Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Verfassungsbeschwerden mehrerer Klimaschützer waren damit zum Teil erfolgreich.

Die teils noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien durch Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter. «Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.» Wenn das CO2-Budget schon bis zum Jahr 2030 umfangreich verbraucht werde, verschärfe dies das Risiko «schwerwiegender Freiheitseinbussen», weil die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper werde.

Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Massnahmen machbar. «Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind», heisst es in der Erklärung des obersten deutschen Gerichts.

Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, «um diese hohen Lasten abzumildern». Von «Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität» ist die Rede. Daran fehle es bislang.

Zitat aus dem Grundrecht
In Artikel 20a des Grundgesetzes heisst es: «Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Massgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.»

Hierauf bezieht sich das Gericht. Es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, «unter vergleichsweise milder Reduktionslast grosse Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbussen ausgesetzt würde».

Künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbussen zum Schutz des Klimas verhältnismässig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, erläuterten die Richter. Zwar müssten die Grundrechte abgewogen werden. Aber: «Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.»

Mit den natürlichen Lebensgrundlagen müsse sorgsam umgegangen werden, mahnten die Richter. Und sie müssten der Nachwelt in einem Zustand hinterlassen werden, «dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten».

Das Klimaschutzgesetz
Der deutsche Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 dem Klimapaket der Bundesregierung zugestimmt, nachdem Bund und Länder noch Kompromisse ausgehandelt hatten. Wesentlicher Punkt ist das Klimaschutzgesetz. Es legt für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude fest, wie viel Treibhausgase sie in welchem Jahr ausstossen dürfen.

«Zweck dieses Gesetzes ist es, die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten», heisst es dazu vom Bundesumweltministerium. Nach dem Pariser Klimaabkommen – das die Grundlage des deutschen Gesetzes bildet – soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, um Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten.

Das Verfassungsgericht fordert nun, frühzeitig transparente Massgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion. Damit verbinden die Richter Entwicklungsdruck und Planungssicherheit. Verfassungsrechtlich unerlässlich sei dafür zum einen, dass weitere Reduktionsmassgaben rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und zugleich hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt werden. Zum anderen müssten zwecks konkreter Orientierung weitere Jahresemissionsmengen und Reduktionsmassgaben differenziert festgelegt werden.