Zu Besuch bei «Apiline»
Wie entsteht Bienenwachs und wie wird es verarbeitet?
Bienenwachs ist ein vielseitiger Rohstoff, der sowohl in der Honigproduktion als auch in der Pharmazie und Lebensmittelherstellung verwendet wird. Aber warum ist das Wachs so wertvoll und wie wird es produziert? Ein Einblick in den Imkereibedarfsladen Apiline in Erlenbach im Simmental.
Bernhard Kohli dreht den Hahn auf. Wie flüssiges Gold fliesst das heisse Wachs aus dem metallenen Zylinder. Es verschwindet hinter eine Walze und kommt darunter als Wachsplatte mit Wabenmusterung wieder heraus, fest und dunkelgelb. So entstehen im der Firma Apiline von Kohli in Erlenbach im Simmental täglich 150 bis 200 Kilogramm Mittelwände für Imkerinnen und Imker und deren Bienenvölker. Bei ihm schliesst sich der Kreislauf des teuren Rohstoffs: Nachdem die Platten den emsigen Bienen als Fundament für ihr Zuhause gedient haben, kehren sie wieder hierhin zurück und verwandeln sich in neue Platten.
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Schweizer Bienenwachs ist ein beliebter, aber rarer Rohstoff. Sein Kilopreis beginnt bei rund 25 Franken und ist damit fast gleich teuer wie der Honig, der darin entsteht. Es steckt die Arbeit Hunderttausender Bienen dahinter: Für ein Kilogramm reinen Wachs müssen etwa 150 000 Bienen «schwitzen». Wortwörtlich. Arbeiterbienen haben nämlich acht Wachsdrüsen an ihrem Hinterleib, in denen sie das Wachs bilden. Es ist zunächst durchsichtig und weich, damit die Bienen es mit ihren Mandibeln zu Waben formen können. Sobald es erhärtet, wird es aber schneeweiss. Die gelbe Farbe erhält das Wachs erst mit der Zeit durch die Farbstoffe des Blütenstaubs.
Das meiste Wachs produzieren die Insekten im nektarreichen Frühling, wenn ihr Volk wächst und Brutplätze sowie Raum für Vorrat braucht. Diesen Job übernehmen 2 bis 18 Tage alte Arbeiterbienen, deren Drüsen sich gut ausgebildet haben. Sie verwandeln den Zucker des Nektars und das Protein der Blütenpollen in den wertvollen Werkstoff. Später verkümmern ihre Drüsen und werden nur in Notfällen reaktiviert.
Damit die Tiere nicht zu viel Energie für den Wabenbau aufwenden und sich mehr der Honigproduktion widmen können, verwenden Imker die sogenannten Mittelwände in ihren Bienenkästen: Diese haben ein vorgeprägtes Wabenmuster und nehmen den Bienen einige Arbeitsschritte ab. Etwa alle drei Jahre muss der Imker die Waben wieder austauschen, entsorgen oder einschmelzen lassen und wiederverwenden. Grössere Imkereien haben die Geräte dafür bereits in der eigenen Produktion.
Verunreinigungen sind gefährlich
Im Imkereibedarfsladen «Apiline» von Bernhard Kohli liegen mehrere Kisten mit alten, gebrauchten Waben herum. Sie sind braun bis dunkelbraun und haben den Bienen oft schon mehrere Jahre als Brutstätte gedient. In dieser Zeit konnten sich Fremdstoffe im Wachs anreichern und die Qualität des Rohstoffs mindern und es verfärben. Das ist aber kein Problem für Kohli. Der ehemalige Schreiner aus Zweisimmen arbeitet seit mehr als 35 Jahren mit Bienenwachs und hat in der ganzen Schweiz Kunden, die ihm den wertvollen Rohstoff anvertrauen. Sie bringen ihm die alten Waben vorbei und er schmeisst sie in eine Maschine, die das Wachs bei rund 70 Grad zuerst zum Schmelzen bringt. Dabei trennt sich die Verunreinigung vom Rest und sinkt zu Boden. Anschliessend heizt das Gerät das Wachs auf über 120 bis 125 Grad auf und sterilisiert es. Übrig bleibt ein Eimer voll mit einer dicken dunkelgelben Masse und ein grosser Block strahlend gelbes Bienenwachs.
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Nebst den optischen Verunreinigungen können sich in Waben auch andere Rückstände anreichern. Dazu zählen nicht nur fettlösliche Schadstoffe aus der Umwelt, sondern auch ätherische Öle oder synthetische Medikamente zur Bekämpfung der Varroamilbe. Ab einer gewissen Konzentration können diese Stoffe die Bienengesundheit beeinträchtigen und auch in den Honig übergehen, erklärt Bienenexpertin Isabelle Bandi von der Fachstelle Bienen des Kantons Bern. «Dank dem langjährigen Wachsmonitoring des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope und der Sensibilisierung der Imkerschaft, keine rückstandsbildenden Stoffe mehr einzusetzen, konnte die Qualität des Schweizer Wachses in den letzten Jahren auf ein gutes Niveau angehoben werden.»
Bandi empfiehlt daher, Mittelwände bei einem Imkergeschäft einzukaufen, das wie Apiline beim Wachsmonitoring mitmacht. Von Billigwachs aus dem Ausland rät sie dringend ab. Dieses berge nicht nur das Risiko von Rückständen, sondern auch die Gefahr, mit Stoffen wie Paraffin verfälscht worden zu sein. «Da Paraffin einen tieferen Schmelzpunkt hat als Wachs, kann der Wabenbau im Bienenvolk zusammenbrechen.»
Wenn das Wachs in der Pharmazie zum Einsatz kommt, muss es besonders rein sein. Schliesslich wird es etwa als Bestandteil von Salben auf die Haut aufgetragen oder als Überzugsmittel von Tabletten eingenommen. Auch die Lebensmittelindustrie nutzt reines Wachs als Überzugs- oder Trennmittel für Bonbons oder Süssigkeiten wie Smarties. Gekennzeichnet ist es dann mit der Zusatzstoff-Nummer E901. Wirklich gutes Wachs ist also rückstandsfrei – und rar. Bei Billigwaren aus dem Ausland ist Vorsicht geboten.
Nicht alles ist heimisches Wachs
Wie ein überdimensionales Lasagne-Blatt liegt das glatte Wachs auf einer Walze in der Ecke der Firma von Bernhard Kohli. Dahinter ein Stapel des Rohstoffs, in grosse Rollen geformt. Diese werden gewalzt, erklärt der Fachmann. Wie Teigwaren wird die Wachsrolle durch eine Walze gelassen und erhält so das Wabenmuster auf der Ober- und Unterseite. Die gewalzten Mittelwände sind etwas dicker und stabiler als die gegossenen – aber welche man nimmt, sei Geschmackssache.
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Das treffe auch auf die Auswahl des Wachses zu: Manche Imker schwören auf ihr eigenes Wachs, auch wenn es objektiv gesehen qualitativ nicht mehr das Beste wäre. Anderen sei es egal, ob noch anderes Wachs in ihren Mittelwänden ist, sie bringen ihre gebrauchten Waben und kaufen neue Mittelwände ein. Wieder andere holen frische Mittelwände, bringen aber ihre alten Waben nicht – das treibe den Preis in die Höhe, weil die Nachfrage grösser wird als das Angebot, so Kohli. «Wachs ist teurer geworden.» Bis zu fünf Franken mehr im Einkauf als noch in den 90er Jahren.
Immerhin sei das Wachs in dieser Zeit reiner geworden. «In den letzten 20 Jahren haben die Rückstände immer mehr abgenommen, weil keine synthetischen Stoffe mehr eingesetzt werden», sagt Kohli. Mittelwände aus Schweizer Bio-Wachs kann er dennoch nicht anbieten. Der Aufwand, dieses zu zertifizieren und dementsprechend zu verarbeiten wäre gross für seinen kleinen Betrieb. Für manche Kunden aber importiert er bereits zertifiziertes Bio-Wachs aus Deutschland und verarbeitet dieses zu Mittelwänden. Aus dem nördlichen Nachbarland stammen oft auch Wachspastillen, die für Salben verwendet werden. Und weisse Pastillen seien etwa nicht reiner, sondern einfach gebleicht. Wer sich nicht auskennt, der fragt am besten einen Imker oder gleich den erfahrenen Fachmann Bernhard Kohli.
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