Um süsse Afrikanische Weissbauchigel zu Gesicht zu bekommen, ist keine Reise auf den südlichen Kontinent nötig. Einerseits, weil sich auf den sozialen Medien die kleinen Igel zuhauf tummeln. Ausgestattet mit bunten Ringelsöckchen oder Mützen, fläzen sie mit der Hauskatze auf dem Bett oder reisen mit ihren Besitzerinnen an die fotogensten Feriendestinationen. Anderseits, da sie, anders als unsere einheimischen Braunbrustigel, als Haustiere gehalten werden dürfen. «Der Trend zur Igelhaltung kam aus den USA zu uns und ist seit maximal 20 Jahren zu beobachten», erklärt Ulli Runge. Runge führt den Kamelhof im thurgauischen Olmerswil. Neben Kameliden haben dort noch andere exotische Tiere ihr Zuhause, darunter auch zwei Langohrigel. Diese leben in einem grossflächigen Aussengehege mit einem gedeckten Innenbereich.

In diesem Gehege ist eine dem natürlichen Lebensraum der kleinen Wüstenbewohner nachempfundene Sandlandschaft angelegt. Da sich Ulli Runge und sein Team gut mit der Haltung von exotischen Igeln auskennen, werden immer mal wieder beschlagnahmte Tiere bei ihnen in Obhut gegeben. Und sie wurden angefragt, den obligatorischen Sachkundenachweiskurs für die Haltung exotischer Igel und Tanreks anzubieten. Als Einziger in der Schweiz führt Ulli Runge nun seit drei Jahren die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen für alle Igelhalter vorgeschriebenen Tageskurse durch.

Abraten und aufklären

Bisher habe er den Kurs viermal abgehalten, mit jeweils rund fünf Teilnehmenden. Die Igelkurse stiessen auf weit weniger Interesse als die Kurse zur Haltung von Frettchen, die er ebenfalls anbietet. Darüber sei er allerdings nicht unglücklich – im Gegenteil: «Meldet sich ein Kursinteressent bei mir, rate ich ihm als Erstes, sich besser eine Katze als einen Igel anzuschaffen», sagt der Experte. Denn Igel seien absolut ungeeignet zur Haltung als Haustier. Fördern will er die Heimtierhaltung dieser Tiere keinesfalls, lieber möchte er den Wunsch bei potenziellen Igelbesitzerinnen direkt im Keim ersticken.

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Wieso ist es eine so schlechte Idee, sich einen Afrikanischen Weissbauchigel anzuschaffen? Putzig sind die Kerlchen ja durchaus, und mit den lustigen Grimmassen, die sie schneiden, verbreiten sie sofort gute Laune. «Igel sind extreme Bewegungstiere, pro Nacht legen sie in der freien Wildbahn bis zu zehn Kilometer zurück. Diesem Laufbedürfnis kann in einem Terrarium niemals genügend Raum gegeben werden», weiss Runge. Als Folge des eingeschränkten Laufbedürfnisses entwickeln sich oft Stereotypien, wie beispielsweise das unablässige Hin-und-her-Laufen oder das Abgehen der immer gleichen Strecke. Auch Laufräder entschärfen dieses Problem nicht wirklich, denn meist haben sie den falschen Boden, sodass sich die Igel ihre Füsschen regelrecht wund laufen. Dies käme in der freien Wildbahn nicht vor, denn dort würden sich die exotischen Igel ja hauptsächlich auf Sand fortbewegen. Dieses grosse Laufbedürfnis legt sich übrigens auch bei in Gefangenschaft gezogenen Nachzuchten nicht.

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Problematische Haltung und Herkunft

Dadurch, dass Igel Insekten, Würmer und Eier von Bodenbrütern und Jungtiere von Kleinsäugern fressen, stellt auch die artgerechte Fütterung eine ziemliche Herausforderung dar. Haben die Igel Futterinsekten zur Verfügung, wird zusätzlich gereichtes Igelfutter kaum angerührt, weiss Ulli Runge. Und Katzenfutter sei auf Dauer auch nicht besonders geeignet für die Igelfütterung. Auch Samuel Furrer vom Schweizer Tierschutz (STS) rät dringend davon ab, sich einen Igel als Haustier anzuschaffen. Als zusätzliche Begründung führt er auf, dass Igel nachtaktiv sind, am Tag bekommt man sie also kaum zu Gesicht. Dadurch und auch wegen ihrer Stacheln sind sie als Streicheltiere, wie es sich viele Kinder wünschen, vollkommen ungeeignet. Zum Kuscheln sind Igel auch deshalb nicht ideal, weil bei ihnen in Gefangenschaft oft ein spezifischer Hautpilz (Trichophyton) ausbricht, der sehr rasch auf Menschen übertragbar ist. Nicht bei guter Gesundheit sind die meisten der gezüchteten Igel auch, weil die beliebten Farbvarianten durch gezielte und intensive Inzuchten entstehen, was zu schwerwiegenden Krankheiten führt. «Igel sterben in Gefangenschaft meist frühzeitig», so Ulli Runge.

Problematisch kann es auch werden, wenn Igel, die Einzelgänger sind, mit Artgenossen gemeinsam in einem Gehege gehalten werden. Wird ein Weibchen mit Jungtieren nicht vom Männchen getrennt, kann es sogar dazu kommen, dass der Vater seine eigenen Jungtiere auffrisst. Was zu grossem Entsetzen führen kann. Das Image vom putzigen Stacheltierchen stimmt dann plötzlich nicht mehr so gut mit der Realität überein.

«Meldet sich ein Kursinteressent bei mir, rate ich ihm als Erstes, sich besser eine Katze als einen Igel anzuschaffen.»

Woher bekommen Igelfans Afrikanische Weissbauchigel, die sie bei sich zu Hause halten möchten? Ein Blick in die Schweizer Zoofachgeschäfte zeigt nämlich, dass dort keine Igel angeboten werden. «Die allermeisten Igel werden aus dem Ausland importiert, meist aus Zuchten in Deutschland», erklärt der Experte aus dem Thurgau. Exotische Igel stehen nicht auf der Artenschutzliste (Cites), deshalb ist eine Einfuhr mit verhältnismässig geringem Aufwand möglich. Bei den Tanreks, das sind auf Madagaskar lebende Säugetiere mit Stacheln, die mit dem Igel jedoch nicht verwandt sind, sieht es etwas anders aus. In der Schweiz gibt es einige Tanrek-Zuchten. Oft seien es Terrarianer, die sich für die Tiere interessierten. Diese würden meist über eine angemessene Ausstattung, ein profundes Wissen sowie Interesse verfügen, sodass in einem solchen Rahmen eine Heimtierhaltung noch am ehesten vertretbar sei, meint Runge.

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Auch hier käme es jedoch vor, dass die Halter mit den Tieren überfordert seien und diese dann aussetzen würden. Denn bei den Tanreks sind die Ansprüche an die Wärmeregulierung sehr hoch. «Selbst in der Masoala-Halle des Zürcher Zoos wurden von Privatleuten verbotener-weise schon Tanreks ausgesetzt», verrät Runge. Bei den Weissbauchigeln handelt es sich selten um Terrarienerfahrene, die den Kurs besuchen, um sich einen Igel halten zu können, verrät der Experte. Vorwiegend sind es junge Frauen, die durch die Bilder auf den sozialen Medien den Narren an diesen Tieren gefressen haben und sich nun selbst einen Igel zulegen wollen. Samuel Furrer vom STS vertritt hierzu eine klare Meinung: «All die süssen Igelfotos, für die die Igel vermenschlicht und verkleidet werden, müssen als tierquälerisch bezeichnet werden.

Gleichzeitig verletzen sie klar die Würde der Tiere.» Für solche Fotoshootings bekommt Ulli Runge immer wieder Anfragen. Seine Igel stellt er dafür jedoch nicht zur Verfügung. Er möchte nicht, dass sie in einem unnatürlichen Kontext präsentiert werden. Weissbauch-igel sind nicht nur für Fotos, sondern auch für Werbespots beliebt, wie der aktuelle Reklamefilm der Mobiliar-Versicherung zeigt, wo ein Afrikanischer Weissbauchigel über eine nächtliche Schweizer Strasse spaziert.