Raymond Spiess ist schon seit vielen Jahren Gärtner. Seit ziemlich genau zwei Jahren ist er ein grosser Fan von Bienen, genauer gesagt von Wildbienen. An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil machte Spiess eine Weiterbildung zur Lebensweise und den Bedürfnissen von Wildbienen. Davon gibt es in der Schweiz immerhin mehr als 600 verschiedene Arten. Einige Wildbienen sind gelb-schwarz gebändert wie die Honigbienen, andere sind rot, schwarz, braun, weiss gefleckt, blau- oder grün schimmernd, pelzig oder auch unbehaart. Es gibt sogenannte Solitärbienen, die alleine leben, und sozial lebende Arten, die ganze Gangsysteme mit verzweigten Netzen in den Boden graben.

Wohnungsnot bei Maja & Co

Doch an vielen Orten der Schweiz haben Wildbienen dazu keine Gelegenheit mehr. Auf den intensiv bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen und in unseren aufgeräumten Gärten haben die eifrigen Bestäuber einen schweren Stand. 45 Prozent der Wildbienenarten gelten als bedroht. Vor allem, weil ihr Lebensraum grösstenteils verschwunden ist. Inzwischen ist es zwar Mode geworden, Bienenhotels im Garten oder auf dem Balkon zu platzieren. Doch vielen Wildbienenarten ist damit nicht geholfen.

Naturgärtner Spiess weiss dank seiner Weiterbildung, dass mehr als die Hälfte der Wildbienenarten ihre Nisthöhlen im Boden gräbt, zumeist im Sand oder einem lockeren Sand-Kies- oder Sand-Lehm-Gemisch. «Zudem nützt ein Hotel wenig, wenn die Bienen weit und breit kein Futter finden», ergänzt Gärtnerkollege Raphael Sinzig. Ein Teil von Spiess’ Weiterbildung an der ZHAW bestand darin, auf seinem Balkon Gewächse zu pflanzen, von denen sich Wildbienen gerne ernähren, und auch zu beobachten, welche Arten sich davon anlocken liessen. Nicht alle Pflanzen bekamen von den Wildbienen Besuch, bei anderen klappte es sehr gut.

Heute gibt Spiess alles, um für bedrohte Wildbienen Nahrungspflanzen, Nistplätze und Überwinterungsmöglichkeiten zu schaffen. Im Auftrag der Zürcher Universität konnte die Gartenbaugenossenschaft Zürich (GGZ) im weitläufigen Gelände des Irchelparks ein Bienenhabitat anlegen, in dem Wildbienen zugleich Nahrung finden und Gänge für sich und ihre Brut anlegen können. Auch Baugenossenschaften und Immobilienfirmen seien heute sensibilisiert für die Bedürfnisse heimischer Insekten und anderer Kleintiere, so Sinzig. So bekommt die GGZ immer öfter den Auftrag, anstelle monotoner Rasenflächen naturnahe Gärten anzulegen. «Nicht ohne Grund ist die Biodiversität im Siedlungsgebiet oft höher als auf reinem Landwirtschaftsland», so Sinzig.

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Das ultimative Bienen-Resort

Im Universitätspark finden die Wildbienen zwischen Steinen und Steinplatten Unterschlupf und können in den Sand- und Kiesflächen ihre Gänge graben. Werden solche Biotope nicht eigens für sie angelegt, finden die Bestäuber solche Bedingungen allenfalls noch auf Ruderalflächen oder in Kiesgruben. Sehr beliebt sind bei bestimmten Wildbienenarten auch Trockenmauern, bei denen die Zwischenräume im hinteren Teil mit Sand gefüllt sind. Und andere Wildbienen graben ihre Gänge gerne in Totholz, «das nicht zu frisch und nicht zu vermodert sein sollte», so Sinzig. Im Wildbienengarten im Irchelpark haben die Gärtner nun alte Baumstrünke und dicke Äste verteilt, zum Teil sind sie halb eingegraben oder mit Sand und Erde bedeckt. «Eigentlich genügt schon ein Pflanztopf oder eine Gartenecke mit Sand, um Wildbienen im eigenen Garten anzulocken», sagt Spiess.

Staudenpflanzen vom letzten Jahr hat Raymond Spiess 20 Zentimeter oberhalb des Bodens abgeschnitten und stehen gelassen. Wenn sie hohl sind oder im Inneren ein weiches Mark haben, können auch in ihnen Wildbienen überwintern. Spiess’ Gärtnerkollege Raphael Sinzig macht private Kunden auf Möglichkeiten aufmerksam, im eigenen Garten Unterschlüpfe für Wildbienen zu schaffen oder auch zu erhalten. «Abgeschnittene Staudenstengel sollte man nicht ins Grüngut geben und der Biogasanlage überlassen», sagt Sinzig. «Man kann sie auch auf einen Haufen schichten und den Winter über liegen lassen», rät der Gärtner. Wenn Sinzig mit Kunden die Gartenpflege bespricht, merkt er schnell, wie offen sie für Naturelemente sind. Kunden, die einen perfekt aufgeräumten Garten möchten, zwingt er keine Stauden- oder Laubhaufen auf. Stösst er jedoch auf offene Ohren, rät er auch dazu, Rasenflecken mit blühenden Blumen beim Mähen stehen zu lassen oder anstelle des englischen Rasens eine Blumenwiese oder einen artenreichen Rasen anzusäen. «Das muss ja nicht auf der gesamten Fläche passieren», sagt der Fachmann. «Eine artenreiche Blumenwiese an einigen Stellen macht sicher schon einen Unterschied.»

Auf den Wildbienenhügeln im Irchelpark hat sein Kollege Raymond Spiess neben Wildstauden wie dem Blutweiderich und einem Weissdornbusch Muskatellensalbei angepflanzt. «Den mag die Schwarzblaue Holzbiene sehr gerne», weiss er. Wer das Insekt nicht kennt, kommt vielleicht gar nicht auf die Idee, dass es sich um eine Biene handelt, so anders sieht das schwarzblau schimmernde Insekt aus als unsere Honigbienen. Neben dem Muskatellensalbei blühen seit Ende April neben- und nacheinander Küchenschelle, Storchenschnabel, Strauchwicke, Schmetterlingsblume und Natternkopf. «Das sind alles Pflanzen, die Wildbienen sehr gerne haben», so Spiess. Die Futterpflanzen auf dem kleinen Areal hat er so gewählt, dass eine Pflanze nach der anderen blüht und die Bienen über mehrere Monate immer etwas zu futtern finden. Der Grossteil der Schweizer Wildbienen bedient sich bei einer Vielzahl von Pflanzen. Doch über ein Drittel von ihnen ist bei der Nektar- und Pollensuche auf bestimmte Pflanzenarten oder -gattungen angewiesen und kann nur existieren und sich auch fortpflanzen, wenn genau diese Blüten reichlich zur Verfügung stehen. Denn in den Erdgängen, in denen viele Wildbienen ihre Eier legen, deponieren sie dann so viel Pollen und Nektar, dass die Larven sich bis zur Verpuppung davon ernähren können.

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Wildbienen als wichtige Bestäuber von Obstbäumen

Viele Wildbienen machen einen wichtigen Job, wenn es um die Bestäubung von Pflanzen und insbesondere auch unserer Kulturpflanzen geht. Landwirte setzen darum bei früh blühenden Obstsorten oder einem nassen Frühling gezielt auf Wildbienen. Denn diese sind weniger zimperlich und fliegen auch aus, wenn es den Honigbienen zu nass oder zu kalt ist. Etliche Obstbauern bestellen im Frühling Nistkästen mit Larvenkokons von Wildbienen bei spezialisierten Züchtern.

Der Tägerwiler Obstbauer Timon Schwarz kümmert sich um seinen Wildbienennachwuchs inzwischen selbst. Im Herbst holt der Demeter-Bauer seine selbst gebauten Nistkästen von den Bäumen. «Sie sind so gebaut, dass ich die Wildbienenkokons herausnehmen kann», erzählt er der TierWelt. «Ich sortiere sie, befreie sie von Parasiten und lagere sie über den Winter im Kühler ein. Wenn die ersten Obstbäume zu blühen anfangen, nehme ich die Larven in die Wärme. Nach ein paar Tagen schlüpfen die jungen Bienen und fangen in meinen Obstgärten an zu arbeiten», so Schwarz.