Zwischen dem gleichmässigen, gelblich abreifenden Quinoa und dem im vollen Saft stehenden Mais verläuft ein Streifen mit einer im Gegensatz dazu fast anarchischen Vielfalt: Da wachsen blaue Kornblumen, roter Mohn, Hunds-Kamille und gelber Ackersenf sowie rund zehn weitere Arten. Die Mischung soll Nützlinge fördern, ihnen Nahrung und Lebensraum bieten. Gerade im Sommer: Nach dem Verblühen der meisten Pflanzen finden Insekten in den Sommermonaten oft zu wenig Nahrung.

Blühstreifen: Nahrung und Lebensraum für Insekten
«Das war für uns ein Grund, am Projekt mitzumachen», erklärt Marcel von Ballmoos-Hofer, der den Betrieb «vB-Hof» in Lyssach BE in einer Generationengemeinschaft mit seinem Vater bewirtschaftet. Im Projekt «Die Schweiz blüht» haben 400 Bauernfamilien einen oder zwei Blühstreifen angebaut. «Wir bauen auch Kirschen und Zwetschgen an, da spüren wir, wie abhängig wir von der Bestäubung durch Insekten sind», ergänzt Hannah von Ballmoos-Hofer, die auswärts arbeitet und selbst grosses Interesse an der Förderung der Biodiversität hat.

vB-Hof in LyssachDer Betrieb der Familie von Ballmoos (vB-Hof) umfasst 30 Hektaren in den beiden Berner Gemeinden Lyssach und Bäriswil. Angebaut werden Zuckerrüben, Kartoffeln, Weizen, Raps, Konserven-Erbsen, Silomais, Quinoa und Süsskartoffeln, dazu in zwei Anlagen Kirschen und Zwetschgen. Auf dem Betrieb werden 12 Prozent für die Biodiversitätsförderung ausgeschieden. Hier wachsen ein Saum auf Ackerfläche, eine Buntbrache, zwei Blühstreifen sowie 14 Hochstamm-Apfelbäume. Das Getreide wird in weiten Reihen gesät und dient der Förderung von Bodenbrütern und Kleinsäugern. Im Stall stehen 14 Mutterkühe und 3 Pferde. Senior Bernhard und Junior Marcel von Ballmoos bewirtschaften den vB-Hof in einer Generationengemeinschaft, weiter arbeiten auf dem Betrieb ihre Frauen Ursula und Hannah.

www.vb-hof.ch (sowie Instagram)

Die Flächen zur Förderung der biologischen Vielfalt machen auf dem vB-Hof 12 Prozent aus. «Wir haben mit extensiven Wiesen dort begonnen, wo das Land nicht gut geeignet ist für Ackerkulturen», erzählt der Landwirt. Später seien durch Auflagen für IP-Suisse-Zuckerrüben die Blühstreifen dazugekommen. «Wir erhoffen uns, dass der Blühstreifen Nützlinge anzieht, die uns helfen, die Schädlinge in den Zuckerrüben in Schach zu halten.» Denn im IP-Suisse-Anbau gibt es keine Bekämpfungsmöglichkeit gegen Insekten.

Integration der Biodiversitätsflächen in den Betrieb
«Wir versuchen grundsätzlich, die Biodiversitätselemente sinnvoll in den Betrieb einzubinden», führt Marcel von Ballmoos-Hofer weiter aus. Zum Beispiel hätten sie als Pufferzone zwischen dem Siedlungsrand und der mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Ackerfläche einen Saum angesät. «Der Goodwill der Bevölkerung ist wichtig. Allerdings haben die Blumen manchen Leuten so gut gefallen, dass sie sie gleich pflückten», ergänzt seine Frau.

Auf dem Betrieb gibt es auch eine Buntbrache, also eine Mischung aus einheimischen Wildpflanzen, sowie diverse Hochstamm-Obstbäume. «Unsere guten Flächen verwenden wir in erster Linie für den Ackerbau», erklärt Marcel von Ballmoos-Hofer. Als Förderflächen der Biodiversität scheiden sie hier Streifen oder Randstücke aus. «Wir achten ausserdem darauf, dass die Elemente gut vernetzt sind.» Oft ist das Problem, dass es zwar genügend Biodiversitätsflächen gibt, sie aber zu weit auseinander sind. Insekten und Kleintiere können sich dann zwischen den Flächen nicht bewegen. Die Vernetzung und die Qualität der Elemente sind entscheidend, damit diese ihre Wirkung entfalten können.

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Von Ballmoos’ mähen möglichst nicht bei Bienenflug und lassen vor dem Mähen die Rehkitze per Drohne orten. «Das Verhalten ist genauso wichtig wie die Fläche», ist der Landwirt überzeugt. Sie erwarten auch nicht für alles eine Entschädigung: Entlang einer Reihe von alten Baumstümpfen haben sie Heckensträucher gepflanzt und einen Steinhaufen angelegt. «Wir freuen uns selbst auch, wenn wir Insekten und Kleintiere sehen», erklären sie.

Produktion von Nahrungsmitteln und Biodiversität gehören zusammen
Für Hannah und Marcel von Ballmoos-Hofer gehören Produktion und Förderung der Biodiversität zusammen. Da ein wesentlicher Teil des Betriebseinkommens von den fünf Hektaren Kartoffeln kommt, benötigen sie rund zwanzig Hektaren Ackerfläche. Denn um das Übertragen von Krankheiten durch den Boden und Ernterückstände zu vermeiden, dürfen Kartoffeln in der Schweiz nur alle vier Jahre auf der gleichen Fläche angebaut werden. Der grosse Anteil Ackerbau und die Futterflächen für die Mutterkühe und Pferde werden also bleiben. Im Bereich Biodiversität probieren sie gerne neue Elemente aus. Dieses Jahr ist es neben Blühstreifen und der Buntbrache das Getreide in weiten Reihen.

Normalerweise wird das Getreide so dicht gesät, dass wenig Licht auf den Boden fällt. Dadurch keimt weniger Unkraut, der Ertrag ist höher – aber Hasen können die Flächen nicht als Unterschlupf nutzen und bodenbrütende Vögel finden keinen Platz für ihre Nester. Deshalb wird die Massnahme «Getreide in weiten Reihen» seit 2019 in Vernetzungsprojekten im Kanton Bern freiwillig umgesetzt. Mindestfläche sind 20 Aren – Marcel von Ballmoos-Hofer hat sich für zwei Hektaren entschieden. Bei den weiten Reihen brauchen die Bauern nur sechzig Prozent der normalen Saatmenge. Es gibt sichtbare Unterbrüche, in denen kein Getreide steht. Dort findet der Feldhase Unterschlupf. Er macht nämlich keinen Bau und ist auf gut gewachsene, aber nicht zu dichte Bestände angewiesen, um seinen Nachwuchs aufzuziehen.

Diese Flächen für die Biodiversitätsförderung kommen mit einem gewissen Aufwand. Man müsse gut planen – besonders Biodiversitätselemente mitten in der Ackerfläche wie die Blühstreifen seien eine Herausforderung. «Bei der Saat müssen wir die Arbeitsbreite der Maschinen gut einberechnen, damit später weder der Blühstreifen mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wird noch ein Teil der Kultur unbehandelt bleibt», macht er ein Beispiel. Da er selbst auch in der Kontrolle tätig ist, kennt Marcel von Ballmoos-Hofer die Stolpersteine.

Bauernfamilien lassen die Schweiz erblühen2021 haben im Projekt «Die Schweiz blüht» über 400 Bauernfamilien einen oder mehrere Blühstreifen angesät. Dabei handelt es sich um farbenfrohe Mischungen aus einheimischen Wild- und Kulturpflanzen. Der Blühstreifen bleibt zwischen April und September während mindestens hundert Tagen bestehen und bietet damit Bienen und anderen Bestäubern Nahrung und Lebensraum. Gerade im Sommer, wenn nämlich die meisten Pflanzen verblüht sind, finden die Insekten oft nicht genug Nahrung. Auf der Webseite finden Sie mehr darüber, wie Biodiversität in der Landwirtschaft gefördert wird, was Sie im Garten oder auf dem Balkon tun können und eine interaktive Karte – dort sind alle Standorte der Blühstreifen verzeichnet. Bestimmt gibt es auch einen in Ihrer Nähe!

www.die-schweiz-blueht.ch

Für Biodiversität auf Ackerfläche braucht es gute Anreize
«Betriebe optimieren, aber das sollen sie als Unternehmen auch. Wenn etwas finanziell nicht rentiert oder keinen sichtbaren Nutzen bringt, setzt es sich nicht durch», sagt der Landwirt. Dazu gehörte lange auch der Blühstreifen. Das Saatgut mit vielen einheimischen Wild- und Kulturpflanzen ist teuer, der Planungsaufwand für den Streifen mitten im Feld gross. «Gleichzeitig ist der Nutzen für Bienen und Insekten hoch», wendet Hannah von Ballmoos-Hofer ein, «weil der Blühstreifen in den Sommermonaten blüht, wenn alles andere verblüht ist.»

Für mehr Biodiversität auf Ackerflächen brauche es gute Anreize und ein vermehrtes Umdenken, ist Marcel von Ballmoos-Hofer überzeugt. Schliesslich sei das Land in der Schweiz knapp und der Wille, Nahrungsmittel zu produzieren, gross. «Auf unserem Betrieb erkennen wir den Sinn darin, die Biodiversität zu fördern, und tragen unseren Teil dazu bei», sagt der Landwirt. «Biodiversität ist für uns eine Grundleistung, wie gute Bodenfruchtbarkeit – die sich positiv auf die Produktion von Lebensmitteln auswirkt.»

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