Ausserhalb der Stadt Fort Dauphin an der madagassischen Ostküste auf dem Weg nach Berenty wird die Piste schnell sandig. Sisalpflanzungen erstrecken sich zu beiden Seiten des Feldwegs. Die südliche Sonne brennt. Ein schmaler, sich schlängelnder Feldweg führt hinab zu dichtem, kahlem Gezweig. Inmitten dieses Astgewirrs sieht es plötzlich aus wie in einem Märchen. Hellgrüne, lanzenähnliche Blätter überwuchern den Strauch. Das hätte man in dieser Trockenheit nicht erwartet.

Kannenpflanzen benebeln ihre Opfer

Was aber noch viel verwunderlicher ist, sind die grünen bis rötlichen Kannen mit halb offenen Deckeln, die an langen Stängeln hängen. Sie wachsen aus den Blattspitzen. Die Madagaskar-Kannenpflanze gedeiht als Strauch, bedient sich aber des dürren Geästs auch als Stütze, um sich rankend in die Höhe zu arbeiten. In der Nähe erstreckt sich ein Sumpf mit schwärzlichem Wasser. Hier finden die Wurzeln der Pflanze kaum Nährstoffe. Sie hilft sich anderweitig und fängt Insekten mit ihren auffälligen Kannen. Dabei geht sie tückisch vor.

Über kleine Drüsen innerhalb der Kanne sondert sie eine Flüssigkeit ab, die sich am Kannenboden sammelt. Der etwa einen Zentimeter über der Kanne liegende Deckel wirkt wie ein Schirm, der verhindert, dass Regenwasser eindringt und die Flüssigkeit verdünnt. Die Kannen sind für Insekten in mehrfacher Hinsicht anziehend. Einerseits wird am Rand Nektar produziert. Andererseits leuchten sie gelblich und rötlich, was dem Sehvermögen von Insekten optimal entspricht.

Zudem zieht ein Duft aus Alkaloiden und ätherischen Ölen Insekten von weit her an. Sie klettern in die Kanne und naschen vom Nektar, ein Prozess der länger dauert. Der Duft macht sie benommen. Als Folge rutscht das nicht mehr so reaktionsfähige Insekt am Kannenrand aus und gleitet in die Tiefe direkt in die Flüssigkeit. Hier gibt es kein Entkommen mehr. Die Kannenpflanze verdaut den Gefangenen langsam und verschafft sich so in einer ansonsten lebensfeindlichen Umwelt Nahrung. Zu 80 Prozent gehen ihr Ameisen auf den Leim, der Rest sind Fliegen und übrige Insekten.

Wie eine Klappfalle

Wie die Kannenpflanze nach Madagaskar kam, ist nicht klar, vermutlich aber durch vom Wind verwehte Samen. Gleich verhält es sich mit den Beständen auf denSeychellen-Inseln Mahé und Silhouette. Ansonsten liegt der Verbreitungsschwerpunkt in Asien. Dort gibt es auch Arten, die in seltenen Fällen sogar kleinere Säugetiere, wie etwa Mäuse, oder Frösche in den Kannen fangen und verdauen.

Auch in botanischen Gärten sind fleischfressende Pflanzen aufsehenerregende Gewächse. Oft werden sie in Vitrinen im Aussenbereich gezeigt, die seitlich mit Gittern versehen sind und Moorlandschaften imitieren. Die spektakuläre Venusfliegenfalle gedeiht da auf schwarzer Erde neben einer Wasserpfütze, dahinter eine Wurzel wie am Naturstandort im Osten der USA. Sie ist wohl die spektakulärste fleischfressende Pflanze, da sich ihre beiden gezähnten Blätter wie eine Klappfalle schliessen, wenn sich eine Fliege vom Rot angezogen fühlt und darauf landet.

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Alle fleischfressenden Pflanzen üben wegen ihres bizarren Aussehens und ihrer aussergewöhnlichenAngewohnheit, Insekten zu jagen, eine besondere Anziehungskraft auf Menschen aus. So ist es nicht verwunderlich, dass es im deutschsprachigen Raum die Gesellschaft für Fleischfressende Pflanzen gibt. Schweizer Mitglied ist etwa auch Urs Zimmermann aus Dulliken SO. In seinem Garten sieht es aus wie in Nordamerika, denn in speziellen Moorbeeten gedeihen Schlauchpflanzen und Venusfliegenfallen. In der Wohnung zischt und rauscht Wasser aus kleinen Düsen und spritzt in Terrarien. «Eine automatische Bewässerung sorgt hier sechsmal täglich für tropische Feuchte», erklärt der Spezialist.

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Insektenfang auf dem Tepui

Dort, wo Sumpfkrüge natürlich wachsen, kommt nicht so schnell ein Mensch hin. Die Tafelberge der südamerikanischen Länder Venezuela, Guyana und Brasilien sind kaum zu bezwingen, auf etlichen war noch nie ein Mensch. Durch Erosion wurde in Jahrmillionen die Gesteinsschicht darum herum weggetragen, die Tepuis, wie sie in der Sprache eines ansässigen Volks genannt werden, blieben. Einige wurden von Forschern erklommen.

Das nicht mehr so reaktionsfähige Insekt rutscht am Kannenrand aus und gleitet in die Tiefe.

Rundherum gedeiht tropischer Regenwald, doch durch die Höhe der Tafelberge und die exponierte Lage herrscht dort oben ein anderes, kühleres Klima. Heftige Gewitterregen gehen oft mehrmals täglich über die Tepuis nieder und schwemmen das kärgliche Substrat weg. In diesen einzigartigen Lebensräumen haben sich endemische Tier- und Pflanzenarten entwickelt, wie gewisse fleischfressende Pflanzen wie die Sumpfkrüge. Wie sollen solche Pflanzen an einem solchextremen Standort zu Nährstoffen kommen? Sie locken Insekten an! Auch in Asien gedeihen viele Kannenpflanzenarten auf tafelartigen Bergen.

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Urs Zimmermann hat auf einer Expedition gar eine bisher noch nicht bestimmte Art aufgespürt und sie zusammen mit Kollegen wissenschaftlich als Nepenthes undulatifolia beschrieben. Auch der Rundblättrige Sonnentau lebt in schwierigen Verhältnissen – nicht in den Tropen, sondern in der Schweiz. Er kommt in Moorgebieten vor und verankert sich dort mit seinen Wurzeln im sauren Boden. Für Nahrung muss auch er ander-weitig schauen. Mücken bleiben an den mit Ameisensäure durchsetzten Tropfen kleben, die auf den Fangblättern schillern, bis sich die gereizten Tentakel zur Blattmitte neigen, sodass sich das ganze Blatt einkrümmt. Durch diesen Vorgang kommen Verdauungsdrüsen in Kontakt mit der Beute. Die Verdauung dauert mehrere Tage. Nur der Chitinpanzer des Insekts zeugt am Schluss vom Drama.

Pflegetipps
Venusfliegenfalle(Dionaea muscipula)
Diese Pflanze liebt Halbschatten und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Sie darf aber nicht besprüht werden.Idealerweise platziert man den Topf in einer Schale mit Blähton und Wasser, ohne dass er aber selbst im Wasser steht. Die Pflanze ist kühl, aber frostfrei zu überwintern. Die Fallen dürfen nicht mit dem Finger berührt werden. Sie sterben dann ab. Die Venusfliegenfalle stammt aus beschränkten Gebieten im Osten der USA.

Kannenpflanze(Nepenthes sp.)
Die Pflanze mag es hell und warm, aber ohne ganz-tägige Sonne. Nur so bildet sie neue Kannen aus. Sie darf nicht kühl überwintert werden. Eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 70 Prozent bekommt ihr gut. Sie wird am besten in Orchideensubstrat wie etwa Pinienrinde kultiviert. Der Wurzelballen darf nieaustrocknen. Die westlichste Ausbreitungsgrenze sind Madagaskar und die Seychellen, Hauptverbreitungsgebiet ist Asien. 

Schlauchpflanzen (Sarracenia sp.)
Schlauchpflanzen stammen aus Nordamerika undlieben Torfsubstrat. Kalkfreies Wasser im Untersatz ist für diese Sumpfpflanze ideal. Sie sollte im Winter kühl bei etwa 5 Grad Celsius stehen, den Sommer kann sie draussen verbringen. 

Sonnentau(Drosera sp.)
Die Pflanze mag es während der Wachstumsphase im Sommer feucht und sollte in Torf gepflanzt werden. Ein jährliches Umpflanzen fördert das Wohlbefinden. Dabei sollte sie immer etwas tiefer gesetzt werden, als sie vorher gestanden hat. Sonnentau ist weltweit verbreitet, auch in der Schweiz.