Das Gebäude wirkt geheimnisvoll. Von der viel befahrenen Route de Meyrin aus ist hinter üppiger Vegetation ein gewölbtes Glasdach zu sehen, das sich an einen turmartigen Bau aus roten Ziegelsteinen fügt. Die Anschrift «Vivarium de Meyrin» und oberhalb das runde grüne Schild «Association Elapsoïdea» mit einer stilisierten Schlange stimmen neugierig. Die Erwartungen werden nicht enttäuscht. Hinter den Mauern und unter dem Glasdach verbirgt sich eine exotische Welt, die Welt der Reptilien und Amphibien. Léa Maffini steht lächelnd am Eingang an der Kasse. Wenn die Besucherinnen und Besucher ins Gebäude strömen, hat die 25-Jährige bereits in ihrem Sektor alle Tiere begutachtet und die Terrarien gepflegt. «Etwas vom Wichtigsten ist die Kontrolle aller Tiere und Installationen», sagt die junge Frau. Sie absolviert das dritte Lehrjahr zur Tierpflegerin im Vivarium de Meyrin. Insgesamt werden 243 Tiere in 91 Arten in über 150 Terrarien gehalten. Die junge Frau sei ein Glückfall für das Vivarium de Meyrin, sagt Raoul Gonzalez, Verantwortlicher für die Tiere des Vivariums. Sie sei sehr engagiert und werde nach ihrer Lehre die verantwortliche Tierpflegerin.

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Von der Klapperschlange bis zum Kaiman

«Die meisten Tiere haben wir aus Beschlagnahmungen durch Behörden übernommen», sagt Maffini. Oft würden sie auch Abgabetiere von Privaten aufnehmen. «Ein Reptil wird viel unüberlegter gekauft als ein Hund», sagt die Spezialistin. Das führe dazu, dass der Halter überfordert sei und das Tier wieder loswerden möchte. «Vorherige vertiefte Information ist das A und O», streicht Maffini heraus.

Ein wichtiger Auftrag erfüllt das Vivarium in der Aufklärung und Sensibilisierung über die Bedürfnisse von Reptilien und Amphibien. Zahlreiche Schulklassen kommen in Kontakt mit den von Vorurteilen behafteten Tieren. Das Engagement anerkennt auch die Gemeinde Meyrin, die das Gebäude zur Verfügung stellt und die Elektrizitätskosten trägt. Das Vivarium befindet sich seit 1992 in diesem Haus. Es entstand ursprünglich aus einer Vereinigung von Liebhabern, die auch öffentliche Wanderausstellungen organisierten. «Heute nehmen wir die Reptilien und Amphibien nicht mehr aus ihren Behältern, um sie extern zu präsentieren», sagt Léa Maffini. Das wäre zu viel Stress für die Tiere. «Wir bieten aber hier Führungen an.»

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Wie die Reptilien und Amphibien richtig gehalten werden, zeigen die zahlreichen Terrarien in Meyrin. Sie sind den Bedürfnissen der Tiere entsprechend eingerichtet. Léa Maffini ist für den ersten Stock mit den Terrarien unter der gewölbten Glaskuppe zuständig. Tropische Pflanzen in der hellen Halle verstärken das exotische Ambiente, das sich in den seitlich angeordneten Terrarien fortsetzt. Dass die Guatemala-Schwarzleguane aus feucht-warmen Gefilden stammen, wird gleich klar. Die Echsen leben in einer dem Tropenwald nachempfundenen Umgebung und räkeln sich auf Holzstämmen. «Hier setzen wir zur Sicherheit der Bewohner künstliche Pflanzen zur Dekoration ein», sagt Maffini. Dort, wo die Bewohner die Pflanzen nicht frässen, wüchsen natürliche tropische Gewächse, so wie bei den Madagaskar-Taggeckos, die mit ihren Haftfüssen an Bambusstängeln kleben. Wie anders ist da der Lebensraum der braunen Uracoan-Klapperschlange aus Venezuela. Sie stammt aus einem wüstenartigen Gebiet mit Felsen und Sand. Ihr Terrarium gewährt einen Blick in eine Wüstenlandschaft Südamerikas. Die Neuguinea-Amethystpython schlängelt sich derweil gerade über einen dicken Ast.

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Alle Tiere sind auch in Deutsch ausgeschildert. Zuhinterst in der Halle tropft Wasser von Felsen, Efeututen ranken, eine Kletterfeige wuchert über Felsen. Tief unten schwimmen wie Baumstämme südamerikanische Brillenkaimane im Teich, eine Gelbe Sumpfschildkröte paddelt an der Wasseroberfläche. Die Art gilt heute in China als sehr gefährdet.

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Besuch beim urzeitlichen Drachen

Urzeitlich wirken die Nashornleguane aus Haiti. Auch sie sind wegen Lebensraumverlust und Bejagung selten geworden. Etwas furchteinflössend scheint die Schwarzweisse Kobra aus feuchten Lebensräumen des tropischen Afrikas, wie sie da lautlos über einen Ast gleitet und züngelt. Dass Schlangen nicht nur in den Tropen zu finden sind, sondern auch in der Schweiz, zeigt das Terrarium im Mittelbereich, wo eine Aspisviper über Tannennadelboden kriecht und gleich unter einem Stein verschwindet. «Wir wollen die Leute auch für die einheimischen Reptilien und Amphibien sensibilisieren», betont die Tierliebhaberin Maffini. Dazu gehören auch die Europäischen Sumpfschildkröten, die im Kanton Genf gar wiederangesiedelt werden und die einstmals über weite Teile der Schweiz verbreitet waren.

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Eine Treppe führt ins Untergeschoss. Dort ist der Besucherraum dunkel gehalten. In hell erleuchteten Terrarien verbirgt sich eine Wunderwelt. Jedes Terrarium weist verschiedene Lichtquellen auf: eine Grundbeleuchtung, Wärmelampen und Leuchtmittel, die ultraviolettes Licht abgeben. «Wenn Reptilien oder Amphibien die Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität und Wärme ihres Lebensraums geboten wird, leben sie problemlos 20 Jahre», sagt Léa Maffini. Manche werden zu richtigen Persönlichkeiten, so wie beispielsweise der Grüne Leguan, der aussieht, wie ein Drache mit seinen Hautsäcken an den Wangen und Zacken auf dem Rücken. Auch das Terrarium des Arguswarans ist so gross wie ein Kinderzimmer. Das Reptil aus Australien und Neuguinea äugt neugierig von einem fast senkrechten Ast, an den es sich gekrallt hat. Im Gegensatz dazu verschwindet die Grüne Wasseragame im Halbschatten der Vegetation ihres Terrariums.

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Reptilien und Amphibien sind oft vernachlässigte und unterschätzte Tiere. Im Vivarium de Meyrin haben sie einen Logenplatz. Wer sich nach dem Beobachten all der verschiedenen Arten weiter in die Thematik vertiefen möchte, findet umfangreiche Informationen in den zahlreichen Büchern der Bibliothek gleich beim Eingang, die eingesehen werden können. Ein ideales Ausflugsziel in der kalten Jahreszeit.

Vivarium de Meyrin32a, rue Cardinal-Journet, 1217 Meyrin GE
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 14 bis 17 Uhr; Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr. Während den Schulferien täglich von 10 bis 17 Uhr.
Eintritt Erwachsene: Fr. 11.–
Weitere Informationen: vivariumdemeyrin.ch
Anfahrt: Vom Hauptbahnhof (Cornavin) Genf per Tram Nr. 14 oder 18 Richtung Meyrin, Station «Jardin-Alpin Vivarium» oder von Genf-Flughafen per Bus 57, Richtung Zimeysa, Station «Jardin-Alpin Vivarium»