Guanakos bewohnen das Andengebirge in Peru, Ecuador, Bolivien, Chile und Argentinien sowie die Halbwüsten und Steppen Patagoniens. Die bis zu 120 Zentimeter hohen und zwischen 90 und 140 Kilogramm schweren Wiederkäuer sind perfekt an ein Leben in Höhen-lagen von bis zu 4500 Metern über Meer angepasst. Denn ihre roten Blutkörperchen können besonders viel Sauerstoff binden. Ausgedehnte Wanderungen durch Halb-wüsten stellen für sie ebenfalls kein Problem dar, da sie lange ohne Wasser auskommen und sogar Salzwasser vertragen. Ihre schlanken Beine machen sie zu schnellen Läufern und als exzellente Schwimmer gelangen sie sogar auf Inseln, die der südamerikanischen Küste vorgelagert sind.

Mit 90 Zentimeter Schulterhöhe und einem Gewicht rund 40 Kilogramm deutlich zierlicher, aber robuster, ist das Vikunja. Es lebt in noch höheren Lagen, nämlich in den Hochanden zwischen der Baumgrenze und der Schneegrenze. Dank ihren beweglichen Zehen, die mit scharfen Nägeln ausgestattet sind, können Vikunjas steile Hänge erklimmen und über Geröllhalden klettern.

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Zähne wie Hasen

Nicht ganz so trittsicher müssen die Vikunjas und Guanakos sein, die im Zoo Zürich leben. 1947 wurden die ersten Vikunjas und ein Jahr später dann auch einige ihrer grösseren Verwandten aus Chile eingeflogen. Pascal Marty, der Kurator Kommunikation, verrät, wie die südamerikanischen Sohlengänger bei ihnen im Zoo leben. Neben Guanakos und Vikunjas hält der Zürcher Zoo Lamas und Alpakas. Die Neuweltkameliden sind jedoch alle in jeweils separaten Gehegen untergebracht.

Dies, weil die Tiere sich sonst untereinander kreuzen könnten. Sowohl Guanakos als auch Vikunjas sind winterhart, daher erübrigen sich eine Innenanlage oder beheizte Stallungen. Alle Tiere haben einen gut eingestreuten Stall und eine Aussenanlage zur Verfügung. Das Aussengehege besteht aus felsigen und bepflanzten Teilen. Dazu kommen Sand suhlen für die Fellpflege und Liegeplätze, wo die Tiere Wiederkäuen können. Während die Guanakozuchtgruppe, bestehend aus einem Hengst und vier Stuten, alleine lebt, sind der Vikunjavater und seine Tochter mit Nandus vergesellschaftet.

Zu fressen bekommen die Neuweltkamele Heu und viele Äste zum Benagen. Diese bieten zum einen eine gute Beschäftigung, sind andererseits aber auch wichtig für die Zähne. Vor allem für die Vikunjas, denn diese weisen eine Besonderheit am Gebiss auf. Ihre unteren Schneidezähne wachsen wie bei Nagetieren ein Leben lang nach und werden nur über Abnutzung, also das Knabbern von harten Futterpflanzen, gekürzt. Dieses Phänomen taucht sonst bei keinen anderen Paarhufern auf. «Zusätzlich füttern wir Pellets mit Vitaminen und Spurenelementen und ab und zu reichen die Tierpflegerinnen eine Karotte», sagt Pascal Marty. Diese Belohnungen seien praktisch, um das Vertrauen der scheuen Tiere zu gewinnen.

Fast ausgerottet

«Wir möchten zeitnah eine neue Zuchtgruppe von Vikunjas aufbauen», so Pascal Marty. Bereits 110 Jungtiere haben im Zoo Zürich das Licht der Welt erblickt. Diese Tierart ist Teil eines Ex-situ-Zuchtprogrammes des Europäischen Zooverbandes EAZA. Das Ziel liegt in der Erhaltung einer Zootierpopulation mit einer hohen genetischen Vielfalt, die zugleich eine Reservepopulation darstellt. So könnten bei Bedarf Tiere in ihrem ursprünglichen Lebensraum wiederangesiedelt werden. Vor einigen Jahrzehnten war man haarscharf dran, tatsächlich auf diese Reservepopulationen zurückzugreifen. Wieso stand es in den 1960er-Jahren dermassen schlecht um diese zierlichen Andenkamele?

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Vikunjas haben das feinste Tierhaar überhaupt. Die Wolle der oben hell-braunen und an der Unterseite weissen Tiere ist noch exklusiver als Kaschmir oder Angora. Ihre Fasern sind feiner als Seide, weshalb sie zum absolut teuersten Verarbeitungsmaterial in der Bekleidungsindustrie wurden. Die Inka trieben die frei lebenden Vikunjas jeweils in Gatter, schoren die Wolle, die nur hohen Adligen vorbehalten war, und liessen die Tiere anschliessend wieder frei. Die Spanier setzten aber diese jahrhundertealte Tradition nicht fort. Sie machten Jagd auf die Vikunjas und vergifteten auch deren Wasserstellen.

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Erst töten sie die Tiere in grosser Zahl, um Weideland für ihr Vieh zu gewinnen und etwas später auch wegen ihres Felles. Zur Zeit der Inka lebten rund 1,5 Millionen Vikunjas in den Anden, durch die starke Bejagung ging ihre Zahl bis 1965 auf 6000 zurück. Dank dem, dass die Tiere unter Artenschutz gestellt wurden, konnte ihr Bestand bis im Jahr 2000 wieder auf über 100 000 Tiere anwachsen. Für das traditionelle Scheren, «Chaku» oder auch «Chaccu» genannt, werden in Peru noch immer alle zwei Jahre die Vikunjaherden in einer Zeremonie zusammengetrieben, um ihre Wolle zu gewinnen.

Guanakos werden auch heute noch, aus den gleichen Gründen wie die Vikunjas, gejagt. Es ist zwar nur ein kleiner Prozentanteil des ursprünglichen Tierbestandes, doch heute gibt es noch über eine Million Guanakos. Deren Bestand ist also nicht gefährdet und momentan auch wieder am Zunehmen.

Alle vier auf einen Streich

Um noch mehr Nutzen aus den Andenkamelen ziehen zu können, wurden beide Wildformen, also die Guanakos und die Vikunjas, domestiziert. Alpakas etwa vor 6000 Jahren, vor allem zur Wollgewinnung, und Lamas vor rund 5000 Jahren, um als Lastenträger zu dienen. Lamas und Alpakas sind auch als Fleischlieferanten beliebt. In Peru, wo sich 80 Prozent der gesamten Alpakapopulation befindet, steht ihr Fleisch auf der Speisekarte in fast jedem Restaurant. Lange dachte man, dass das Lama und das Alpaka die domestizierten Formen des Guanakos seien. Heute ist aber erforscht, dass die Alpakas von Vikunjas abstammen.

Wer alle vier Kamele der Anden in echt sehen möchte, dem bietet sich ein Ausflug in den Zoo Zürich an. Auch in freier Wildbahn gibt es die Möglichkeit, Alpakas,Lamas, Guanakos und Vikunjas in einem Gebiet zu Gesicht zu bekommen. Dazu ist jedoch eine etwas weitere Reise nötig. Die besten Chancen dafür hat man nämlich im «Salinas y Aguada Blanca National Reserve» in Peru. Lamas und Alpakas tragen dort übrigens viele bunte Wollquasten in den Ohren. Diese dienen dazu, die auf weiten Gebieten verteilten Tiere ihren jeweiligen Besitzern zuordnen zu können.