Der weisse Ballon ist über den flachen Feldern schon von Weitem zu sehen. Betritt man kurz darauf das Gelände des Brüederhofs, steht man vor verschiedenen runden Silos, von denen der grösste die Dimensionen eines Zirkuszelts aufweist. Dazwischen ein unübersichtliches Gewirr von Metallrohren, und in einem offenen Nebengebäude Haufen von Mist und pflanzlichen Abfällen und Gemüse, das beschädigt ist oder nicht der Norm entspricht. Die neue Biogasanlage im zürcherischen Dällikon wurde im Mai in Betrieb genommen. Sie stellt aus landwirtschaftlichen Grünabfällen und tierischen Exkrementen Gas her, das anschliessend in Strom umgewandelt wird. Dereinst soll die Anlage bis zu 2,5 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. Das entspricht dem Jahresverbrauch von 600 bis 800 Schweizer Privathaushalten.

«Es braucht ein paar Monate, bis alles richtig eingestellt ist», erklärt Biobäuerin Martina Knoepfel. Genauso wie der Körper für eine reibungslose Verdauung auf eine gute Darmflora angewiesen ist, müsse sich die Zusammensetzung der Bakterien bei einer Biogasanlage zuerst aufbauen. Zudem handle es sich um einen neuen Typus der Technologie. Die Hightech-Anlage arbeitet vollautomatisch und erfasst sämtliche Werte wie Temperatur, Druck und Gasmenge digital. Auf einem Bildschirm können die Betreiber stetig verfolgen, was im Inneren der Behälter gerade passiert.

Dünger schont das Klima
Auf dem Brüederhof in Dällikon hat Biogas Tradition. Der verstorbene Biobauer Kaspar Günthardt hat schon vor 25 Jahren begonnen, Mist und Rüstabfälle aus der Region zu Biogas zu vergären. Doch die Pionieranlage war arbeitsintensiv, störungsanfällig und genügte den Luftreinhaltevorschriften nicht mehr. Deshalb haben Günthardts Sohn und Schwiegertochter nun eine neue Anlage gebaut, die fünfmal mehr organisches Material verarbeiten kann. Die Planung dauerte mehrere Jahre. «Wir mussten zahlreiche Bewilligungen einholen», erzählt Knoepfel. Bau und Betrieb stehen unter stetiger Kontrolle des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel). Zudem brauchte es einen Eintrag im kantonalen Richtplan. Somit ist aber auch gewährleistet, dass in der Region nicht bald noch andere Biogasanlagen entstehen und derjenigen auf dem Brüederhof die Rohstoffe streitig machen.

Das Video zeigt, wie eine Biogasanlage funktioniert (Video: Agentur für erneuerbare Energien e.V.):

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Die Betreiber haben mit zehn Bauern im Umkreis von 20 Kilometern Verträge abgeschlossen. Diese können Mist, Gülle, Pflanzenmaterial wie das Kraut von Kartoffeln und Zuckerrüben oder verdorbenes Silofutter gratis abholen lassen und im Gegenzug eine entsprechende Menge fermentierten Flüssigdünger beziehen. Dieses Produkt enthält kein Methan mehr – ein Treibhausgas, das 25-mal klimaschädigender ist als Kohlendioxid. Führen Bauern ihre Gülle unverarbeitet auf die Felder aus, entweicht das Methangas direkt in die Atmosphäre.

Weitere organische Abfälle liefern Gemüserüstbetriebe und ein Fruchtsaftproduzent. Die Anlage soll künftig bis zu 30 000 Tonnen Material im Jahr verarbeiten können. Mit der Abwärme heizen die Biobauern im Winter zudem die Gebäude auf dem Hof. «Leider können wir nicht die gesamte Wärme nutzen», bedauert Martina Knoepfel. Die Gemüsegärtnerei, deren riesige Treibhäuser einige Hundert Meter entfernt liegen, hätte zwar Interesse an der umweltfreundlichen Energie, doch der Bau von Leitungen wäre sehr teuer.

Unsichere Finanzierung
Biomasse spielt auch in der Schweizer Energiestrategie 2050 eine wichtige Rolle. Holz, organische Abfälle und Tierexkremente sollen zu einem höheren Anteil erneuerbarer Energien beitragen. Gemäss Angaben des Vereins Biomasse Suisse stellen die bestehenden Biogasanlagen jährlich gut 200 Gigawattstunden Strom her, was dem Jahresverbrauch von rund 60 000 durchschnittlichen Haushalten entspricht. Dazu kommt Energie in Form von Biogas und Abwärme. «Das Potenzial wäre jedoch bedeutend grösser», sagt Geschäftsführer Andreas Utiger. Erst fünf Prozent der anfallenden Menge Gülle und Mist sowie weniger als die Hälfte der Küchen- und Gartenabfälle werden zurzeit energetisch verwertet. Bei der Stromproduktion wäre eine Verdreifachung und bei den Biotreibstoffen eine Verdoppelung möglich, schätzt die Organisation. 

Während vor rund zehn Jahren viele neue Biogasanlagen gebaut wurden, sei inzwischen eine Stagnation eingetreten, sagt Utiger. Der Grund liege bei der finanziellen Unsicherheit. Denn die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), mit der erneuerbare Energien gefördert werden, ist ein Auslaufmodell. Die letzten Anlagen, die davon profitieren können, müssen in den nächsten drei Jahren ans Netz gehen. «Alle warten nun auf die Nachfolgelösung», sagt Utiger. Die Verzögerung sei ungünstig. Um die Klimaziele zu erreichen, will etwa die Erdgasindustrie ihren Anteil an Biogas für Heizungen bis 2030 auf 30 Prozent erhöhen. Zurzeit liegt er im unteren einstelligen Bereich.

Wer aber bereits früher eine Anlage betrieben hat, kann auch weiterhin von KEV- Zuschüssen profitieren. So auch der Brüederhof. Dennoch lasse sich mit der Anlage nicht viel Geld verdienen, sagt Martina Knoepfel. Bis die Investitionen von mehrere Millionen Franken amortisiert sind, dauere es wohl mindestens zehn Jahre, schätzt sie. «Unsere Hauptmotivation ist der Klimaschutz.»