Die Landwirtschaft leidet unter dem Klimawandel – unter trockenen Sommern, neu einwandernden Schädlingen, starken Niederschlägen und Bodenverlust durch Erosion –, trägt aber auch dazu bei. Das ist Gabi und Beat Schürch bewusst, die in der Nähe von Burgdorf BE einen Hof mit Milchvieh und Ackerbau bewirtschaften. 2016 haben sie sich für eine Biogasanlage entschieden. Damit produzieren sie Strom und Wärme – und reduzieren die Treibhausgasemissionen ihres Betriebs. 

Das Treibhaus der Erde
Menschliche Tätigkeiten produzieren CO2, Methan und Lachgas. Diese Gase speichern in der Atmosphäre die Wärme, die von der Erde abstrahlt. Dieser «Treibhauseffekt» ist natürlich; dank ihm können wir auf der Erde überhaupt leben. 

Das Problem: Unsere Lebensweise produziert sehr grosse Mengen dieser Treibhausgase, die unser Klima aufheizen. Deshalb sprechen wir vom Klimawandel. 

In der Landwirtschaft fallen die meisten Treibhausgasemissionen in der Tierhaltung an. Sie entstehen im Magen von Tieren und bei der Hofdüngerlagerung. Genau hier setzt die Biogas-Idee an. Hofdünger werden in einem abgedichteten Raum gelagert, die Gase können nicht in die Luft entweichen, sondern werden in einem Blockheizkraftwerk in Energie und Wärme umgewandelt.

Familienhof SchürchGabi und Beat Schürch bewirtschaften in Bütikofen BE 33 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind 20 Hektaren Grünland, auf dem Rest bauen sie Futterweizen, Weizen, Dinkel und Mais an. Im Stall stehen 35 Milchkühe mit Aufzucht. Die landwirtschaftliche Kleinbiogasanlage produziert 16 kW elektrisch und 35 kW thermisch. Neben dem Betriebsleiterpaar arbeiten auf dem Betrieb eine Lernende sowie ein Angestellter zu 40 Prozent.

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Wärme und Strom aus Mist und Gülle
Auf dem Betrieb von Gabi und Beat Schürch fehlen allerdings die charakteristischen grossen schwarzen Halbkugeln. Der Grund: Sie haben eine sogenannte Kleinbiogasanlage. Der Landwirt Niklaus Hari hat sie entwickelt – auf seinem Betrieb in Reichenbach im Kandertal läuft die erste solche Anlage seit 1986. Der Vorteil: Sie ist dank der Unterstützung des Bundes bereits ab rund 15 Kühen wirtschaftlich und kann mit dem Hofdünger von nur einem Hof betrieben werden. 

Strom verkaufen und Häuser heizen
Jeden Morgen mischt Beat Schürch Mist, Gülle und etwas Kaffeesatz mit Wasser in einem unterirdischen Tank. Der hohe Energiegehalt des Kaffeesatzes steigert die Energie- und Wärmeausbeute. Diese Mischung wird täglich viermal automatisch in die Anlage geschoben. «Wichtig ist, dass die Mischung nicht zu viel Wasser, aber auch nicht zu wenig enthält», erklärt Beat Schürch. Zwar zerkleinert die Pumpe gröberes Material wie Strohhalme; dennoch kann sie verstopfen, wenn die Mischung zu wenig flüssig ist. Auch die eigentliche Biogasanlage, der Fermenter, ist unterirdisch. Zu sehen ist nur eine Betonplatte, auf der Siloballen liegen. Das Gas wird in einem grossen, rechteckigen Sack gelagert. Wenn das Gas den Sack über ein gewisses Niveau aufbläht, schaltet sich das Blockheizkraftwerk ein. Es verwandelt das Gas in Energie und speist diese ins Stromnetz ein. Gleichzeitig entsteht Wärme, mit der Schürchs drei Häuser heizen. Im Winter reiche die Wärme nicht ganz, räumt Beat Schürch ein, bei Temperaturen unter null Grad müssten sie mit der alten Stückgutheizung etwas unterstützen. 

Wärme entsteht aber auch im Sommer. Zwar etwas weniger als im Winter, weil Schürchs Kühe so viel wie möglich auf der Weide sind und deshalb weniger Hofdünger im Stall anfällt. Seit letztem Sommer trocknen Schürchs mit dieser Wärme nun das Brennholz aus dem eigenen Wald. 

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Kein Selbstläufer
Schürchs haben die Biogasanlage gut in ihren Betrieb integriert. Man müsse sich aber bewusst sein, dass die Anlage Betreuung benötige. «Sie kommt mir vor wie ein neues Tier», sagt Gabi Schürch, «sie hat Ansprüche an die Zusammensetzung und Konsistenz der Fütterung und an die Temperatur.» Insgesamt sei der Aufwand aber überschaubar, ergänzt Beat Schürch. Zu Beginn müsse man mehr Zeit investieren, aber Niklaus Hari und der Anlagenbauer seien bei Fragen stets erreichbar gewesen. 

Rund eine Stunde ist Beat Schürch pro Tag mit der Anlage beschäftigt. Dazu gehöre das Bereitmachen der Mischung, Kontrolle und kleine Instandhaltungsarbeiten wie Ölwechsel beim Motor. «Die Biogasanlage ist aber keine Chefsache, nach einer Einführung kann das auch die Lernende übernehmen», betont der Landwirt.

Im Durchschnitt komme es bei ihnen zwei- bis dreimal pro Jahr zu einem grösseren Problem. «Einmal sind zum Beispiel Seile in der Gülle gelandet, die sich im Rührwerk verheddert haben», sagt Beat Schürch. Daneben kann es zu Fehlgärungen kommen. Die meisten Probleme könne man jedoch mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit vermeiden. 

Vorteile bei der Düngung
Neben Strom und Wärme hat die Biogasanlage auch Vorteile bei der Düngung. Biogasgülle ist ein flüssiger Hofdünger mit einer einheitlichen Konsistenz. Mit dem Schleppschlauchverteiler lasse sie sich sehr gut ausbringen, sagt Beat Schürch. Die Pflanzen können den enthaltenen Stickstoff besser aufnehmen als von gewöhnlicher Gülle, weil er in gebundener Form vorliege. Ein weiterer Pluspunkt sei: Die Gülle rieche kaum, was gerade auf Feldern in Siedlungsnähe ein enormer Vorteil sei. 

Die Landwirtschaft ist Teil der LösungGemäss dem Treibhausgasinventar (2019) beträgt der Anteil der Treibhausgasemissionen in der Schweizer Landwirtschaft 14 %. Damit hat sie nach dem Verkehr (32,4 %), der Industrie (24,3 %) und den Gebäuden (24,2 %) den vierthöchsten Ausstoss. Von den Emissionen in der Landwirtschaft entfällt ungefähr die Hälfte auf Methan, was hauptsächlich in der Tierhaltung und bei der Hofdüngerlagerung entsteht. Etwa 30 % ist Lachgas, der Rest Kohlendioxid, hauptsächlich aus Treibstoffen. Die gute Nachricht ist, dass die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft gegenüber 1990 um 14 % abgenommen haben.  

Allerdings sind die biologischen Prozesse im Boden und im Pansen der Wiederkäuer sehr komplex. Daher werden Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft nie komplett verschwinden. Sie sind auch nicht einfach zu verringern – zum Beispiel die Emissionen in der Tierhaltung sind räumlich sehr verteilt. Jeder einzelne Landwirtschaftsbetrieb muss sich anstrengen. Wichtig ist, Emissionen bei gleichbleibender Nahrungsmittelproduktion im Inland zu verringern; mehr Importe bedeutet nur, dass sie ins Ausland verlagert werden. Zielkonflikte erschweren ausserdem die Reduktion, zum Beispiel sind Laufställe gut fürs Tierwohl, aber schlecht fürs Klima. Zu den Massnahmen mit nachweisbarem Potenzial gehören die Erhöhung der Lebensleistung von Milch- und Mutterkühen, methanhemmende Futterzusätze, nitrifikationshemmende Düngerzusätze, präzise Düngung und Biogasanlagen.

Weitere Infos: www.oekostromschweiz.ch

Silberstreifen am politischen Horizont 
Biogasanlagen sind ein Gewinn für Klima und Betriebe. Allerdings sind die Investitions- und Betriebskosten hoch. Deshalb ist die Unterstützung des Bundes zwingend nötig. Schürchs schafften es noch ins Programm kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Wer heute eine Anlage baut und sich rechtzeitig angemeldet hat, kommt ins nahtlos daran anschliessende Einspeisevergütungssystem (EVS). Damit wird ein Teil des Strompreises über den Markt abgegolten, die Differenz zahlt der Bund. Ab 2023 wird es Investitionsbeiträge und voraussichtlich auch Betriebskostenbeiträge geben. 

Aktuell sind in der Schweiz 112 landwirtschaftliche Biogasanlagen in Betrieb, davon rund zehn Kleinstanlagen wie jene von Schürchs. Fabienne Thomas von Oekostrom Schweiz, dem Verband der landwirtschaftlichen Biogasanlagen, sähe gerne mehr Biogas auf den Betrieben. «Aktuell werden nur vier Prozent des Schweizer Hofdüngers in einer Biogasanlage genutzt. Würde dieser Anteil auf zwanzig Prozent steigen, könnten wir das Klimaziel 2030 für die Landwirtschaft erreichen», sagt sie. 

Schürchs sind zufrieden.«Wir würden jederzeit wieder in eine Biogasanlage investieren», sind sie sich einig. Oekostrom Schweiz unterstützt die Bemühungen beratend. Auf dass mehr und mehr Betriebe ihre Hofdünger in solchen Anlagen zu Strom und Wärme verwerten und dabei Treibhausgasemissionen reduzieren. 

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