Kulturhof Hinter Musegg
Landwirtschaft mitten in der Leuchtenstadt
Mitten in der Stadt Luzern blieb ein landwirtschaftlicher Betrieb bestehen. Allerdings einer mit einem speziellen Konzept. Denn hier tummeln sich Künstler, Köche und Kinder zwischen kecken Rindern und Schweinchen.
Unten am Hang sind mächtige Bagger auf-gefahren, das Brambergquartier wird um eine Wohnüberbauung reicher. Oberhalb, entlang der Museggmauer erstreckt sich eine Sportanlage. Und mittendrin lassen sich das Hochlandrind Paula, die Zwergziege Frau Röösli und das Zwergschwein Louis weder vom Baulärm noch von den fussballspielenden Kindern aus der Ruhe bringen. Sie wohnen auf dem letzten übriggebliebenen Bauernbetrieb in der Stadt Luzern. Ein mit gut zwei Hektaren Fläche kleiner Hof, mit umso grösserer Geschichte. «Seit fast 400 Jahren wird auf der Rückseite des Luegisland- und Zytturmes Landwirtschaft betrieben, lange gehörte der Hof der Besitzerfamilie des Hotels Schweizerhof», erzählt Irene Wespi, die zum Leitungsteam des Kulturhofes Hinter Musegg gehört.
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Der Kulturhof wurde von Pia und Walter Fassbind im Jahr 2000 ins Leben gerufen, als das Ehepaar aus 80 Bewerbenden von der Stadt Luzern den Zuschlag erhielt, den Hof zu pachten. Ihr Ziel war es, den Hof auf biologische und extensive Bewirtschaftung umzustellen und für die Bevölkerung zugänglicher zu machen. Dazu passten Schottische Hochlandrinder, denn sie sind nicht nur genügsame Landschaftspfleger, sondern locken dank ihres hübschen Zottelfells auch neugierige Zweibeiner an. Doch schon bald wurde klar, dass sich das Wohnhaus und der Stall in einem desolaten Zustand befanden. Eine Idee musste her, wie die Gebäude erneuert und so die Naturoase erhalten werden können. 2013 wurde die gemeinnützige «Stiftung Kultur- und Lebensraum Musegg» gegründet.
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Kaffeeduft vermischt mit Stallgeruch
Jetzt konnte das Projekt Kulturhof so richtig starten. Die Alpakas, Zwergschweine, Zwergziegen, Rinder und Hühner erhielten nicht nur neue Stallungen, mit der Renovation des Wohnhauses wurde in der Heubühne ein Veranstaltungsraum ausgebaut. Zum Standbein der Landwirtschaft kamen die Gastronomie, die Kultur und die Bildung hinzu.
«2015 eröffneten wir eine Besenbeiz für die Quartierbewohner. Wir wurden von Besuchern aus Nah und Fern regelrecht überrannt, sodass wir unsere Hofbeiz rasch professionalisierten», erzählt Irene Wespi, die mit ihrer Familie auf dem Hof lebt. Nun kann Sommer wie Winter am Abend ein Menü genossen werden, jeweils am Wochenende tischt das Gastroteam ein reichhaltiges Zmorge auf, es bewirtet Firmenanlässe und braut sogar eigenes Biobier. Die Hofbeiz hinter den Museggtürmen ist der erste Betrieb in der Zentralschweiz, der mit drei von drei Bio-Cuisine-Sternen prämiert wurde. Als Zeichen dafür, dass hier zu über 90 Prozent biologische Lebensmittel auf den Teller kommen.
Eine optimale Ergänzung zum Gastronomieangebot bietet zudem der täglich geöffnete Selbstbedienungshofladen. Stehen Frischprodukte kurz davor abzulaufen, werden diese in der Hofküche verwertet. Auch Chutneys, die vom Küchenteam aus den hofeigenen Mispeln gezaubert werden, finden im Hofladen zusätzliche Abnehmer. Kurz: ein intakter Kreislauf.
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Gemeinsam anpacken
Nachhaltigkeit hat auf dem Bramberghügel rundum einen hohen Stellenwert. Mit Solarstrom vom Dach und Erdwärme erreicht der Hof eine positive Energiebilanz. «Uns ist es wichtig, die Biodiversität nicht nur direkt auf unserem Betrieb, sondern auch in dessen Umkreis zu fördern», erklärt Wespi. Dies sei ihnen bereits zu einem schönen Teil gelungen, immer mehr verschiedene Vogelarten und auch Fledermäuse schwirren zwischen Stall und Museggmauer umher. Um diese zu beobachten und mehr über sie zu erfahren, werden spezielle Führungen angeboten. «Unser Bildungsangebot ist auch ganz praktisch ausgerichtet, Schulklassen können in die Gummistiefel schlüpfen und zwischen dem Ziegenfüttern und dem Stallwischen viel über ein nachhaltiges Zusammenspiel mit der Natur lernen», so Irene Wespi, die sich als Pädagogin gemeinsam mit Alina Trieblnig um das Erleben und Erlernen auf dem Kulturhof kümmert.
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«Wir möchten inspirieren und eine breite Bevölkerungsschicht miteinbeziehen.» Auch Menschen mit einer Beeinträchtigung finden auf dem Kulturhof ihre Aufgabe, sei es bei gelegentlichen Arbeitseinsätzen im landwirtschaftlichen Bereich oder als fester Bestandteil des Teams. Dieses hat eine beachtliche Grösse. Bis zu 40 Personen helfen am guten Gelingen des Kulturhof-Konzepts mit. «Dass hier Inklusion grossgeschrieben wird und wir ein Ort sind, wo sich die Touristen mit den Quartierbewohnern und die Schulkinder mit den Hundespaziergängern austauschen, finde ich besonders schön», sagt die Co-Leiterin.
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Natürlich habe auch dieser sinnstiftende Ort seine herausfordernden Seiten. Das Thema Geld sei immer im Hinterkopf. Die Filmvorführungen, Lesungen oder Theaterstücke, die hier aufgeführt werden, sind genau wie der landwirtschaftliche Betriebszweig meist defizitär. Das Gastronomieangebot sorgt für die Querfinanzierung. Und so wird der Kulturhof Hinter Musegg hoffentlich noch lange ein Begegnungsraum und Bildungsort sein, einfach eine Naturoase, wo Mensch und Tier sich wohlfühlen können.
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