Weihnachtszeit ist die Zeit der Besinnung. Heutzutage geht das Besinnliche jedoch allzu oft im Weihnachts­trubel und der allgemeinen Bilder- und Nachrichtenflut unter. Dabei gibt es ein einfaches, probates Mittel, das immer wieder zur Besinnung verhilft: ein Blick in den Sternenhimmel. 

Dazu fahren wir möglichst weit weg vom Licht (auf Erden), um möglichst viel Licht (vom Himmel) einzufangen. Es ist fast stockdunkel auf der Schafmatt westlich der Geissflue im Dreieck der Kantone Basel-Landschaft, Solothurn und Aargau. Nur die Lichter von Olten und eine diffuse Lichtglocke über Basel stören die Pracht des Sternenhimmels, hier auf 820 Meter über Meer. Im Observatorium warten bereits Heiner Sidler und René Baumann, zwei der rund 120 Mitglieder der Astronomischen Vereinigung Aarau (AVA). Die beiden beobachten in ihrer Freizeit leidenschaftliche gerne den Sternenhimmel. 

Mehr Sterne als Sandkörner auf der Erde
Vor allem Sidler hat es gepackt, seit 30 Jahren. Er fährt oft auf die Schafmatt, weit herum der beste Ort, um Sterne zu beobachten, wie er sagt. Und er reist rund um die halbe Welt für sein Hobby, hoch in die Berge, einen Hauch näher zum Firmament, und tief in die Wüsten, nach Namibia, in die Gobi, wo keine Lichtverschmutzung die Sternenbeobachtung stört. Am 29. März 2006 erlebte Sidler in der Sahara  eine totale Sonnenfinsternis. «Da hat es mir den Ärmel definitiv reingezogen. Wenn Sie jemals Gelegenheit haben, einer kompletten Sonnenfinsternis beizuwohnen, dann machen Sie sich die Freude.» In der Schweiz tritt die nächste totale Sonnenfinsternis allerdings erst am 3. September 2081 ein. Eine partielle Sonnenfinsternis können wir jedoch schon am 20. März 2015 erleben.

Ihn fasziniere auch, dass man in der Nacht weiter sehe als am Tag, fährt Sidler fort. Ein überraschender Gedanke. Doch schon sprudelt es weiter aus dem kundigen Mund des Hobbyastronomen, er erklärt den Unterschied von Meteoriten und Meteoriden, werweisst, wie der Mond entstanden ist, berichtet über allerlei Himmelskörper, die er gesehen hat, sogar Ufos. Auf der Schafmatt. Durch das Spiegelteleskop. Drüben in Deutschland! «Das Ufo hat sich dann jedoch rasch als Wetterballon herausgestellt, der in grosser Höhe platzte», sagt Sidler und lacht. «Ich war froh, dass es keine Ausserirdischen waren.» 

Ausserirdische hätten den Sternenkundler dann doch aus der Fassung gebracht. Auch wenn es «verrückt wäre, davon auszugehen, dass wir die einzigen Lebewesen im Kosmos sind». Denn würden wir die «Tierwelt» komplett mit solchen Punkten (. . .) füllen und sämtliche Ausgaben des Jahres 2015 dazu, dann wäre die Anzahl Punkte im Vergleich zur Anzahl Sterne immer noch mickrig: Es gibt mehr Sterne als Sandkörner auf Erden!

Angesichts dieser überwältigenden Menge ist es wahrscheinlich, dass irgendwo ausserirdisches Leben ist. Bereits wurden mehrere erdähnliche Planeten entdeckt; einer davon in diesem Sommer, quasi gleich nebenan – 13 Lichtjahre entfernt, im Umkreis des Kapteyns, einem leuchtschwachen Stern am Südhimmel der zu den nächsten 25 Nachbarn unserer Sonne gehört. Laut einem internationalen Forscherteam könnte der Planet genau die richtige Temperatur für flüssiges Wasser haben, was als Voraussetzung für Leben gilt.

Doch selbst mit den besten Teleskopen und raffiniertesten Raumsonden fand der Mensch bislang kein Leben auf anderen Planeten. Allenfalls, so Forscher, sind in unserem Sonnensystem einfachste Mikroben auf dem Mars oder dem Jupitermond Europa denkbar. Doch es gibt ja noch andere Sonnen. Mindestens hundert Milliarden allein in unserer Galaxie, der Milchstrasse. Und dann gibt es da noch hundert Milliarden weitere Galaxien. Dort, irgendwo, könnte es also durchaus auch hoch entwickeltes, ausserirdisches Leben geben. Sidler glaubt jedoch nicht, dass wir je Kontakt mit Aliens haben werden. «Unüberbrückbare Distanzen verhindern jeden Austausch zwischen den Sternenwelten.»

Mit blossem Auge sieht man auf der Schafmatt bei perfekten Bedingungen vielleicht tausend Sterne. Durch einen Feldstecher ein Vielfaches davon. Und mit den lichtstarken Teleskopen der Sternwarte zeigen sich Hunderte Sterne dort, wo vorher Schwarz herrschte. «Aber auch damit sehen wir nur unser Vorgärtli, nur unsere absolut nächste Umgebung in der Milchstrasse», relativiert Sidler.

Mondsichel ist schöner als Vollmond
Wir schauen sie uns an, die Sterne. Sie sind durch das Teleskop betrachtet kaum grösser, dafür sind sie viel zu weit weg, aber es sind nun überwältigend viele. Und der Mond!  «Der überwältigt alle», sagt Sidler. Rund tausend Gäste pro Jahr besuchen die Sternwarte Schafmatt. «Am schönsten zeigt sich der Mond bei zunehmender schmaler Mondsichel, kleiner als Halbmond», schwärmt Sidler. Der Vollmond hingegen wirke wenig plastisch; zudem sei dann der Himmel für die Beobachtung von lichtschwachen Objekten zu sehr aufgehellt. «In dunklen Nächten zeigen wir unseren Besuchern auch andere Galaxien, die sich vielleicht nur als leichtes Wölkli in sehr schwachem Licht erkennen lassen. Sind wir unter uns, setzt oft ein Jagdtrieb ein und wir versuchen extrem entfernte und schwach leuchtende Objekte zu sehen und zu fotografieren.»

Welcher Stern wies zur Wiege?
Und der Weihnachtsstern? Der Stern, der den Weisen aus dem Osten einst den Weg nach Bethlehem wies, zur Krippe mit dem Kindlein drin, dem Sohn Gottes. Irgendwo muss er doch sein. Im Teleskop ein Sternenmeer; aber kein Stern mit Schweif. Wo ist er denn?

Der Schweifstern, erklärt Sidler, sei erst im 14. Jahrhundert nach Christus zu biblischer Ehre gekommen. «Mit seinem Schweif war der Komet Halley damals von blossem Auge zu sehen. Wahrscheinlich diente er Giotto als Vorlage für den Weihnachtsstern.» Giotto di Bondone (1266–1337) ging als entscheidender Wegbereiter der italienischen Renaissance in die Geschichte ein und war vielleicht der Erste, der in einer berühmten Darstellung der Heiligen Drei Könige beim Jesuskind einen kometenähnlichen Stern über der Krippe malte. Erst seither gehört der Weihnachtsstern mit Schweif fest zur Weihnachtsgeschichte.

Einen Weihnachtsstern entdecken wir nicht in der fantastisch glitzernden Sternenpracht. Aber dafür – Aliens! «Ich habe immer ein paar Ausserirdische dabei», sagt Heiner Sidler. Vorsichtig nimmt er sie hervor; entpackt sie ehrerbietig: drei unscheinbare Brocken – Stein- und Eisenmeteoriten. Sidler: «Die sind seltener als Gold. In der Schweiz gibt es bislang nur acht Funde. Sie sind älter – viel, viel älter als alles Irdische.» Wenn das kein Grund ist, sich zu besinnen. 

«Nächte des offenen Dachs»
Jeden Donnerstagabend kann die Sternwarte Schafmatt für Gruppenführungen reserviert werden. Weil ein Besuch durchaus auch bei schlechtem Wetter interessant ist, werden Allwetterführungen angeboten. Bei klarer Sicht gibt es jeden Freitagabend eine öffentliche Führung. Keine Anmeldung nötig. Telefonnummer 062 298 05 47 gibt ab 18 Uhr Auskunft über die Durchführung.

Beginn: Winterzeit ab 20 Uhr, Sommerzeit ab 21 Uhr; Kosten: Fr. 10.– pro Person; Gruppenführungen Fr. 150.–. Mitnehmen: Warme Kleidung und Taschenlampe. Finden: Der Weg vom grossen Parkplatz auf der Jurapasshöhe Schafmatt (etwas unterhalb des Naturfreundehauses) bis zur Sternwarte ist ausgeschildert, aber nicht beleuchtet.
www.sternwarte-schafmatt.ch