Tierwelt: Herr Werlen, letzte Woche teilten Sie mit, dass Schnee und Unwetter dieses Jahr in der Stadt Zürich Baumschäden von 3,9 Millionen Franken verursacht haben. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die letzten zehn Monate zurück?
Marc Werlen: Mit sehr bedrückten. Dass gestandene Männer und Frauen aus unserer Abteilung, die angesichts der Verwüstungen Tränen in den Augen hatten, werde ich nicht so schnell vergessen. Was sie über Jahre aufgebaut und gepflegt hatten, wurde innert kurzer Zeit von Unwettern zerstört. So etwas ist natürlich immer demotivierend.  

Was geschieht mit dem Holz der vielen zerstörten Bäume?
Man muss zwischen Strassenbäumen und Waldbäumen unterscheiden. Das Holz der kaputten Strassenbäume wird jeweils zu Holzschnitzeln verarbeitet und dient der Energieerzeugung. Abnehmer sind unter anderem das Heizkraftwerk Aubrugg und die städtischen Spitäler mit ihren Bettenhäusern. Im Wald gibt es mehr intakte Stämme. Diese lassen sich im Baugewerbe einsetzen oder bei der Herstellung von Möbeln. Wir räumen im Wald aber nicht alles weg, sondern lassen für Kleintiere auch mal Holzhaufen liegen. 

Nach welchen Kriterien forsten Sie auf?
Im Wald setzen wir auf eine Verjüngung der Natur. Die stärksten jungen Bäume sollen natürlich aufwachsen. Punktuell werden auch mal Bäume gepflanzt, und zwar solche, die mit dem zu erwartenden Klima besser zurechtkommen. 

Und die Stadtbäume?
Die haben es von Natur aus schwerer. Sie sind gestresst. Ein Strassenbaum wächst quasi in einer Art Blumentopf, und ein Parkbaum hat da und dort auf einem schlechten Untergrund. Die verlorenen Bäume ersetzen wir. Und zwar nicht nur diejenigen, die durch die Unwetter beschädigt wurden, sondern generell auch diejenigen, die von ihrer Vitalität her einfach nicht weiter kommen. An ihrer Stelle pflanzen wir junge Bäume, sie kommen am neuen Standort besser zurecht. Bei der Auswahl achten wir darauf, dass wir Arten anpflanzen, die mit der vermehrten Trockenheit und Hitze besser zurechtkommen. Sicher ist, dass uns dieses Jahr noch bis 2025 beschäftigen wird.

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Das heisst, man kann nicht alle Lücken sofort schliessen?
Nein, die Neupflanzungen brauchen Zeit – und Weitsicht. Man muss sich gut überlegen, welche Bäume an welchem Standort langfristig die besten Wachstumschancen haben. Wichtig ist zudem, auf die Biodiversität zu achten. Das heisst, wir pflanzen verschiedene Arten an. Damit verhindern wir, dass ein potenzieller neuer Schädling Schadorganismus gleich sämtliche Bäume zerstört, wenn er sich einmal ausbreitet.

Welche Rolle bei der Aufforstung spielt der Laserscanner, den Sie in der Medienmitteilung diese Woche erwähnt haben?
Er ist wichtig, denn er zeigt die Entwicklung des Kronendachs der Stadtbäume. Wird es dichter und grösser? Wo nimmt es ab? Der Bund macht etwa alle vier Jahre sogenannte Lidarflüge. Dabei vermisst der Scanner das Bodenprofil aus dem Flugzeug. Aus den Daten kann das Blätterdach berechnet werden – ein starkes Instrument, das uns bei der langfristigen Stadtplanung hilft. Früher mussten wir durchs Quartier laufen und konnten nur den Baumbestand von Hand erfassen.

Bäume tragen auch zur Kühlung einer Stadt bei. Gleichzeitig wollen Sie auf dem Zürcher Turbinenplatz eine Wolke installieren, wie vor kurzem bekannt wurde. Macht sie die Bäume überflüssig?
Nein, sie ist vielmehr als ergänzende Massnahme zu verstehen, neben dem Pflanzen von Bäumen und Vertikalbegrünung. Andere Städte wie Wien haben bereits eine solche Wolke installiert. Sie besteht aus einem Aluminiumring, der feine Düsen besitzt. Durch sie strömt an Hitzetagen Wasser und sorgt für einen kühlenden Nebel. Wir sind gespannt, wie die Bevölkerung diese Erfrischung im nächsten Sommer aufnimmt. Gleichzeitig haben wir auf dem Turbinenplatz übrigens weitere Bäume gepflanzt.    

Das nächste Unwetter und der nächste Schnee kommen bestimmt und machen eine Teil Ihrer Arbeit wohl auch wieder zunichte. Wie motivieren Sie sich?
Natürlich hofft man, dass die neu gepflanzten Bäume nicht wieder zerstört werden. Doch die Natur ist unberechenbar. Wir versuchen, das Positive zu sehen. Etwa, dass manche Nachfolger gefällter Stadtbäume mehr Platz erhalten, in Form einer grösseren Baumgrube. Dadurch soll es ihnen besser gehen. Das ist zwar nur ein kleines Trostpflaster. Aber bekanntlich wirken Trostpflaster ja auch. 

Laser-Vermessung von Wäldern

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