Im Tropenwald
Die spektakuläre Balz der tropischen Vögel
Paradiesvögel erschienen Forschern früher wie Geschöpfe des Himmels. Sie werden bei der Balz in der Baumkrone zu bunten Federbüschen. Auf den Spuren von verschiedenen gefiederten Schönheiten und Exzentrikern.
Weit oben in 25 Metern Höhe, ein waagrecht wachsender Ast in einer Baumkrone bildet die perfekte Bühne für eine aussergewöhnliche Tanznummer: Ein Grosser Paradiesvogel flattert in der Dämmerung darauf, ein zweiter kommt hinzu. Dann treffen die Sonnenstrahlen wie Scheinwerfer die Bühne – das Schauspiel ist nun in vollem Gange. Grosse Paradiesvögel plustern ihre seidenen Federn zu einem Schweif, strecken ihre rostbraunen Schwingen, recken die Köpfe und rufen kehlig schrill in den Morgen der Aru-Inseln, einer indonesischen Inselgruppe südlich vor dem westlichsten Zipfel der Insel Neuguinea.
Als ein bräunliches Weibchen auftaucht, geraten sie schier in Ekstase. Sobald es sich einem Männchen nähert, wird der Werbende still, kehrt ihm den Rücken zu, schlägt wie wild mit den Flügeln, krümmt sich und plustert den seidigen Schweif wie einen losspeienden Zuckerstock auf. Die Choreografie endet mit der kurzen Begattung. Dann versucht das Männchen von Neuem, ein Weibchen zu beeindrucken.
Sie werden ihrem Namen gerecht. Paradiesvögel sind so unglaublich, dass erste Forscher, die sie in den Regenwäldern Neuguineas beobachteten, annahmen, es seien Geschöpfe des Himmels und sie lebten von Tau. Kein Wunder, werden sie, ob auf Deutsch, Französisch oder Englisch, als Paradiesvögel bezeichnet. Auch die wissenschaftliche Familienbezeichnung macht mit Paradisaeidae auf das Aussergewöhnliche aufmerksam.
Pompös und königlich
Paradiesvogel ist ein Überbegriff für sehr verschiedene erstaunliche Formen. Auch der Kragenparadiesvogel gehört dazu. Er balzt am Boden und präsentiert sich dem Weibchen als Scheibe. Das gelingt ihm, indem er seinen Kragen entsprechend aufrichtet. Auf samtenen schwarzen Federn sind ein blauer Latz und auch zwei Punkte zu sehen. Auch beim Kragenparadiesvogel besteht die Balz aus einer Kombination von Farben, Tanz und Gesang. Dieses Spektakel zu sehen, ist nur den wenigen beschieden, die sich in die Bergregenwälder Neuguineas vorwagen. Das aufwändige Ritual der Männchen allerdings findet oft statt, – die Damen sind anspruchsvoll. Im Schnitt weist ein Weibchen 15 bis 20 Bewerber ab, bevor es den richtigen akzeptiert.
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Paradiesvögel leben in abgeschiedenen tropischen Regenwäldern der grossen, geheimnisvollen Insel Neuguinea und vorgelagerten Inseln. Der Glaube, sie lebten im Himmel, hielt sich mehr als 150 Jahre. Dann gelang es, Paradiesvögel zu fangen, sie in Zoos zu halten und teilweise sogar zu züchten. Heute sind die mit Krähen verwandten Vögel absolute Raritäten, die weltweit nur noch in wenigen Sammlungen gehalten werden.
Mit Argusaugen im Regenwald
Mit Federn, auf dem Waldboden verborgen, punktet auch der Argusfasan. Er stammt aus den feuchtwarmen Regenwäldern des tropischen Südostasiens wie etwa aus Malaysia, Bangladesch und Thailand. Wenn er ein Weibchen anbalzt, drapiert er seine langen Schwingen und Schwanzfedern zu einem grossen Oval. Nur der Kopf mit der nackten blauen Haut und der Schnabel, der gelb leuchtet, sind in der Mitte zu sehen – ein wundervoller und gleichzeitig irritierender Anblick. Die zahlreichen augenförmigen Punkte auf den Federn sehen aus, als würde das Weibchen mit Argusaugen beobachtet. Argus stammt aus der griechischen Mythologie und war ein Riese mit hundert Augen, von denen nur ein Paar schlief, während der Rest wachte. Ihm entging nichts! Auf das Weibchen verfehlt die aufgeblasene, pompöse Erscheinung seine Wirkung nicht. Argusfasane werden wegen der Lebensraumzerstörung immer seltener.
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Fasane und Pfaue gibt es nur in Asien – das jedenfalls nahm die Wissenschaft lange an. Bis James P. Chapin, ein US-amerikanischer Ornithologe, im Jahr 1936 im Belgischen Kolonialmuseum in Tervuren bei Brüssel eine verblüffende Entdeckung machte. In einem Kasten im Keller fand er zwei ausgestopfte, verstaubte Vögel, die als «gewöhnliche junge Pfaue» angeschrieben waren. Chapin kam das eigenartig vor – er erinnerte sich an das Jahr 1913, als er während einer Sammelreise im Kongo Federn aus dem Kopfputz von etlichen Einheimischen erhielt, die er nicht zuordnen konnte. Sofort kombinierte er, liess später seine Federn mit dem Balg überprüfen und stellte fest, dass es sich bei den fälschlicherweise als Pfaue beschriebenen Vögeln um eine neue Art handelte. Eine Sensation, dass ein so grosser Vogel wie der Kongopfau erst im 20. Jahrhundert von Chapin zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben wurde.
Der Kongopfau streift am Boden des düsteren Urwalds im Kongobecken umher, und zwar lediglich in einem eingeschränkten Gebiet des Ituri. Dem Schweizer Tierfänger Charles Cordier gelang es, 1949 drei Hähne zu fangen und dem New Yorker Bronx-Zoo zu liefern. Weitere Exemplare gelangten 1957 durch ihn in den Zoo von Antwerpen in Belgien. Die Männchen haben einen attraktiven weissen Federbusch auf dem Kopf, und ihr Gefieder schillert bläulich. Die Weibchen ziert ein kleinerer brauner Kopfbüschel und ein bräunlich-grünes Gefieder.
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Andere Regenwaldbewohner wiederum glänzen mit kahlen Köpfen. Weiter nördlich im Westen Afrikas lebt ein weiterer unbekannter Vogel: die Stelzenkrähe. Der Kopf ist nackt und leuchtet gelb und orange. Sie lebt in Schluchten im Tropenwald, die Buntkopf-Stelzenkrähe in Westafrika und die Gelbkopf-Stelzenkrähe eher im zentralen Afrika. Die Gelbkopf-Stelzenkrähe beispielsweise verbirgt sich tief im Regenwald Gabuns, etwa dort, wo sich ein Bach immer mehr in eine felsige Schlucht frisst. Tief unten rauscht bernsteinfarbenes Wasser, darüber der Baldachin des Regenwaldes. Es sind Koloniebrüter, die ihre ein bis zwei weissen Eier in die Nester legen, die aussehen, als wären sie von grossen Schwalben gefertigt. Stelzenkrähen halten sich vor allem am Boden auf und suchen dort nach Insekten und Würmern. In der Haltung und Zucht der Stelzenkrähen hat sich der Frankfurter Zoo hervorgetan. 1971 gelang dort die Welterstzucht der Buntkopf-Stelzenkrähe, 1966 gar diejenige der Gelbkopf-Stelzenkrähe. Die Haltung beider Arten ist aber erloschen.
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Das Spiel der feuerroten Herren
Im Gegensatz zur Stelzenkrähe lebt der Felsenhahn in wenigen europäischen Parks. Die nächste Möglichkeit, diese Exklusivität zu sehen, ist der Parc des Oiseaux im französischen Villars-les-Dombes, etwa eine knappe Autostunde von Genf aus in Richtung Westen. Der Faszination dieser exotischen Schönheit kann sich niemand entziehen. Ein orangeroter Federball leuchtet und schillert aus dem Grün der Vegetation. Der rote, samten wirkende Helm verbirgt den grössten Teil des Schnabels und lässt den Wundersamen aus dem Dschungel aussehen wie einen römischen Legionär. Schwingen und Schwanz sind pechschwarz, der Rücken silbern. Ein Gefiederter, der sich wie ein Würdenträger in vollem Ornat präsentiert. Das Weibchen ist völlig unscheinbar braun gefärbt, doch ihm gilt die Schönheit der Männchen.
Die Herren balzen tief in den Regenwäldern Südamerikas, beispielsweise im Bergregenwald Perus. Dort versammeln sich die Beaus in tiefen Lagen der Strauchschicht und plustern sich zu Feuerbällen auf. Distanziert nähern sich Weibchen, schauen scheinbar beiläufig und desinteressiert zu – und wählen schliesslich aus. Nur der Vitalste, Schönste paart sich, die anderen bleiben Statisten, ähnlich wie das in der Schweiz auch bei den Birk- und den Auerhühnern der Fall ist. In den tropischen Regionen Südamerikas sind verschiedene Unterarten des Felsenhahns verbreitet, in Richtung Guyana beispielsweise der Tiefland-Felsenhahn, dessen Gefieder herrlich orange leuchtet und dessen Schwingen nur von schwarzen Anflügen durchzogen sind. Es war ebenfalls der Schweizer Charles Cordier, dem es 1941 gelang, Felsenhähne zu fangen und per Schiffstransport in den New Yorker Bronx-Zoo zu bringen.
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Kathedrale der Tropen
Felsenhähne gehören zu den Kotingas. Die doch sehr eigentümlichen Vertreter dieser äusserst unterschiedlichen Vogelfamilie verbergen sich fast alle irgendwo im lateinamerikanischen Regenwald. So wie beispielsweise der Kapuzinervogel. Mit dem nackten Kopf, dem markanten, breiten Schnabel und der kompakten, gedrungenen Form verkörpert er eine Persönlichkeit aus dem Vogelreich, die etwas von einer kauzigen Theaterfigur hat. Der gemeinsam vorgetragene Gesang tönt wie Motorsägen.
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Auch Schirmvögel sind Kotingas. Sie sind zwar nicht bunt, sondern pechschwarz. Es ist ihr Aussehen und Verhalten, das sie zu etwas Einmaligem macht, tragen sie doch an der Kehle einen langen Fortsatz, der hin- und herschwingt wie ein Pendel einer Uhr. Balzen die Männchen, stehen die Federn daran ab, so dass es aussieht, als wiege sich ein Tannenzapfen im Wald. Im Gegensatz zum Schirmvogel ist der Nacktkehl-Glockenvogel weiss gefiedert. Dieser Kontinga-Vertreter fällt durch seinen glockenartigen Schrei auf, der zu den lautesten Äusserungen eines Vogels überhaupt zählt. Die Kotingas sind eben Exklusivitäten. Und wie es sich für gepflegte Prominenz gehört, halten sie sich verborgen, nicht in Villen, sondern in den Regenwäldern der Neotropis. Die Kathedrale der Tropen, Schauplatz der wundersamsten Gefiederten.
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SchmökereckeViele weitere erstaunliche Vögel tummeln sich im Buch von Mike Unwin. Ryuto Miyake stellt sie in sehr anziehenden, feinfühligen Illustrationen typisch dar, so wie zum Beispiel den Seidenlaubenvogel von der Ostküste Australiens. Das Männchen baut dort tatsächlich aus Halmen und Zweigen eine Laube und sammelt blaue Gegenstände, die es davor auslegt. Das können Plastikzahnbürstchen, Beeren oder Flaschendeckel sein. Das Buch würdigt die Vielfalt und Schönheit der Vögel.
Mike Unwin: «In 280 Vögeln um die Welt», 224 Seiten, viele Bilder, gebunden. Verlag: Laurence King
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