Frau Steiner, was ist KAGfreiland?

KAGfreiland ist ein eine gemeinnützige Organisation und hat die Rechtsform eines Vereins. Seit 1972 setzen wir uns mit Kampagnen und Tierwohl-Projekten für die artgerechte Nutztierhaltung ein und zeigen tierfreundliche Alternativen zur Massentierhaltung auf. Wir machen auf Missstände aufmerksam. Die engen Platzverhältnisse, die Unterbeschäftigung und die Hochleistungszucht in der industrialisierten Tierhaltung sind mit dem Tierwohl nicht in Einklang zu bringen. Deswegen erproben wir auf diversen KAGfreiland-Betrieben nachhaltige Tierwohl-Projekte. Die zertifizierten Betriebe halten sich an die schweizweit strengsten Tierhaltungsrichtlinien. 

Was versteckt sich hinter der Abkürzung KAG?

Ursprünglich versteckt sich hinter dem Namen KAG die Bezeichnung «Konsumenten Arbeits Gruppe». Da dieser Ausdruck für viele unklar und nicht mehr zeitgemäss ist, wurde er von der Organisation später als «Konsequent Artgerecht Gehalten» verwendet.

Wann und von wem wurde dieses Label gegründet?

Der Verein KAGfreiland wurde 1972 von der Kunstmalerin Lea Hürlimann gegründet. Durch gezielte Recherche erfuhr sie damals vieles über die Zustände in der Nutztierhaltung, über Tierquälerei auf dem Bauernhof und dass man vieles den Konsumenten verschwieg. Sie wollte die damaligen Zustände anprangern und ein anderes Konsumverhalten vorschlagen und wurde von einigen Interessierten bei ihrem Vorhaben unterstützt. So entstand die Konsumenten Arbeits Gruppe. 1973 brachte KAG die ersten Freiland-Eier auf den Markt. Um zu gewährleisten, dass Legehennen artgerecht gehalten werden, wurden Richtlinien erstellt, welche Produzentinnen einhalten mussten, um unter dem Label KAGfreiland verkaufen zu dürfen. Im Jahre 1992 erreichte KAGfreiland dann, dass Hühner-Legebatterien in der Schweiz verboten wurden.

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Das KAGfreiland Label können nur Betriebe erlangen, die bereits von Bio Suisse zertifiziert sind. Wo setzt KAGfreiland höhere oder andere Standards?

Richtig, wenn ein Betrieb die KAGfreiland-Zertifikation möchte, muss er Bio Suisse-zertifiziert sein. Unterschiede gibt es einige: Ganz allgemein beispielsweise beim Transport: Bei KAGfreiland darf die Transportzeit zum Schlachthof maximal zwei Stunden dauern, anstatt sechs respektive acht Stunden. Auch erfolgt die regelmässige Kontrolle der Betriebe unabhängig und vor allem unangemeldet durch den Schweizer Tierschutz STS. Dann gibt es bei den einzelnen Tiergattung strengere Richtlinien – der grösste Unterschied ist der Auslauf ins Freie (deshalb KAGfreiland). So muss bei KAGfreiland jedes Tier im Sommer wie im Winter mindestens einmal täglich Auslauf nach draussen haben (Weide oder Laufhof, je nach Jahreszeit und Tierkategorie). Beim Rindvieh ist zudem die Enthornung verboten, ebenfalls verboten ist die Anbindehaltung (diese ist nur mit Ausnahmebewilligung erlaubt). 

KAGfreiland unterstützt Projekte zugunsten des Tierwohls. Können Sie uns einige aktuelle und besonders wichtige Projekte kurz vorstellen?

Aktuell beschäftigen wir uns hauptsächlich mit zwei laufenden Projekten:
Mit dem Projekt «Lebwohl» möchten wir die Hoftötung als Alternative zur konventionellen Schlachtung fördern, um den Tieren den Transportstress zum Schlachthof zu ersparen. Ziel ist es, die Einführung der Hoftötung in der Schweiz zu verbreiten. Im Rahmen des Projekts konnte bereits auf mehreren KAGfreiland-Betrieben die Hoftötung eingeführt werden. KAGfreiland möchte nun den Wirkungskreis des Projekts erhöhen und weitet ihre Unterstützungsbereitschaft aus. So suchen wir bespielsweise immer noch Bio-Betriebe aus der ganzen Schweiz, welche die Hof- oder Weidetötung für ihr Rindvieh einführen möchten. KAGfreiland unterstützt diese Betriebe bei den administrativen Arbeiten, aber auch finanziell: KAGfreiland übernimmt die gesamten Kosten für die Kontrollen der Kantonstierärzte während der Probeschlachtungen. So soll das Bewilligungsverfahren für Landwirtschaftsbetriebe vereinfacht werden.
Beim Projekt «Zuhause gross werden» möchten wir in Zusammenarbeit mit Bio Luzern den Antibiotika-Verbrauch bei Kälbern reduzieren. Die meisten Kälber müssen ihren Geburtsbetrieb im Alter von drei bis vier Wochen verlassen, bevor ihr Immunsystem vollständig ausgebildet ist. Durch den Transport, die Kälte, den Stress und den Kontakt zu fremden Artgenossen erkranken Kälber viel zu oft und der Einsatz von Antibiotika ist dann fast unumgänglich. Das Projekt «Zuhause gross werden» hat das Ziel, dass Kälber viel länger auf dem Geburtsbetrieb bleiben dürfen und dort abgetränkt werden. Erst im Alter von vier Monaten (anstatt drei Wochen) wechseln sie auf einen Partnerbetrieb zur Bio-Weidemast. Auch bei diesem Projekt suchen wir weiterhin nach Bio-Betrieben, die mitmachen möchten. KAGfreiland beteiligt sich mit Unterstützungsbeiträgen für Anpassungen in der Infrastruktur.

Wie werden diese Projekte finanziert?

KAGfreiland ist eine gemeinnützige Organisation/NPO. Wir sind fast ausschliesslich aus Spenden finanziert: Spenden- und Mitgliederbeiträge von Privatpersonen, Unterstützungsbeiträge von Förderstiftungen, teilweise Beiträge aus Erbschaften/Legate. Mit diesen Spendeneinnahmen werden unsere Projekte finanziert.

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Wie viele Landwirtschaftsbetriebe sind momentan KAGfreiland zertifiziert?

Zurzeit sind zirka 100 Betriebe aus der ganzen Schweiz KAGfreiland-zertifiziert.

Wo finde ich KAGfreilandProdukte – im Grossverteiler?

Wir machen unseren KAGfreiland-ProduzentInnen keine Vorgaben, über welche Kanäle sie ihre Produkte absetzen möchten. Viele KAGfreiland-Produkte sind über die Direktvermarktung der Bauern erhältlich, also in den Hofläden. Aber auch in auserwählten Läden und im Biofachhandel beispielweise in einigen Filialen von Biopartner. In Volg-Filialen können ebenfalls KAGfreiland-Produkte geliefert werden. Neu sind beispielsweise KAGfreiland-Eier in auserwählten Aargauer Filialen eines Grossverteilers erhältlich. Ebenfalls gibt es Absatzkanäle über Online-Partner wie Farmy, Mahler und Co etc. Die meisten Verkaufsstellen sind auf unserer Webseite aufgeführt. Wenn eine Konsumentin nach speziellen KAGfreiland-Produkten sucht, helfen wir auf der Geschäftsstelle gerne bei der Suche nach einer Verkaufsstelle in der Nähe. 

Können Sie uns verraten auf welche Themen Sie in nächster Zeit den Fokus legen?

Unsere beiden aktuellen Projekte «Lebwohl» und «Zuhause gross werden» laufen auch im kommenden Jahr weiter. Ausserdem starten wir neue Projekte im Bereich Rindvieh/Weidemast sowie in der Geflügel- und Schweinehaltung, damit alle drei Hauptnutztierarten in der Schweiz abgedeckt sind. Genaueres können wir hierzu aber noch nicht kommunizieren. Ebenfalls legen wir den Fokus weiterhin auf Aufklärungskampagnen.