Ob Laptop, Smartphone oder Fotokamera: Ohne Akku läuft in der modernen Welt kaum mehr etwas. Die meisten der am Markt erhältlichen Hochleistungsakkus sind sogenannte Lithium-Ionen-Akkus. Deren Rohstoff, das Leichtmetall
Lithium, stammt vor allem aus Südamerika, wo er in grossem Stile abgebaut wird, um den weltweit steigenden Bedarf abzudecken.

Mehr als 50 Prozent des geförderten Lithiums werden in Batterien verarbeitet, vor allem in Elektroautos und anderen elektronischen Artikeln. In der Schweiz gab es 2017 rund 13 000 Elektroautos. Laut Statista wurden 2018 rund 5400 elektrisch betriebener Autos neu zugelassen. Im März 2019 entfielen mit 1370 die meisten Neuzulassungen auf ein Elektroauto. Je nach Modell steckt in einer Autobatterie zwischen 30 und 80 Kilo Lithiumkarbonat. Ein Akku von Tesla soll sieben Kilo reines Lithium enthalten. 

3Sat berichtet über Lithium-Abbau in Chile

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70 Prozent der Lithium-Vorkommen befinden sich im Dreiländereck Chile, Bolivien und Argentinien. Allein im bolivianischen Salar de Uyuni, der höchstgelegenen Salzwüste der Welt, lagern schätzungsweise 21 Millionen Tonnen Lithium. Zehn Milliarden Liter Salzwasser, in dem das Lithium gebunden ist, werden in dem Salzsee jährlich verarbeitet .

Auf knapp 4000 Metern Höhe leben rund 100 000 Angehörige der Kolla, eines der letzten indigenen Völker Südamerikas. Ihren Lebensunterhalt verdienen die Menschen mit Kunsthandwerk und mit der Zucht von Lamas, die ihnen Wolle und Fleisch liefern. Von dem wenigen Regen, der hier fällt, dringen nur rund fünf Prozent in die Erde ein. Über Jahrtausende hinweg haben sich hier unterirdische Wasserreserven gebildet, bestehend aus Salz- und Süsswasser, das sich bisher in einem fragilen Gleichgewicht hielt. 

Staub vergiftet Wildtiere
Nun pumpen Bergbauunternehmen diese Salzlake aus rund 400 Metern Tiefe an die Oberfläche in fussballfeldgrosse Becken. Bis zu 80 000 Liter Frischwasser pro Stunde werden dafür verbraucht. Aus den künstlichen Seenlandschaften verdunstet das Wasser und geht endgültig verloren. Während der Bohrungen wühlen die Maschinen den Untergrund auf und zerstören die Wasserstellen, aus denen auch Lamas trinken. Einige Wasserlöcher enthalten so viel Salz, dass das Wasser zum Trinken nicht mehr geeignet ist. 

Ausschnitt aus einer NZZ-Dokumentation über Lithium-Abbau in Bolivien von 2016

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Seit in der Gegend Lithium abgebaut wird, sinkt der natürliche Wasserspiegel, vermischt sich Salz- mit Süsswasser. Gleichzeitig leeren sich die natürlichen Süsswasservorkommen zusehends. Unterdessen müssen die Bauern an jedem Tropfen Wasser zur Bewässerung ihrer Felder und zum Tränken ihrer Tiere sparen. Verdursten Lamas und Ziegen, ist nicht nur die Existenz der Bauern bedroht, sondern auch das gesamte Volk der Kolla. Nieves Gui­tian, früher stolze Besitzerin von 230 Lamas in der Hochwüste Puna, kriegt die Folgen direkt mit: Seit dem Lithiumabbau würden Jungtiere mit krummen Beinen, Zysten und anderen Krankheiten geboren, viele Tiere kurz nach der Geburt verenden, sagt sie.

Beim Abbau von Lithium wird ausserdem feiner Staub aufgewirbelt. Dabei handelt es sich um basisches Natriumhydroxid, das zur chemischen Behandlung von Lithium benötigt wird, sagt Marcelo Sticco von der Universität Buenos Aires. Auf Bitten der Kolla verfasste er zwei Gutachten über die Folgen des Lithiumabbaus in der Puna-Wüste. Der Hydrologe vermutet, dass die Substanz auf freiem Gelände gelagert wird, von wo aus sie sich über das gesamte Gebirge verteilt. Auf diese Weise wird das Naturreservat allmählich vergiftet, auch wilde Tiere wie Vikunjas. Die Unternehmen halten nicht mal annähernd minimale Sicherheitsmassnahmen ein, erklärt Sticco. Wilde Tiere sind per Gesetz geschützt. Wenn das Wasser kontaminiert und die Luft verunreinigt ist, sei der Staat verpflichtet, dies näher zu untersuchen. 

«Ein giftiges Gemisch aus Kalk, Natronlauge und Kali verseucht Boden und Luft und vergiftet die Lamas», sagt Carlos Guzman, der mitten in den Bergen einen Bauernhof mit Viehzucht betreibt. Unweit seiner Farm liegt auf 4000 Metern Höhe ein Salzsee mit einer meterdicken Kruste, unter der Lithium in Salzwasser gelöst ist. 

Der «Weltspiegel» fragt: Wohlstand mit Lithium?

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Krebse sterben, Flamingos darben
Überall dort, wo sich heute Salzwüsten ausbreiten, gab es früher häufig Wasser. Inzwischen wird immer mehr Wasser aus dem Boden gepumpt, werden immer neue Verdunstungsbecken gebaut. Mit sinkendem Grundwasserspiegel sinkt der Wasserpegel der Salzlagunen, während die Salzkonzentration zunimmt. So verschwinden im Wasser lebende Algen, aber auch Krebse und Krustentierchen, von denen sich die Flamingos normalerweise ernähren. Früher gab es in der Atacama-Wüste die grösste Flamingo-Population in der ganzen Anden-Hochebene, sagt Mathilde López. Schreite der Lithiumabbau voran, werden die Flamingos hier nicht überleben, ist sich die Biologin sicher. Und mit den Flamingos verschwindet dann auch der Fuchs – als letztes Glied in der Nahrungskette.

Aber auch die an den Rändern des Salzsees siedelnden Bauern werden wegen Wassermangel bald keinen Acker- oder Gemüsebau mehr betreiben können. Doch die Anwohner wehren sich. Immer mehr Menschen demonstrieren gegen die Zerstörung ihrer Heimat. So kam es im Departement Potosi in Bolivien im Oktober 2019 zu Protesten gegen den Abbau von Lithium. Ende des Jahres kündigte der bolivianische Staatschef dem deutschen Unternehmen ACI Systems die Zusammenarbeit auf. Aufgrund hartnäckiger Proteste wurde der Lithiumabbau im letzten Jahr in der Salz­ebene Salinas Grandes verhindert.

Alternativen zu Lithium sind bisher nicht bekannt, nur wasserschonende Technologien beim Abbau. So wird in einem modernen Verfahren aus Kanada Lithium mithilfe von Nanotechnologie aus der Flüssigkeit extrahiert und das Restwasser zurück in den Untergrund gepumpt. Ein hoher Recycling-Grad alter Batterien könnte diese Art des Lithiumabbaus allerdings einschränken.