Smart und leicht unterwegs
5 Tipps für ein gutes Handybild
Professionelle Fotoausrüstung ist teuer und oft auch ganz schön schwer. Christine Moor möchte ohne «schweres Gerät» in die Natur und verwendet für ihre Insekten- und Pflanzenbilder oft das Smartphone. In Kursen zeigt sie, wie das funktioniert.
Zugegeben, etwas behelfsmässig sieht es schon aus, wie Christine Moor ihre Handykamera gegen den Feldstecher presst und damit in den Himmel zirkelt, in Richtung der Rabennester über dem Berner Aareufer. Auf dem Smartphone-Bildschirm muss sie die schimpfenden Krähen erst ausfindig machen. Ein runder, schwarzer Rahmen um das Motiv zeigt den Rand des Feldstecher-Blickfelds. Es ist eine improvisierte Kamera-Bastelei, die man von einer professionellen Fotografin nicht erwarten würde. Aber, sagt Moor: «Das Handy ist eben immer dabei und wenn man mit dem Feldstecher unterwegs ist, lässt sich auf diese Weise eine interessante Vogelbeobachtung ganz spontan festhalten. Etwa, um sie später zu bestimmen.»
Christine Moor ist Profifotografin, angestellt in einem Museum, wo sie hauptsächlich Objekte ablichtet, die stillhalten. Studiofotografie. In ihrer Freizeit jedoch ist sie am liebsten draussen in der Natur und fotografiert Insekten, Pflanzen, Vögel. Wie an diesem sonnigen Vormittag im Botanischen Garten in Bern. In diesen Fällen will sie mobil sein: «Ich bin nicht die, die im Feld in einem Zelt sitzt und dann mit schwerem Gerät wartet, bis mir ein Tier ins Bild läuft.» Also verwendet sie für die Naturfotografie seit Jahren gerne kleine, kompakte Systemkameras.
Bis, erzählt sie, «mir meine Schwägerin vor etwa drei Jahren mal so einen Kitsch-Clip fürs Handy geschenkt hat». Die Rede ist von einem dieser billigen Smartphone-Gadgets, eine Art Wäscheklammer mit montierter Linse, die sich einfach auf die Handykamera klemmen lässt. Im Internet werden einem die Dinger hinterhergeworfen, 20 Franken reichen locker aus. «Ich habe erst nur gelacht und fand, da habe ich also eine deutlich bessere Ausrüstung.» Bis sie diese Spielerei dann doch aus der Schublade holte und ausprobierte. Und zu ihrer eigenen Überraschung für gut befand. «Gerade für die Makro-Fotografie ist so ein System sehr gut geeignet», sagt sie. Auch weil – und jetzt wird es etwas technisch – Smartphones im Gegensatz zu teuren professionellen Kameras einen kleineren Bildsensor haben. Das biete den Vorteil, dass bei Nahaufnahmen von ganz kleinen Motiven, eben sogenannten Makro-Fotos, ein grösserer Bildbereich scharfgestellt werden kann.
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Formen, Flecken, Linien
Diese Art Naturfotografie mit einfachen technischen Mitteln begeistert Christine Moor. Das Lupen-Gadget ist nun alternativ zur Fotoausrüstung immer dabei. Und sie bietet sogar entsprechende Kurse an, privat, oder seit Kurzem über die Berner Sektion von Pro Natura. «Sie haben mich angefragt für einen Vortrag, aber mir war ein praktischer Kurs lieber.» Nun führt Moor dieses Jahr viermal, zu jeder Jahreszeit, kleine Grüppchen Naturinteressierter herum und zeigt auf, was mit dem Smartphone alles möglich ist – und was eben nicht. «Vor allem der Tele-Bereich fehlt», zeichnet sie dieGrenzen der Handyfotografie auf. «Deshalb ist man darauf angewiesen, dass das fotografierte Objekt in der Nähe ist. Ausser man will sich eben mit dem Feldstecher behelfen.»
Für sie seien das mehr als blosse Fotokurse. «Es sind auch Exkursionen. Die Teilnehmenden sollen lernen, mit offenen Augen durch die Natur zu gehen und nicht ständig durch den Sucher zu schauen.» So bringt Moor den Naturfreundinnen und -freunden bei, wie sie «durch verschiedene Brillen auf ihre Umgebung» schauen können. Sie lässt die Teilnehmer auch mal eine Bleistiftskizze von ihrer Umgebung anfertigen. «Das Spiel des Gestaltens ist es, Formen, Linien, helle und dunkle Bereiche zueinander ins richtige Verhältnis zu bringen, sodass eine spannende Komposition entsteht. Ich vergleiche es immer mit einem gut ausbalancierten Mobile.»
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5 Tipps für ein gutes Handybild
• Komposition: Den optimalen Bildausschnitt wählen. Die«Drittel-Regel» hilft oft: Bildmotiv nicht ganz mittig, sondern je ein Drittel von den Rändern entfernt.
• Fokus: Die Schärfe am richtigen Ort. Bei Tieren beispielsweise sollten stets die Augen scharf sein.
• Perspektive: Das Motiv in seiner typischen Erscheinungsweise zeigen. Insekten im Idealfall von oben und vorne fotografieren.
• Licht: Sich bewusst sein, welche Lichtverhältnisse herrschen. Darauf achten, wie das Licht mit dem Motiv spielt.
• Intuition: Mit der Bildgestaltung spielen, mehrere Varianten machen, vergleichen und auf sein Bauchgefühl achten, welche Aufnahme stimmig ist.
Diese Übung schaffe ein Bewusstsein, wie man das Motiv nicht nur ins richtige Licht, sondern auch in den richtigen Winkel setzt. Denn: «Kameras können mittler-weile eigentlich alles selber. Was ein gutes Bild ausmacht, ist letztlich die Bildgestaltung.» Die Fotografin relativiert aber gleich: «Ein paar technische Basics sollte man allerdings schon beherrschen. Das gilt auch fürs Handy.»
Ein Punkt, den Gelegenheitsknipser oft völlig ausser Acht lassen, ist die Belichtung. Inzwischen ist es bald Mittag. Die Sonne steht fast senkrecht über Christine Moor am Himmel. Die Bäume im Botanischen Garten spenden nur noch sparsam Schatten, dafür einen umso härteren. Es ist eine unbeliebte Tageszeit unter Fotoprofis, das warme Licht am Morgen und Abend und die langen, effektvollen Schlagschatten sind da oft lieber gesehen. Doch für Moor gibt es für jede Tageszeit gute Motive: «Insekten auf Blüten, wo die Sonne voll draufscheint, dafür ist der Mittag perfekt», sagt sie. Für solche Makro-Aufnahmen sei viel Licht unerlässlich. «Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht selber Schatten macht.»
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Viel Licht ist auch dann gut, wenn sich das Motiv rasch bewegt. Wie die Biene, die an einem gelbblühenden Berberitzenstrauch entlang schaukelt, von Blüte zu Blüte, kaum länger als drei Sekunden an einer Stelle. Eine echte Herausforderung für ein Handyfoto. Da hilft eben viel Licht, denn: Je heller die Bedingungen, desto kürzer ist die Belichtungszeit der Kamera. Und bei einer nervös schaukelnden Biene hilft jede Hundertstelsekunde weniger, damit das Endresultat nicht ganz so verschwommen ist. Zu hell, also über-belichtet, sagt die Profifotografin, dürfe das Bild dann aber auch nicht werden. Weisse Oberflächen in der Szene sollen ihre Struktur behalten und nicht zu einem weissen Loch ausfressen. «Auf der Handykamera kann man die Belichtungskorrektur manuell einstellen», sagt Christine Moor. «Das hilft, damit man die Belichtung je nach Motiv anpassen kann.»
Zur Person
Christine Moor ist Fotografin am Bernischen Historischen Museum. Sie hat gestalterische Ausbildungen in Bern, Basel und New York absolviert und schreibt über sich selbst: «Fotografie und Kunst sind Mittel, mich als Beobachterin mit einem kleinen Ausschnitt der Welt zu beschäftigen, etwas in mich aufzunehmen und in meiner Weise wieder auszudrücken.» Neben Kursen zur Handyfotografie bietet sie auch Collage- und Skizzierkurse an. christinemoor.ch
Papierchen statt Sonnenschirm
Besonders schwierig wird es, wenn ganz dunkle und ganz helle Bereiche im gleichen Bild vereint werden sollen. Wenn Licht und Schatten sich abwechseln, wie bei der Eidechse, die sich in einer Holznische im grossen Insektenhotel zum Mittagschlaf verkrochen hat. Ihre linke Körperhälfte ist sonnenbeschienen, die rechte im Schatten. Ein gutes Foto gibt das nicht, die zu harte Schattenkante wird das Bild stets dominieren. Aber die Fotografin hat einen Kniff dafür auf Lager.
Aus ihrer Tasche holt sie ein durchschimmerndes A-4-Blatt. «Diffusorpapier» nennt sie es, aber es könnte genauso gut einfaches Backpapier sein. Sie hält es vor das Insektenhotel, zwischen Sonne und Eidechse, und prompt steht die Eidechse in einem angenehm weichen Schatten. Würde sie sich jetzt noch zur Linse drehen, gäbe es ein tolles Foto. Ein schlichtes Blatt Papier ersetzt den halben Sonnenschirm, den Profifotografen zum gleichen Zweck oft bei sich tragen.
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Es sind solche kleinen Kniffe, die Christine Moor nutzt, um ihre Fotoausrüstung auf ein Minimum zu reduzieren. Nicht nur gewichtsmässig, sondern auch budgettechnisch. Für eine Profiausrüstung blättert ein Fotograf schnell mal eine fünfstellige Summe auf den Tisch. Dass Moor da qualitativ mit einem Aufklemm-Makro für zwanzig Franken nicht ganz mithalten kann, ist ihr bewusst. «Ein A-3-Plakat würde ich damit nicht ausdrucken, aber für einen Vogel-Beobachtungsnachweis reicht das.»
Und auch fürs Internet taugt es allemal; die Expertin verwendet oft Instagram, eine soziale Plattform zum Teilen von Fotos, inklusive Optionen zur Bildbearbeitung direkt auf dem Handybildschirm. Da wird das Foto dann im Nu quadratisch statt querformatig, die Kontraste werden etwas hochgesetzt, die Ränder etwas abgedunkelt. Und in Moors Fall verlieren die Fotos oft sogar die Farbe, denn die Fotografin hat, wenn es sich anbietet, eine Vorliebe für Schwarz-Weiss-Aufnahmen. Diese helfen auch, alltägliche Motive aus einer etwas anderen Warte anzuschauen. Die Sache mit den verschiedenen Brillen eben. Auch aufgrund dieser Palette an Blickwinkeln, die sie sich im Laufe der Jahre an-geeignet hat, verspürt Christine Moor keinen grossen Drang, die weite Welt zu erkunden. «Schliesslich gibt es rund um uns herum noch ganz viel Neues zu ent-decken, wenn wir nur genau hinschauen.»
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