Küssnacht verkauft, der Rest geht an regionale Gastro-nomiebetriebe und ein kleiner Teil wird direkt vermarktet.
fischereinilshofer.ch
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren