Bäume sind gesellige Wesen – auch, wenn sie in den Augen von uns dauergehetzten Menschen nur regungslos herumstehen. Es verhält sich wie bei so vielem: Was tatsächlich passiert, sieht man von aussen nicht. Denn: Bäume kommunizieren aktiv miteinander. Sie warnen einander vor Fressfeinden, teilen Informationen über Nährstoffe und versorgen sich gegenseitig mit diesen.

«Bäume sind erfahrene Praktiker, und nach Dienstschluss lesen sie Darwin.»

Walter Fürst, alias «Billy»Schweizer Aphoristiker (1932 – 2019)

Verbunden sind die Pflanzen über das sogenannte «Wood Wide Web», angelehnt an das Internet. Statt über Datenkabel und Serverzentren kommunizieren die Pflanzen aber mithilfe ihrer Wurzeln, konkret über die daran wachsenden Mykorrhiza-Pilze. Die feinen, fadenartigen Pilze tauschen sich nicht nur mit ihrem eigenen Baum aus, sondern kommunizieren auch mit angrenzenden Baumwurzeln. Herausgefunden hat dies die kanadische Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard. Indem sie radioaktiven Kohlenstoff verwendete, konnte sie aufzeigen, dass sich Bäume gegenseitig helfen. Fehlt es einem an Ressourcen, unterstützen ihn die anderen. Diese Solidarität geht sogar über die Arten hinweg: So helfen Birken beispielsweise auch Douglas-Tannen bei der Versorgung.

Als Kommunikationsorgan der Bäume nehmen Wurzeln eine sehr wichtige Rolle ein. Von Forschenden werden sie deshalb auch «Kommandozentrale» für die Wahrnehmung der Pflanze bezeichnet. Diesen Terminus nutzt etwa der Zellbiologe Frantisek Baluska von der Universität Bonn. Er untersuchte die gezielte Bewegung und Sensibilität der Wurzelspitzen und hält auf Video fest, wie diese auf der Suche nach Wasser und Nährstoffen durch das Erdreich kriechen – ähnlich wie ein Wurm. Werden sie fündig, senden sie eine Botschaft an das restliche Wurzelgewächs, welches sich dann in die entsprechende Richtung ausbreitet. Diese interne Kommunikation funktioniert von Zelle zu Zelle und reicht bis ganz nach oben in die Baumkrone. Gibt es im Boden zu wenig Wasser, teilen die Wurzeln dies den Blättern mit. Diese schliessen daraufhin ihre Stomata, die winzigen Öffnungen in der Oberfläche, sodass weniger Wasser verdunsten kann.

Auf diese Weise schützen sich Bäume auch vor Fressfeinden und Parasiten. Wird beispielsweise eine Eiche von Raupen befallen, geben die betroffenen Blätter ein Notsignal an die anderen weiter. Das gesamte Blattwerk produziert dann vorbeugend den chemischen Stoff Tannin, um die knabbernden Insekten abzuschrecken oder gar zu vergiften.

Der chemische Hilferuf

Neben den Wurzeln und Zellen spielen in der Sprache der Bäume auch chemische Stoffe eine wichtige Rolle. Das bereits erwähnte Tannin etwa hat in Südafrika schon ganze Antilopenherden bedroht. Der Biologe Wouter van Hoven untersuchte einst, weshalb auf den Wildtier-Ranches Südafrikas plötzlich massenhaft Kudus starben – scheinbar ohne ersichtlichen Grund. Die Lösung des Rätsels steckte im Magen der Antilopen: Hier fand van Hoven jede Menge Akazienblätter. Die mächtigen Bäume gehören zu einer der wenigen Pflanzenarten, die während einer Dürre noch Blätter tragen. Kein Wunder also, stürzten sich die Antilopen in genau einer solchen trockenen Periode auf die Akazien.Diese fingen daraufhin an, Tannin zu produzieren und ihre Fressfeinde so dahin zu raffen. Der Biologe fand zudem heraus, dass sich nicht nur einzelne Pflanzen vor den Kudus schützten: Neben Tannin produzierten die Bäume nämlich auch Ethylen, eine besonders flüchtige Chemikalie, welche über die Luft an ihre Art-genossen weitergetragen wurde und diese vor der drohenden Gefahr warnte.

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Dass Bäume mithilfe von Duftstoffen kommunizieren, weiss man also bereits länger. Auf diese Weise unterhalten sie sich nicht nur untereinander, sondern auch mit Insekten und weiteren Tieren. Beinahe wie ein menschlicher Fingerabdruck produziert jede Baumart ihre ganz eigene Zusammensetzung an flüchtigen organischen Stoffen. Die Tiere lernen dieses Muster zu lesen und werden in Alarmbereitschaft versetzt, sobald sie es wahrnehmen. Wird etwa eine Eiche von zahlreichen Raupen belagert, ruft sie mittels Duftstoffen um Hilfe. So werden gezielt Vögel wie Kohlmeisen angelockt, die zur Eiche fliegen und die Raupen dort fressen.

Nachgewiesen werden konnte diese Art der Kommunikation bisher nur im Labor unter strengen Bedingungen. Nun jedoch gelang es einer Gruppe von Forschenden rund um das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, dieses Phänomen auch in freier Natur nachzuweisen. Im 40 Meter hohen Kronendach des Leipziger Auwaldes täuschten sie gezielt chemischen Frass vor, indem sie Zweige von Eichen mit einem Pflanzenhormon besprühten, was bei den Bäumen eine Abwehrreaktion auslösen sollte. Gleichzeitig bestückten sie die Blätter mit Raupenattrappen, um Biss- und Pickspuren der Vögel erkennen zu können. Und tatsächlich: Die von den Forschern besprühten Äste wurden von raupenfressenden Tieren wie Vögeln, Schlupfwespen und Raubwanzen deutlich häufiger besucht als die unbehandelten Äste.

Der Versuch zeigt nicht nur eindrücklich auf, wie vielschichtig die Sprache der Bäume ist. «Die Erkenntnisse können auch helfen, alternative Strategien zur Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft zu finden», sagt die beteiligte Forscherin Nicole van Dam. So könnten künftig etwa Pestizide eingespart werden.