Das erste Alarmzeichen für Astrid Granger war der dichte, beissende Rauch, der durch ihre Nachbarschaft im kalifornischen Santa Rosa zog. «Dann fing das Haus an zu rütteln, es war wie ein Hurrikan», beschreibt die gebürtige Deutsche den nächtlichen Feuersturm, der im Oktober 2017 weite Teile der Weinregion Sonoma County, nördlich von San Francisco, in Schutt und Asche legte.

Mitten in der Nacht habe sie ihren Bruder in Deutschland angerufen, erinnert sich die heute 64-jährige Wahlkalifornierin. «Hier passiert etwas Schreckliches, ich weiss nicht, ob wir die Nacht überleben werden», habe sie ihm erzählt.

Das sogenannte Tubbs Feuer machte das Coffey-Park-Viertel dem Erdboden gleich, dort allein brannten 1300 Gebäude ab. Auch das zweistöckige Haus, in dem Astrid und ihr Mann Henry 30 Jahre lang lebten und zwei Kinder gross gezogen hatten. Im vorigen Oktober war es das schwere Kincade-Feuer, vor dem das Paar aus seinem neuen Haus im Nachbarort Windsor flüchten musste. «Fünf Tage lang durften wir nicht zurück und bangten um unser Haus», erzählt Astrid.

Vorige Woche packten sie erneut die Koffer, um notfalls schnell zu entkommen. Das LNU-Lightning-Complex-Feuer trieb in der Weinregion um Sonoma und Napa Valley Zehntausende aus ihren Häusern. Astrid und Henry hatten diesmal Glück, der riesige Waldbrand verschonte ihr Viertel. Das war nur ein Vorgeschmack. «Die schlimme Feuersaison fängt ja gewöhnlich erst im Herbst an», sagt die Deutsche.

Die Brand-Saison hat früh begonnen
Nordkalifornien hat es in diesem Jahr früh erwischt. Gouverneur Gavin Newsom rief wegen der "historischen Waldbrände" Mitte August den Notstand aus. Hunderte Brände hätten jetzt schon eine Fläche von mehr als 6000 Quadratkilometer Land verkohlt, teilte die Feuerwehr am Donnerstag (Ortszeit) mit.

Drei riesige Feuer-Komplexe sind auf die Liste der 20 verheerendsten Brände in der Geschichte Kaliforniens vorgerückt. Acht Menschen starben, mehr als 3200 Häuser brannten ab. Nach fast dreiwöchigem Kampf gegen die Flammen waren am Donnerstag immer noch 12 800 Feuerwehrleute im Einsatz, fast ebenso viele Menschen durften nach Massenevakuierungen noch nicht in ihre Häuser zurückkehren.

Es gibt einen wohlbekannten Zusammenhang zwischen Waldbränden und Klimawandel

Julien Emile-Geay
Professor für Geowissenschaften an der USC-Universität in Südkalifornien

Die schmale Landstrasse Mill Creek Road, die einst durch grüne Redwood-Wälder führte, ist jetzt kilometerweit von schwelenden Hausruinen und aschgrauen Baumstämmen gesäumt. Ein «Welcome»-Schild an einem Baum blieb von der Feuerwalze wie durch ein Wunder unversehrt, von dem Haus dahinter ist kaum noch etwas übrig. Geschmolzene Autos in den Auffahrten sind Zeugen der gewaltigen Hitze, mit der die Feuerstürme ganze Landstriche verwüsten.

«Die Feuersaison in Kalifornien ist nun ganzjährig»
Sean Kavanaugh ist Einsatzleiter bei der Brandschutzbehörde Cal Fire, seit 32 Jahren bekämpft er Waldbrände. «Die Feuersaison in Kalifornien ist nun ganzjährig», klagt der Fire-Chief. Früher brachen die schweren Brände typischerweise erst am Ende des trockenen Sommers aus. «In den letzten Jahren hat sich wirklich etwas geändert», sagt Kavanaugh. «Wir haben uns von der anhaltenden Dürre nicht erholt».

«Es gibt einen wohlbekannten Zusammenhang zwischen Waldbränden und Klimawandel», sagt Julien Emile-Geay, Professor für Geowissenschaften an der USC-Universität in Südkalifornien. Höhere Temperaturen würden den Boden und den Pflanzenwuchs austrocknen und für Feuer anfälliger machen. «Bei der jüngsten Feuerwelle hat uns aber die ungewöhnlich hohe Zahl von Trockengewittern und Blitzschlägen als Auslöser der Brände überrascht», betont der Wissenschaftler.

Extrem schnell hatte sich 2017 die Feuerwalze in Santa Rosa ausgebreitet. Nachts gegen zwei Uhr habe sie nur zwei Handtaschen mit wichtigen Papieren gepackt, mehr nicht, erzählt Astrid. Mit drei Autos sei die Familie im dichten Rauch über verstopfte Strassen geflüchtet. Von einem Parkplatz aus hätten sie die ganze Nacht zugeschaut, wie die Hügel von Sonoma in Flammen aufgingen. «Es war eine schreckliche Gewissheit, dass unser Zuhause von 30 Jahren nicht mehr da sein würde».

Als 22-Jährige hatte die Deutsche in Giessen den 15 Jahre älteren US-Soldaten kennengelernt. 1978 heirateten sie in Kalifornien, knapp zehn Jahre später bezogen sie das Haus in Santa Rosa. Das Feuer zerstörte fast alles, auch ihre geliebte Plattensammlung. Aus den schwelenden Aschebergen rettete das Paar nur eine Handvoll Andenken, darunter eine Gartenkeramik mit einer lachenden Sonne.

Trotz Bränden und Erdbeben will das Paar in Kalifornien bleiben. Woanders warten andere Gefahren, meint Astrid. Zudem leben beide Kinder in der Nähe. Für ihr neues Haus kam die Feuerversicherung auf. Doch mit den zunehmenden Katastrophen in dem Westküstenstaat sagen Experten eine düstere Zukunft voraus. Feuerprämien steigen, Häuser in Gefahrenzonen finden keinen Versicherer. Staat und Bund zahlen Milliardensummen für Löscheinsätze und den Wiederaufbau.

Hinaus ins Grüne – mitunter eine tödliche Falle
In dem mit 40 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten US-Staat zieht es immer mehr Kalifornier ins «Grüne», in stadtangrenzende Waldregionen. Der idyllische Ort Paradise in Nordkalifornien wurde im Oktober 2018 zur tödlichen Falle. Heftige Winde trieben das sogenannte «Camp»-Fire durch den trockenen Wald. 86 Menschen starben, Zehntausende wurden obdachlos.

Als weiteren Grund für die wachsende Feuergefahr nennt Emile-Geay das Waldmanagement in Kalifornien. Feuer seien ein natürlicher Teil des Ökosystems, dadurch werde dichtes Unterholz ausgedünnt. «Um Eigentum zu schützen, lassen wir natürlich vorkommenden Feuern nicht mehr freien Lauf», erklärt der Wissenschaftler. «Somit häuft sich dichtes Buschwerk an, das mit zunehmender Erwärmung immer trockener wird und sich schon durch kleinste Funken entzündet.»

Die jüngste Waldbrandserie traf auch den für seine riesigen Mammutbäume bekannten Armstrong-Redwoods-Naturpark, nordwestlich von Santa Rosa. Graue Asche bedeckt nun die rotbraunen Stämme, doch die Waldgrotte mit über 1400 Jahre alten Redwood-Riesen sei glimpflich davongekommen, sagt Park-Ranger Allan Wiegman. «Glücklicherweise fing nur das Unterholz Feuer und nicht die dicken Stämme und Wurzeln», erklärt Wiegman. «Dies sind sehr robuste Bäume».