Ausgerechnet im Dachgeschoss sind sie zu finden, Zürichs wichtigste Würmer. Kompostwürmer sind es, und zu ihnen schaut Erich Fässler. Der Umweltingenieur ist Gründungsmitglied der jungen Firma «WormUp». Er steht vor einem Turm aus gestapelten Tonringen und schaut auf seine Arbeitskräfte, die sich durch eine Schicht Rüstabfälle winden.  

Eisenia fetida heisst die Regenwurmart, die in Fässlers Komposter für Betrieb sorgt. Stinkwurm. Mistwurm. Oder eben Kompostwurm. Die Tiere darin verarbeiten rund ein Kilogramm organische Abfälle pro Woche. Der Wurmexperte nimmt ein Stück Karottenschale in die Finger und erklärt: «Den ersten Schritt übernehmen Mikroorganismen. Die greifen die Rüeblischale an, sodass sich darauf ein Schleim bildet.» Ein Prozess, der sowieso passiert, ob mit oder ohne Würmer. Im grünen Kompostkübel aus Plastik wäre jetzt der Moment gekommen, wo die Brühe anfängt zu stinken. Nicht aber im Wurmkomposter: «Die Würmer saugen diesen Schleim auf und verarbeiten ihn zu Humus.» Das Kompostieren, so Fässler, werde dadurch geruchsneutral. 

Kompostieren mithilfe von Regenwürmern, das ist nichts Neues. Wer einen Garten hat und seine Küchenabfälle dort in einem Holzgestell entsorgt, muss sich meist gar nicht um die fleissigen Helfer kümmern; sie kommen von allein und kümmern sich um Salat, Gurken und Co. «Rund 70 Prozent der Menschen haben aber keinen eigenen Garten», sagt der Umweltingenieur. Höchstens einen Balkon, oder nicht einmal das. 

Gerade Menschen in der Stadt müssen oft einen grossen Aufwand betreiben, um ihre Essensreste sinnvoll zu entsorgen. Und so verwundert es nicht, dass ein Grossteil der Küchenabfälle einfach im Abfallkübel landet. 30 bis 50 Prozent des Abfalls, so Fässler, sei organisch. «Wir werfen einfach Nährstoffe weg. Das ist, als würde jemand im Wald alle Blätter vom Boden auflesen und in den Fluss werfen.» 

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Umweltingenieur Erich Fässler ist einer der Köpfe hinter
der Firma «WormUp».
  Bild: Adrian Baer

Um dieses Problem anzupacken, hat das «WormUp»-Team den Wurmkomposter entwickelt. Ein System, an dem Fässler auf seinem Balkon schon lange herumtüftelt. «Ich habe viel Verschiedenes ausprobiert. Jutesäcke, alte Blumenerde-Säcke, einen Kübel mit Holzdeckel.» Alles Systeme, die irgendwie funktioniert hätten. «Jetzt habe ich auf dem Balkon richtig schön schwarze, krümelige Erde», sagt Fässler, «und unglaublich gute und grosse Tomaten. In so kleinen Töpfen», sagt er und deutet mit dem Zeigefinger ein Zwanzig-Zentimeter-Töpfchen an. Und Bioabfälle musste er auch nicht mehr entsorgen.

Es riecht nicht nach Moder
Der Umweltingenieur brachte also das Know-how in die Firma. Was fehlte, war der Stil. Denn Wurmkomposter gab es schon vor «WormUp» zu kaufen, nur sind diese Plastikmodelle zwar alle zweckmässig, sehen aber nicht so aus, als möchte sie jemand auf seinem Balkon – oder gar in der Wohnung – stehen haben.

Der fertig durchdesignte Wurmkomposter erinnert an diese Dörrex-Maschinen, in denen Apfelschnitze getrocknet werden. Nur ist er aus Ton. Atmungsaktiv, präzisiert Erich Fässler und sprüht einen Wasserspritzer auf den Aussenring, um zu demonstrieren, wie schnell das Wasser einzieht. Im Moment ist nur das unterste Stockwerk gefüllt. «Rund 1000 Würmer sind da drin», sagt Fässler. Eine Zahl, die viel zu hoch erscheint, dafür, dass der Tonring gerade einmal einen Durchmesser von 40 Zentimetern hat.

Fässler streckt seine Hand in die Kompostschicht, gräbt sich unter die losen Salatblätter und Gemüsereste, bis er zur dunklen Humusschicht vordringt. Wurmkot, der ideale Dünger. Er riecht nicht nach Moder, sondern höchstens leicht nach Tropenhaus. Fässler wühlt darin und zieht eine randvolle Handvoll ineinandergeschlungene Würmer heraus. Die Zahl 1000 scheint auf einmal plausibel. «Die haben nicht gerne Licht», sagt der Experte, «deshalb verstecken sie sich da unten.»

Aller Anfang ist schwer
Ein paar Hundert Exemplare des Wurmkomposters hat «WormUp» bereits verkauft. Das junge Unternehmen kann gar nicht schnell genug produzieren, die Warteliste ist lang, das Interesse gross. Dementsprechend will die Firma auch «organisch wachsen», wie es Fässler ausdrückt. Die Komposter werden in Handarbeit extern hergestellt, das dauert, die Würmer kommen aus einer Zucht. 500 Gramm davon werden pro Komposter mitgeliefert, rund 350 Franken kostet das Gesamtpaket. 

Die Würmer vermehren sich von selbst, bis kein Platz für mehr da ist, dann stellen sie die Fortpflanzung von alleine ein. Ganz idiotensicher sei der Wurmkomposter allerdings nicht: «Das fiese ist, dass die Anfangsphase die schwierigste ist.» Man darf den Würmern nicht zu wenig verfüttern, aber auch nicht zu viel. Sie brauchen regelmässig Feuchtigkeit. Zu viel Hitze ist schädlich, Frost sowieso. «Es ist wie eine Pflanze, die kann dir auch absterben, wenn du nicht zu ihr schaust.»

Ist das System einmal am Laufen, so Fässler, ist es stabil. Dann füllt sich der Komposter ganz langsam. Aus zehn Zentimeter Küchenabfällen wird ein Zentimeter Naturdünger. Ist das erste Tonelement voll, kommt ein Gitter darauf, durch das die Würmer auf die nächsthöhere Ebene klettern können. Nach ein paar Monaten kann der Wurmhumus «geerntet» werden und dient bald als Nährboden für vielleicht genauso tolle Balkontomaten wie diejenigen von Erich Fässler.