Zigeunervogel
Fichtenkreuzschnabel: Der Papagei unserer Wälder
Sie sind bunt, neugierig und turnen in den Tannenkronen herum. Ähnlich den Papageien in den Tropen. Fichtenkreuzschnäbel sind besonders.
Plötzlich sind sie da. Die Fichtenkreuzschnäbel zeigen sich als rötliche Flecken auf dem Dunkelgrün des Tannenwipfels. Die vier Vögel sitzen einen Moment lang ruhig, dann hangeln sie sich den Ästen entlang bis zu den Zapfen und beginnen, daran zu nagen. Das Wanken des Tannengrüns lässt erahnen, dass noch mehr der besonderen Vögel zugange sind. Die Männchen fallen durch ihr rötliches Gefieder auf, die Weibchen sind gelblich gefärbt. Durch das farbige Äussere und ihr Kletterverhalten ähneln sie den tropischen Papageien.
Mit den Exoten aus Übersee haben sie allerdings nichts zu tun, denn Fichtenkreuzschnäbel sind Vertreter der Familie der Finken. Sie sind im letzten Herbst rekordmässig in der Schweiz festgestellt worden. Der Ornithologe Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach teilte mit: «Zwischen August und Oktober 2023 wurden auf dem Col de Bretolet mehr als 2500 Fichtenkreuzschnäbel beringt – ein Rekord.» Die Verfügbarkeit von Fichtensamen habe grossen Einfluss auf die Zugbewegungen dieser Art.
Die Vogelwarte betreibt auf dem Walliser Gebirgspass seit 1958 eine Beringungsstation. Zugvögel werden gefangen, vermessen, beringt und wieder fliegen gelassen. Dadurch können wertvolle Informationen zum Vogelzug und zur körperlichen Verfassung der Vögel gewonnen werden.
Spezialwerkzeug für Nadelholzzapfen
Der besondere Vogel mit dem gekreuzten Schnabel kann zwar das ganze Jahr über in der Schweiz beobachtet werden, hauptsächlich in Berggebieten, wo Nadelbäume wie Fichten dominieren. Da er sich meist in den Wipfeln aufhält, wo auch die Zapfen hängen, ist er schwer zu sehen, besonders in der wärmeren Jahreszeit. Mehr Glück besteht im Winter. In Jahren mit vielen Zapfen und Samen fliegen viel mehr dieser Nomaden in die Schweiz ein. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Trupps auf der Suche nach Nahrung mehrere Hundert oder sogar tausend Kilometer zurücklegten, berichtet der Ornithologe Livio Rey. Die Art ist von der Küste des Japanischen Meeres über Europa bis nach Nordamerika verbreitet, überall dort, wo es Wälder mit Nadelbäumen gibt.
[IMG 2]
Da im letzten Winter so viele Tannensamen vorhanden waren, brüteten die Nahrungsspezialisten sogar in der kalten Jahreszeit hier. Bruten finden aber während des ganzen Jahres statt. Aufgrund von Beobachtungen unter Menschenobhut ist bekannt, dass Fichtenkreuzschnäbel in Zapfen auch Maden finden, die sie an ihre Jungen weiter verfüttern. Ihre gekreuzten Schnäbel sind ein Spezialwerkzeug, denn sie sind wie gemacht dafür, Samen und Maden zwischen den Schuppen von Nadelholzzapfen herauszuklauben. Gekreuzter Schnabel, Winterbrüter, Fichtenkreuzschnäbel sind aussergewöhnlich!
Zigeunervogel in GoldauWegen seines nomadischen Verhaltens wird der Fichtenkreuzschnabel auch als Zigeunervogel bezeichnet. Wer diesen Sonderling nicht im Wald entdeckt, kann ihn im Tierpark Goldau beobachten. In der Voliere neben den Waldrappen flattern nebst Alpendohlen auch Christvögel – eine weitere Bezeichnung für den Fichtenkreuzschnabel. Eine Legende besagt, dass sein Schnabel gekreuzt ist, weil er versucht habe, damit die Nägel aus dem Kreuz Jesu zu ziehen.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren